Übrigens
Die Dinge sind nicht, wie sie sind, sondern wie sie aussehen
Unter Journalisten finden sich nur wenige, die Akif Pirinçci, Hamed Abdel-Samad oder Thilo Sarrazin beipflichten. Dennoch ist ihnen wohl klar, dass allein schon durch die Wahl ihrer Themen kein faires Bild von „den Anderen“ entstehen kann. Fritz Goergen über Falsch- und Feindbilder.
Von Fritz Goergen Mittwoch, 16.04.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 16.04.2015, 13:34 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Akif Pirinçci nennt den Islam „hochgradig sexualisierte, politisch aggressive und religiös fundierte Gemeinschaftsideologie“. Hamed Abdel-Samad spricht gleich vom „Islamischen Faschismus“. Thilo Sarrazin konstatiert „Fundamentalismus und Gewaltneigung unter Muslimen“. Es wäre sicher falsch, diese drei Autoren in einen Topf zu werfen.
Unter Journalisten und Medien finden sich nur wenige, die den Dreien zur Seite treten. Genau so wenigen unter ihnen ist wohl klar, dass allein schon durch die Wahl ihrer Themen der Berichterstattung ein faires Bild von Ausländern, Migranten, Flüchtlingen – also kurz „Anderen“ – nicht entstehen kann. Vorurteile sind auch deshalb langlebig und lassen sich leicht mobilisieren, weil sie ein anhaltend unausgewogenes Medienbild begünstigen – nahezu immer unabsichtlich, unterstelle ich.
Im Jahr 2013 gab es 26.492 Berichte über einzelne Personen und Personengruppen in 26 deutschen Meinungsführer-Medien. Nur 172 dieser Berichte – noch nicht einmal zwei Prozent – befassten sich mit Migranten und Flüchtlingen. Wie die rote Farbe in der Grafik zeigt, handelte es sich überwiegend um Artikel über Negatives. Hätte es noch weniger schlechte Nachrichten über die Lebensumstände von Migranten und die Probleme der Deutschen im Umgang mit Migranten gegeben, wäre der Berichts-Anteil noch minimaler ausgefallen. Mit anderen Worten: wo keine Probleme mit und von Migranten da keine Berichterstattung.
Jetzt wo die Wahlen zum Europa-Parlament am 25. Mai näher rücken, muss beunruhigen, dass zu den Klischees über Mitbürger mit „Migrationshintergrund“ in den Ländern der EU die Belebung alter Feindbilder durch den Ost-West-Konflikt über die Ukraine hinzukommt. Der Versuchung, mit diesen Themen Stimmen zu fangen, werden viele Parteien erliegen.
Auf Facebook, Twitter und Co. drängt sich der Eindruck auf, als hätten viele die alten Feindbilder schmerzlich vermisst und seien von ihrer Wiederkehr geradezu begeistert. Die Parallelen sind unübersehbar. Stiften Feindbilder mehr Gemeinsamkeit und Identität als gute Nachbarschaft und Kooperation? Bringt das gemeinsam gegen Andere einander näher als das gemeinsam miteinander? Oder sehen wir nur das aufgeregte Geschwätz an der Oberfläche, weil alte und neue Medien die tagtägliche Wirklichkeit des Lebens der Menschen langweilig finden?
Beim Mannheimer Morgen erschien die Tage ein Beitrag über die erfolgreiche Handelsfirma von Mustafa Baklan, der als Verkäufer auf dem Großmarkt anfing. Heute ist sein Familienunternehmen wohl der größte Großhändler für südländische Lebensmittel in Europa, er selbst als Handelsrichter am Mannheimer Landgericht und Multi-Ehrenamtler ein tätiges Mitglied der deutschen Gesellschaft. In regionalen und lokalen Medien kriegt die Lebenswirklichkeit von Migranten eine Chance.
Zum einseitigen Medienbild von Migranten gesellt sich ein ebenso amputiertes Medienbild von der deutschen Wirtschaft. Allabendlich verwechseln die Fernsehanstalten ihre Börsen-Berichte chronisch mit Wirtschaftsberichterstattung. 80 Prozent der Arbeitsplätze finden sich in mittleren und kleinen Unternehmen. Berichtet wird über die Minderheit der börsennotierten. Selbst in Wirtschaftsmedien kommt der Blick auf das Rückgrat der deutschen Unternehmen, vor allem auch bei Innovation und Ausbildungsleistung zu kurz.
Gleichzeitig kämpfen Verlage mit zurückgehenden Verkaufs- wie Anzeigen-Einnahmen bei weniger Auflage und hadern mit der digitalen Konkurrenz. Ich denke, das hängt alles zusammen. Näher an der Wirklichkeit zu berichten, kann das Interesse von Lesern, Hörern und Zuschauern wecken – und das Zusammengehörige über das Trennende stellen. Den Versuch wäre es wert – oder? Aktuell Meinung
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Ja, wenn alle sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellten, wäre alles gut.Da wir nicht in Utopia leben, sondern in einer Gesellschaft von fehlbaren Menschen, sind die Verhältnisse so, dass wir uns auch weiterhin unsere jeweiligen Begrenztheiten vor Augen führen.Dass die Mehrheit der Gesellschaft gut miteinander klarkommt, sei es in Beruf, Freizeit oder Familie, ist ja auch in „Migazin“ kein Thema.Wo kein Ereignis, da keine Meldung!
Die Ereignisse finden jedoch auch ohne „Meldung“ statt.Das wird erst aufhören, wenn das Leben aufhört.
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