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Interkulturelle Kompetenz

Die Fremdsprache als Türöffner

Wie tragen Sprachen zu einem besseren Umgang mit anderen Werten und Vorstellungen bei? Das Stichwort dafür heißt Interkulturelle Kompetenz. Aufklärung über eine diffuse Forderung im Austausch mit einer Expertin.

Von Heinfried Tacke Donnerstag, 06.02.2014, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 10.02.2014, 0:04 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Frau Dr. Zapf, Sie beschäftigen sich intensiv mit dem Thema Interkulturelles Lernen und haben ein Buch dazu veröffentlicht. Warum? Was hat Sie dazu bewegt?

Dr. Elke Christine Zapf: Vor allem persönliche Erfahrungen. Ich hatte schon als 12-Jährige eine Brieffreundin in Frankreich, habe in diversen Unternehmen bzw. Institutionen im Ausland gearbeitet und ich habe viele Freunde aus unterschiedlichsten Kulturen. Ausschlaggebend war aber eine interkulturelle Zusammenarbeit im Rahmen eines Leonardo-Projekts. Da erst wurde mir so richtig bewusst, wie unterschiedlich die Arbeitsweisen sind und wie schwierig die Zusammenarbeit sein kann. Gleichzeitig fragte ich mich, wie es sein kann, dass ich Betriebswirtschaftslehre und Französisch studiert habe und für das berufliche Schulwesen ausgebildet wurde, jedoch weder theoretisch noch methodisch-didaktisch jemals mit dem Thema „Interkulturelle Kommunikation“ in Berührung kam. Das wollte ich ändern und stärker in die Schulen einbringen.

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Niemand käme auf die Idee, zu bestreiten, dass es kulturelle Unterschiede gibt. Warum aber sind sie gerade heute so wichtig für den Bildungsauftrag der Schule?

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Dr. Elke Christine Zapf aus Karlsruhe ist nach dem Studium der Wirtschaftspädagogik (Uni Mannheim) und der Promotion in Interkultureller Wirtschaftskommunikation (Uni Saarbrücken) als Lehrerin im kaufmännischen Schulwesen des Landes Baden-Württemberg tätig. Zudem arbeitet sie als Trainerin und Lehrbeauftragte für Interkulturelle Kommunikation und Diversity Management.

Zapf: Noch vor zehn, fünfzehn Jahren war interkulturelle Kompetenz vor allem ein Thema für Manager, die international tätig waren. Heute ist es eines, das alle angeht, da wir zunehmend mit Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen zusammen leben und arbeiten. Deshalb ist es so wichtig für die Schule, junge Menschen auf eine von Vielfalt geprägte Welt vorzubereiten. Das bedeutet, dass die Schule Lernprozesse initiieren muss, die Schüler dazu befähigen, über ihre Haltungen und Einstellungen zu anderen Menschen zu reflektieren. Gefragt sind Fähigkeiten, Fremdes auszuhalten, die so genannte „Ambiguitätstoleranz“, Perspektivwechsel, Konfliktlösekompetenzen und interkulturelles Wissen, damit die Schülerinnen und Schüler in den konkreten Kontaktsituationen auch erfolgreich interagieren können.

Ein Kernbegriff nicht nur für den Fremdsprachenunterricht ist Interkulturelle Kompetenz. Was bedeutet sie jedoch konkret für den Unterricht, fragen sich nicht wenige Kollegen. Nur Schüleraustausche reichen ja wohl nicht, oder?

Zapf: Sie haben völlig Recht. Leider sieht es häufig aber genau so in der Schule aus: Interkulturelle Kompetenz wird mit Schüleraustauschmaßnahmen oder schlicht Auslandsaufenthalten gleichgesetzt. Diese veraltete Kulturkontakthypothese greift jedoch zu kurz. Sie vernachlässigt die Befähigung zu Perspektivwechseln, zur Toleranz gegenüber Fremden, zur Reflexion des eigenen Referenzrahmens etc. Mein Co-Autor Prof. Dr. Vatter und ich sehen interkulturelle Kompetenz als Schlüsselkompetenz an, die eine Querschnittsaufgabe für die gesamte schulische Bildung darstellt. Die gezielte Vorbereitung der Lehrkräfte für diese Aufgabe steht aber noch immer aus.

Interkulturelle Kompetenz kann nie ein einzelnes Fach alleine vermitteln. Warum haben Sie dennoch ein eigenes Buch mit Kopiervorlagen und Arbeitsblättern für den Französischunterricht entwickelt?

Zapf: Der Französisch-Unterricht kann bei der Vermittlung interkultureller Kompetenzen einen großen Beitrag leisten, bietet Sprache doch erst die Möglichkeit, den Blick in eine andere Welt zu öffnen. Darauf sind unsere speziellen Arbeitsblätter und Unterrichtseinheiten ausgerichtet. Vergessen wir nicht: Frankreich ist nach wie vor unser mit Abstand wichtigster Handelspartner.

Sie greifen in dem Arbeitsbuch auch auf Trainingsaufgaben aus der Wirtschaft zurück. Warum?

Zapf: Wer sich mit Interkultureller Kompetenz befasst, wird feststellen, dass es in Unternehmen längst selbstverständlich ist, spezielle Qualifizierungsprozesse dafür zu implementieren. Etwa die Methode des „Culture-Assimilator-Trainings“. Sie erlaubt es, anhand so genannter „critical incidents“ Lösungsmöglichkeiten einzuüben. „Critical incidents“ sind empirisch erhobene kulturelle Überschneidungssituationen, die häufig zu Missverständnissen führen und die als „typisch“ für jeweilige Kulturräume gelten. Von solchen Methoden und Erfahrungen der Unternehmen können wir für die Schule profitieren, nicht zuletzt, um unsere Schülerinnen und Schüler gut auf eine zunehmend internationalisierte Arbeits- und Lebenswelt vorzubereiten.

Ihnen ist beim Training für Interkulturelle Kompetenz der „Diversity-Ansatz“ sehr wichtig. Können Sie uns den in wenigen Worten einmal erläutern?

Zapf: Diversity bedeutet zunächst „Vielfalt“ und kann an sichtbaren Merkmalen wie Haar-, Augen- und Hautfarbe, Geschlecht und Alter und eben dem kulturellen Hintergrund festgemacht werden. Vielfalt zeigt sich aber gerade auch an unsichtbaren Merkmalen wie Werten, Einstellungen, Handlungs- und Kommunikationsmustern. Unsere Lebens- und Arbeitswelt wird zunehmend vielfältiger. Hieraus ergeben sich Chancen, die es zu nutzen gilt. Denn unterschiedliche Perspektiven und Vorstellungen tragen Innovationskraft in sich. Es ist folglich eine Notwendigkeit geworden, mit dieser Vielfalt wertschätzend und zielführend umzugehen.

Bildungspolitisch wird der Begriff der Interkulturellen Kompetenz oft und gern in den Mund genommen und dann auf die Schule verwiesen. Aber tut man auch genügend dafür?

Zapf: Selbst wenn sich in den letzten Jahren viel getan hat, fehlt es dennoch an der systematischen Umsetzung. Es mangelt an konkreter Einbindung in die Lehrpläne, an notwendiger Aus- und Weiterbildung der Lehrer, an spezifischen Umsetzungshilfen für den Unterricht und nicht zuletzt an entsprechenden personellen Strukturen im Bereich der Schulverwaltung. Was das betrifft, bleibt es leider häufig nur bei schönen Sonntagsreden.

Frau Dr. Zapf, wir danken Ihnen für das Gespräch. Aktuell Feuilleton

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  1. Hans Gothe sagt:

    Zwar interessant, aber nichts Neues. Sprachunterricht bedeutete schon immer interkulturelle Kompetenzvermittlung – da hat sich seit Ende der 60er Jahre nichts an der Erkenntnis geändert. Es wurde leider nur nicht als Teil der Schule beachtet – nicht von der Schule, sondern von der Politik und der „Wirtschaft“. Beide sind erst in den letzten Jahrzehnten darauf gestoßen, dass dies wichtig ist.

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