Dokumentarfilm
Halbmondwahrheiten – Der Film zum Buch
"Halbmondwahrheiten", der Dokumentarfilm zum gleichnamigen Buch, lässt türkischstämmige Väter zu Wort kommen. Sie reden offen über ihre Probleme und unterstützen sich gegenseitig. Der Film zeigt eine ganz andere Seite der türkischen "Machos".
Von Gabriele Voßkühler Freitag, 14.03.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 18.03.2014, 6:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Berlin/Neukölln: Der Psychologe Kazım Erdoğan trifft sich jeden Montagabend mit türkischstämmigen Vätern, um mit ihnen über Kinder, Familie und Erziehungsmethoden zu sprechen. Eine vermeintlich geschlossene Gesellschaft: Die Männer, die in dieser Gesprächsrunde zu Wort kommen, zeigen dem Zuschauer vor allen Dingen eines, und das ist Schwäche. Ohne Scham sprechen sie über Gedanken und Gefühle. Mit dem gängigen Stereotyp des „türkischen Machos“ hat das wenig zu tun.
Die Journalistin und Autorin, Isabella Kroth, hatte in ihrem 2010 erschienen Buch “Halbmondwahrheiten“ elf Teilnehmer sowie den Initiator und Leiter der Gruppe, Kazım Erdoğan, porträtiert. Nun gibt es den Film zum Buch: Ein „Montagsvater“ berichtet zu Beginn von seinen Panikattacken, um im nächsten Moment schon zum eigentlichen Kern des Problems zu kommen. Sein Vater hat ihn bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr regelmäßig geschlagen.
Gewalt, Ehre, zerbrochene Familien, all das sind Themen, mit denen sich die Männer aus Erdoğans Gruppe beschäftigen. Die meisten von ihnen haben während ihrer Kindheit und Jugend selber Gewalt erfahren. Viele haben ihre Frauen geschlagen, bis sie zu Kazım Erdoğan in die Montagsgruppe kamen.
Farbe bekennen
Der Psychologe nutzt diese Gruppe, um Fälle von häuslicher Gewalt im Bezirk und in der Stadt mit den Männern zu besprechen und nach Gründen dafür zu fragen. „Wir müssen uns an die eigene Nase fassen“, sagt er. Wenn nötig, bekennen die Männer der Vätergruppe auch Farbe: Als 2012 eine Mutter von sechs Kindern in Berlin-Kreuzberg von ihrem Mann enthauptet wird, zünden sie vor ihrem Haus Kerzen an. Sie tragen T-Shirts auf denen „Männer gegen Gewalt“ steht. Darunter sind ein Paar Engelsflügel und ein Schnurrbart gezeichnet.
Halbmondwahrheiten beleuchtet „männliche“ Zuwanderergeschichten aus einem anderen Blickwinkel. Die Probleme von Frauen, die zwangsverheiratet werden sind in Deutschland seit Jahrzehnten bekannt. Dass auch Männer zwangsverheiratet werden, wissen nur wenige. Die „Montagsväter“ erzählen vom Scheitern dieser Ehen. Wir lernen, dass Ehe und Ehre für viele dieser Männer sehr eng zusammen gehören. Einige haben gegen ihren Willen geheiratet, um die Ehre ihrer Familie zu retten.
Unglückliche Ehen
Das Ergebnis sind unglückliche Ehen, die nicht von Dauer sind. Trotzdem scheuen sich diese Männer nicht davor, wenn nötig, auch die Mutterrolle zu übernehmen: Als eine junge Frau lachend erzählt, dass sie ihrem alleinerziehenden Vater als kleines Mädchen auch zum Muttertag regelmäßig Geschenke machte, wehrt dieser mit dem Kommentar „Aber ich bin doch ein Mann“ ab. Die Tochter lacht und der Vater scheint das Kompliment der Tochter für seine Doppelrolle als Mutter und Vater nicht zu bemerken. Andere Männer aus Erdoğans Gruppe leben getrennt von ihren Kindern. Manche haben ihre Kinder seit vielen Jahren nicht mehr gesehen, weil sie bei ihren Müttern in der Türkei aufwachsen. „Halbmondwahrheiten“ zeigt auch, wie sehr diese Väter deswegen leiden.
Wie schon zuvor Isabella Kroth, findet die Regisseurin des Films, Bettina Blümner, in Erdoğans Gruppe keine „geschlossene Gesellschaft“ vor. Stattdessen lernen wir hier Männer kennen, die aufgeschlossen und freundlich sind. Männer, die Gefühle zeigen und sich nicht deswegen schämen. Männer, die Gewalt ablehnen. Ein Bild, das den allgemein bekannten Klischees so ganz und gar nicht entspricht. Aktuell Feuilleton
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