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Buchtipp zum Wochenende

Roman: „Kein Frühling für Bahar“ von Sabine Adatepe

Die junge Deutschtürkin Bahar ist tot, ihr Bruder steht unter Mordverdacht: ein Ehrenmord?! Willkommen im Problemviertel Wilhelmsburg in Hamburg!

Von Freitag, 21.02.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.02.2014, 23:32 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Braucht man zu dem Roman „Kein Frühling für Bahar“ noch eine Rezension? Ja, unbedingt, denn erstens ist dieses Buch kein problembeladenes Pseudo-Sachbuch, zweitens kein actionreicher Krimi und drittens bedient es keine Klischees und Vorurteile.

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Die deutsche Sozialberaterin Ina, die die Familie von Bahar betreut und der Großvater von Bahar, der in einem Dorf in der Schwarzmeerregion in der Türkei lebt, erzählen aus ihren Perspektiven die Ereignisse. Es ist die Geschichte einer klassischen Gastarbeiterfamilie aus Hamburg, die für ihren Sohn eine Importbraut aus der Heimat holt und ein dörfliches Leben in der Fremde weiterführt. Es ist die Geschichte einer türkischen Familie, die es nicht geschafft hat, nach Deutschland zu kommen und hier zu arbeiten, aber die immerhin eine Tochter nach Deutschland verheiraten konnte.

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Es ist der Autorin Sabine Adatepe gelungen, eine Sprache zu finden, die sowohl die Sachverhalte schildert aber auch gleichzeitig den Seelenzustand der Protagonisten offenlegt. Als Turkologin und Iranistin ausgebildet und mit über 17 Jahren Berufserfahrung als Deutschlehrerin für Migranten (im Fachjargon: Dozentin für Deutsch als Fremdsprache) hat Sabine Adatepe ein Gespür für die türkische Klientel ihrer Sozialberaterin Ina in ihrem Roman.

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Die Autorin, die auch als literarische Übersetzerin tätig ist und einen Blog betreibt, hat viele türkische Redewendungen im Original in ihr Buch eingebaut, der Leser wird durch diesen Stil noch tiefer in die Handlung hineingezogen. Wunderbar, es macht Spaß weiter zu lesen. Eine andere sprachliche Bereicherung des Buches ist das sehr kompetent eingesetzte Behördendeutsch der frustrierten Sozialarbeiterin Ina, die bei ihrer Arbeit einerseits den Menschen vor Ort helfen soll, dabei aber die Auflagen der Behörde im Hinterkopf behalten muss.

Mit ihrem Roman schließt die Autorin das Kapitel Wilhelmsburg in ihrem Leben, es ist ihr persönlicher Abschied. Sabine Adatepe macht sich selbstständig und gibt ihre Tätigkeit als Deutsch-Dozentin auf. Entgegen aller Klischees zeigt sie ihr Wilhelmsburg, wie es wirklich ist, mit einem ganz anderen Blick auf diesen jahrelang vernachlässigten Stadtteil. Bei Lesungen betont die Autorin aber auch, dass der Charme von ihrem Wilhelmsburg in den letzten Jahren mit der Gentrifizierung und den vielen gewaltigen Investitionen verloren gegangen ist.

Wie der Untertitel unschön betont, ist das Buch mehr als eine Hamburger Migrationsgeschichte. Auf diesen Zusatz hat der Verlag bestanden. Naja, vielleicht verkauft sich der Roman so dann doch besser.

„Kein Frühling für Bahar“ ist die Geschichte verschiedener türkischer Frauen, lethargischer Mütter, schweigend leidender Schwiegertöchter und aufmüpfiger Töchter. „Was für ein entsetzliches Leben führten so viele dieser Frauen, aber es schien sie gar nicht weiter zu stören. Wie haltet ihr das aus, hatte ich manchmal gefragt, dann hatten sie gelacht, kader gesagt oder kısmet: Schicksal, Bestimmung. Ja, aber sie hatten gelacht, die meisten mit einer wegwischenden Handbewegung, die wenigsten mit einer Prise Bitterkeit, kaum eine mit einem Anflug von Verzweiflung.“

Sabine Adatepe lässt den Leser am Alltag dieser Frauen, ihren Ängsten und Sorgen und den dörflichen Lebensverhältnissen teilhaben, dieser Lebensstil wurde teilweise nach Europa importiert, wie z.B. die arrangierten Ehen mit Heiratskandidaten aus der fernen Heimat.

Ist es ein Frauenroman? Eher nicht. Die Autorin lässt ganz bewusst den Großvater Nihat aus Kastamonu zu Wort kommen. Nihat hat seine Enkelin verloren, die Tochter seiner Tochter. Durch seinen Besuch in Hamburg und seine Schilderungen erfährt der Leser, wie unglücklich manche Familien im gelobten Land Alamanya trotz finanzieller Erfolge leben, während andere, die in ihren bescheidenen Dörfern in der Türkei zurückgeblieben sind, ein glückliches Familienleben haben.

Hat Sabine Adatepe einen Roman über einen Ehrenmord geschrieben? Vielleicht! Ihr ist ein sehr emotionaler Roman über Zerrissenheit, Traurigkeit und den Kulturschock der türkeistämmigen Menschen in Deutschland, insbesondere derjenigen, die aus Dörfern hierher kamen, gelungen. Sie hat sowohl den türkischen als auch den deutschen Blick: Die überforderten Eltern in Hamburg wollen ihre Tochter möglichst schnell unter die Haube bringen.

Der türkische Leser wird diese Tatsache aus seinem eigenen Leben oder von Bekannten oder Nachbarn kennen. Der deutsche Leser wird durch die Schilderung der Gefühle und Ängste der Eltern besser verstehen, warum diese ihre gerade mal 15jährige Tochter in eine Ehe hineinmanövrieren wollen. Vielleicht traut sich der eine oder andere Leser nach dieser Lektüre in den „sozialen Brennpunkt Wilhelmsburg“, „Kein Frühling für Bahar“ lädt auf jeden Fall dazu ein. Aktuell Rezension

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