Österreichische Befindlichkeiten

Abschiebegefängnis als Goldgrube für privaten Sicherheitskonzern

Mit einem 68-Millionen Euro Vertrag und einer Laufzeit von 15 Jahren bedient die österreichische Regierung den Konzern G4S. Dass sie damit staatliche Hoheitsrechte preisgibt, ist der Innenministerin ebenso egal wie der schlechte Ruf des Unternehmens wegen Menschenrechtsverletzungen.

Von Helga Suleiman Dienstag, 04.02.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.02.2014, 0:44 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Das als „Anhaltezentrum“ beschönigend titulierte Abschiebegefängnis der kleinen Gemeinde Vordernberg liegt in einem engen Gebirgstal in der Steiermark, 17 Kilometer entfernt von der nächstgrößeren Stadt.

Bekannt ist Vordernberg aufgrund seiner Geschichte. Die durch den Ort verlaufende uralte „Eisenstrasse“ erzählt auch die Tragödie des Todesmarsches tausender ungarischer Juden zum KZ Mauthausen im Jahr 1945. Diese historische Komponente hielt den sozialdemokratischen Bürgermeister nicht davon ab, die Gemeinde als Standort für das Schubhaftgefängnis zu bewerben. Heute inhaftiert Vordernberg vor Elend und Tod geflohene Menschen, um sie dann erneut in lebensbedrohliche Situationen abzuschieben.

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Für den Bürgermeister zählen wirtschaftliche Argumente. In der Region wird angeblich eine Wertschöpfung von jährlich 13 Millionen Euro erwartet. Wegen neuer Arbeitsplätze freut er sich über die Beauftragung von Group 4 Securicor (G4S) mit Bewachung und Sicherheitsaufgaben.

Genau das bezeichnet Menschenrechtsexperte Manfred Nowak als höchst problematisch. Bei Sicherheit und Ausübung der Strafgewalt geht es um Kernfunktionen staatlicher Hoheitsaufgaben. Der Experte bezweifelt, dass die Trennung zwischen dem Einsatz staatlicher Gewalt und anderen Bewachungsaufgaben möglich sein wird.

Tatsächlich öffnen Auslagerung und Abgabe von staatlichen Aufgaben in polizeilichen und militärischen Bereichen Menschenrechtsverletzungen Tür und Tor. Großbritannien und USA lassen Gefängnisse von privaten Sicherheitsdiensten betreiben. Dafür wurden diese Staaten vom UN-Menschenrechtsausschuss bereits heftig kritisiert, was aber ohne Wirkung blieb. Auch der tragische Tod von Jimmy Mubenga änderte nichts. Der Angolaner war 2010 an einer von G4S-Mitarbeitern durchgeführten „Abschiebemaßnahme“ erstickt. Der Fall ist bei Gericht anhängig.

Unweigerlich erinnern Auslagerungspolitiken an die amerikanische Vorgehensweise im Krieg gegen den Irak. Die US-Armee hatte die private Sicherheitsfirma Blackwater mit Sicherheitsdiensten beauftragt. 2007 erschossen Blackwater-Mitarbeiter 17 Zivilisten in Bagdad, grundlos. Diese Mitarbeiter wurden von ihrem Auftraggeber, dem amerikanischen Staat, angeklagt. Präsident Bush und seine Minister blieben unbehelligt.

Menschenrechtsexperten und NGOs warnen: Durch die Privatisierung staatlicher Aufgaben werden demokratische Kontrollinstanzen geschwächt. Der Druck der Öffentlichkeit auf die staatliche Politik ist maßgeblich gebremst.

Der Einsatz von G4S in Vordernberg folgt dieser Logik. Auch wenn Innenministerin Mikl-Leitner noch so sehr betont, dass hoheitliche Aufgaben in Vordernberg in Händen der Polizei bleiben, ist der entscheidende Schritt getan. Mit dem Einsatz von G4S in einem Abschiebegefängnis wird auch in Österreich in Richtung einer autoritären, immer unkontrollierbarer agierenden Staatsmacht marschiert. Aktuell Meinung

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  1. H.P.Barkam sagt:

    Zitat: „… wird auch in Österreich in Richtung einer autoritären, immer unkontrollierbarer agierenden Staatsmacht marschiert.“

    Wir Europäer, als Einheit einer multikulturellen Bevölkerung eigentlich mit allen Fähigkeiten und Möglichkeiten für eine friedliche und lebenswerte Zukunft ausgestattet, schaffen unsere Herrschaft über individuelle Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit schon lange selbst ab.
    Die jedes menschenfreundlich soziale Gefüge tötenden Viren, Gier und Herrschsucht einer kleinen, extrem reichen Elite, haben sich längst und vermutlich kaum noch bekämpfbar in den geistig verarmten Vereinsführungen, Kirchendiktaturen, Verbandsführungen sowie insbesondere den korrupten Führungskadern sämtlicher politischer Parteien Europas eingenistet.
    Diese Viren durch die Ausnutzung sämtlicher Ressourcen des Einzelnen zu füttern, bis jegliche Individualität verloren gegangen und nur noch Funktionalität als Lebensberechtigung akzeptiert wird, ist die von den Reichen und Mächtigen erteilte Aufgabe an diese Clique dummdreister Ganoven.

    Ich stimme Helga Suleiman vollkommen zu, dass sich das Autoritätsgehabe der Einzelstaats- und Europaführungen stetig von einer tatsächlichen Demokratie entfernt. Es ist meiner Meinung nach falsch zu sagen, dass die Staatsführungen dies unkontrolliert tun.

  2. Marie sagt:

    Ich stimme Helga Suleiman völlig zu. Die österreichische Regierung hat jede Kritik an diesem Abschiebegefängnis und an dem Vertrag mit G4S ignoriert. Ich möchte noch ein Beispiel für die Menschenrechtsverletzungen durch den weltweit größten Sicherheitskonzern G4S: Dieser Konzern berteibt selbst In Palästina Gefängnisse, in denen werden PalästinenserInnen ohne Anklage monatelang, jahrelang in Administrativhaft gehalten,, sie werden gefoltert, selbst Kinder und Jugendliche! Sie haben Verträge für Sicherheitssysteme in zahlreichen israelischen Gefängnissen, Verhörzentren, Checkpoints,…. Während einige Institutionen in Europa dem Boykottaufruf bereits folgten und Verträge mit G4S kündigten, schließt die österreichische Regierung einen millionenschweren Vertrag ab! Eigentlich sollten bei öffentlichen Aufträgen ethische Standards ein Vergabekriterium sein – abgesehen davon brauchen wir gar kein Abschiebegefängnis, denn: Bleiberecht für alle!