Plädoyer
Menschenrecht auf diskriminierungsfreie Bildung
Die fehlende Chancengleichheit von Migrantenkindern an Deutschlands Schulen ist nach wie vor ein ungelöstes Problem. Die Politik scheint überfordert bzw. nicht interessiert zu sein. Dr. Seyed S. Iranbomy, Rechtsanwalt für Schul- und Antidiskriminierungsrecht, kennt die Lösung: Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen für Schulen.
Von Seyed S. Iranbomy Mittwoch, 25.06.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 26.06.2014, 23:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der UN-Sonderbeauftragter Vernor Munoz bemängelte im Jahre 2009 die fehlende Chancengleichheit von Migrantenkindern im deutschen Bildungssystem. Seit dem hat sich an dieser verfassungswidrigen Ungleichbehandlung nicht viel getan, die Anstrengungen Deutschlands sind als mangelhaft zu bezeichnen. Nach wie vor stehen sie im Vergleich zu ihren deutschstämmigen Altersgenossen doppelt so häufig ohne Ausbildung oder Abitur da und fühlen sich rassistisch benachteiligt.
Dabei stammt das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung als Menschenrecht (Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen) aus dem Jahr 1948. Im Laufe der Jahre wurde es im Sinne eines kulturellen Menschenrechtes gemäß Artikel 13 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) noch erweitert.
Das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung gilt als eigenständiges kulturelles Menschenrecht und ist ein zentrales Instrument, um die Verwirklichung anderer Menschenrechte zu fördern. Es thematisiert den menschlichen Anspruch auf freien Zugang zu Bildung, Chancengleichheit und das Schulrecht. Dahinter steckt der Gedanke, dass Bildung sehr wichtig ist für die Fähigkeit des Menschen, sich für die eigenen Rechte einzusetzen und sich im solidarischen Einsatz grundlegender Rechte anderer zu engagieren.
Deutschland hat den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte am 9. Oktober 1968 unterzeichnet. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist das Recht auf diskriminierungsfreie Bildung zwar nicht ausdrücklich normiert, ergibt sich jedoch im Zusammenhang mit anderen Grundrechten. Unterm Strich ist es verfassungsrechtlich verboten, Menschen wegen des Geschlechtes, der Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft, des Glaubens, der religiösen oder politischen Anschauungen oder einer Behinderung beim Erwerb von Bildung zu benachteiligen oder zu bevorzugen.
Wie auch der aktuelle Bildungsbericht zeigt, wird dieses Verbot nicht flächendeckend eingehalten. Aufgrund dieser negativen Erfahrungen verändert sich das Gerechtigkeitsempfinden – vor allem bei den Betroffenen. Diese individuellen negativen Erfahrungen mit direkter und indirekter Diskriminierung verursachen gesellschaftliche Veränderungen und Widerstände, bis hin zum zivilen Ungehorsam oder gar Schulverweigerung. Das wiederum führt bei den Betroffenen zu Perspektiv- und Orientierungslosigkeit. Immer häufiger geraten dann gerade solche Jugendliche in die Fänge extremistischer Gruppierungen, wo ihnen ein vermeintlicher Ersatz geboten wird für die Gemeinschaft, zu der sie sich nicht zugehörig fühlen, weil sie benachteiligt wurden.
Solche und ähnliche Nebenwirkungen, die resignierend wirken oder sogar zum Rückzug aus dem öffentlichen Leben führen, werden bislang kaum bis gar nicht berücksichtigt. Dabei ist es notwendig, die immerwährenden multikulturellen gesellschaftlichen Änderungen zu beobachten, zu analysieren und die entsprechenden Schlussfolgerungen zu ziehen. Es ist praktisch kaum vorstellbar, dass Diskriminierung ohne Monitoring bekämpft werden kann. Daraus resultiert, dass wer bei Diskriminierung untätig bleibt, im Grunde auch zur Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung beiträgt.
Vor allem die Einrichtung von Antidiskriminierungsstellen für Schulen hat einen spürbaren Einfluss auf den Integrationsprozess und dient somit der Veränderung und Verfestigung der Sicherheit und Ordnung in der modernen „repräsentativen Parteiendemokratie“. Bewerkstelligt wird dies durch die Aktivierung und Stärkung des Selbsthilfe- und Handlungspotenzials der Betroffenen gegen deren erlebte Ungleichbehandlung im Alltag als Element der partizipatorischen Demokratie. So könnten Ungleichbehandlungen vor Ort angegangen und zugleich dokumentiert werden. Das fördert nicht nur die Früherkennung radikaler Entwicklungen in den Schulen, sondern hilft auch diese greifbar und sichtbar zu machen für Presse, Politik und andere Entscheidungsträger.
So würden Diskriminierungsfälle auch einen nicht manipulierten Weg in die Öffentlichkeit finden und zu Debatten anstoßen, die bereits überfällig sind. Durch die Aufnahme und die Veröffentlichung der Diskriminierungsfälle würden neue Impulse für die Auseinandersetzung mit dem Problem geschaffen werden, sowohl bei Tätern als auch bei Opfern. Die Veröffentlichung von Diskriminierung ist daher nicht nur vertikal von besonderem Interesse, sondern auch auf horizontaler Ebene.
Das Menschenrecht auf diskriminierungsfreie Bildung gibt Zukunftschancen. Damit steht und fällt der langfristige Wohlstand eines Landes. Aktuell Meinung
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Lieber Herr Iranbomy,
eine äußerst unbequeme Wahrheit, die Sie hier ansprechen.
Aber damit nicht genug. Wesentlich unbequemer ist noch das Bewusstsein, dass wir hier nicht von einem Staatsgeheimnis sprechen. Jedes Jahr aufs Neue sollte unser Gerechtigkeitsgefühl von Bildungs- und Migrationsberichten aufs übelste gepeinigt werden, Medien verschiedenster Coleur überschlagen sich mit Adjektiven wie „alarmierend“ oder „schockierend“, die Politik bescheinigt „nicht hinnehmbare Zustände“ oder ähnliche Worthülsen
Wenn wir den allgemeinbekannten Unterfinanzierung von sozialer Arbeit und unserem Bildungssystem im Ganzen mal außenvorlassen, würde mir zunächst die Notwendigkeit in den Sinn kommen, Lehrer gezielt für die Erkennung von Kindern aus sozial schwierigen Verhältnissen zu sensibilisieren. Meiner Meinung nach kann nur so Hilfestellung dort angebracht werden, wo sie nötig ist.
Bleibt diese Erkennung aus, gehen noch so gut gemeinte Förderangebote an Familien vorbei und die Negativspirale aus Bildungsexklusion, Perspektivlosigkeit und früher Elternschaft dreht sich immer weiter.
Die Einrichtung von Anti-Diskriminierungsstellen wären neben dem direkten Zugriff der Lehrer auf die Kinder ein weiterer wichtiger Schritt, um die schwerwiegende Schieflage unseres Bildungssystems etwas mehr ins Gleichgewicht zu rücken.
Ich schließe mich Ihnen an: Wir brauchen eine- längst überfällige – öffentliche Debatte, um nicht weiterhin das Potenzial von so vielen Kindern zu verschenken. Danke dafür!
Auch ich habe mich auf meinem noch jungen Blog mit dem Thema Chancengleichheit beschäftigt. Natürlich freue ich mich über jede Art von Aufmerksamkeit. Besuchen Sie mich unter:
http://graustufen1989.blogspot.de/2014/01/von-schreienden-nachbarn-und-die-mar.html
Viele Grüße,
Chris Vielhaus
Der Fokus auf Bildung ist mir zu wenig. Bessere Bildung bedeutet nur veredelter Wettbewerb, das kann die sozialen Netzwerke und die feinen Unterschiede des Konsumstils,des kulturellen Geschmacks und der Sprachcodes nicht ineffektiv machen.
Wir brauchen einen breiteren Ansatz bei der Anti-Diskriminierung:
1) Kollektive Konsumption
Sozialer Wohnungsbau mit Mehrfamilienhäusern und Ladengemeinschaften
Bezahlbarer öffentlicher Verkehr
Bezahlbarer Breitbandanschluss
Open Source Education und Digitalisierung des Lehrmaterials
2) Kapitalgüter
Regulation von Minority Banken und Community Banken nach US Vorbild
Zurückdrängung der Mikrokreditidustrie auf Erweiterungsinvestitionen
Regulation der Pfandleihen
Verbot der Lotterie und Glücksspiel in Migrantenviertel
Regulation des Crowdfunding nach US Vorbild des JOBS ACT
Regulation der Lebensversicherungen, Hausratsversicherungen und Autoversicherungen
Adaption der Labor-Sponsored Venture Capital Trust nach kanadischen Vorbild, um Jobs zu schaffen
Adaption der Venture Capital Trust nach britischen Vorbild, um Jobs zu schaffen
Gründerzentren nach französischen Vorbild des Business and Employment Cooperative
Ausbildungsvereinbarungen mmit Genossenschaftsbanken, Versicherungen und der Börse
3) Lokale öffentliche Güter
Kommunale Verträge für die Inklusion der transnationalen Haushalte in die Freiwillige Feuerwehr
Kommunale Verträge für die Inklusion der transnationalen Haushalte in den technischen Hifsdienst
Kommunale Verträge Stadtteilschulen mit Second Life Nachmittagsbetreungen auszustatten
Kommunale Verträge mit Stadtteilschulenein Citizen Science programm aufzulegen
4) Ende des Multikulturalismus und des Diversity Management
Wir sind längst hyperlokal und transnational in den urbanen Mileus – und ein neuer Kosmopolitismus von unten entsteht.
Transnationale Verträge mit den Verwertungsgesellschaften über digitale Kulturgüter
Digitalisierung der Museen, Bücher, Musik und Tanzschriften unter UNO Kontrolle
Anschluss der transnationalen Haushalte an den portierbaren Pensionsprogrammen und Hausbauprogrammen der ILO, ITF, IMO und UNDP.
Han Yen: Wo leben Sie denn? In Deutschland? Leben Sie in einer Parallelwelt, die mit der der normalen Deutschen noch etwas zu tun hat?
@Gegenstimme
Ich weiss gar nicht, was Sie mit „Normaldeutschen“ meinen und Parrallelwelt.
Jeder meiner Vorschläge ist durchführbar, und da es sich um Institutionen handelt,mit denen andere Staaten bereits Erfahrung gesammelt haben, existiert auch ein Proof Of Concept.
Das Gedöns und Gefasel der Psychologen, Sozialarbeiter und Pädagogen interessiert mich nicht. Migrationspolitik ist eine Sache für Wirtschaftswissenschaftler, Juristen, Politikwissenschaftler und Stadtforscher.
Ich weiss nicht, was sie da zu mäkeln haben. Meine Vorschläge schützen benachteiligte Viertel vor Kapitalabwanderung, schützen Banken vor Kreditausfällen und verhindern Cut-Throat Wettbewerb durch erzwungende migrantische Selbständigkeit.
Digitalisierung der Bildung ist überall auf der Welt im Gange. Komplette Bibliotheken werden digitalisiert – ebenso sind Museen in Second Life vertreten. Ich habe nur die Entwicklung prolongiert und im Kontext mit Migration gebracht. Das finden Sie wohl furchtbar, dass Migration nicht im Zusammenahng mit Islam, Ehrenmorden und Schulversagern debattiert wird.
Ich denke – Sie leben und haben eine Vorliebe für Gedöns.
@Gegenstimme
Wenn Deutschland ein UN-Protektorarat und die darin lebenden Menschen als reine ökonomischen Einheiten zu betrachten wären, könnten die Ausführungen des Mitforisten durchaus als bedingt lebensnah bezeichnet werden.
Schon mal was vom Schlaraffenland gehört, in dem die Geldscheine von den Bäumen wachsen? Wo soll denn das Geld herkommen, Han Yen? Vom Lotto? Sie stellen Forderungen auf, ohne zu sagen, w i e und w o m i t sie das alles finanzieren wollen. W e r das finanzieren soll, bleibt auch offen. Sehr realitätsnah. Fest steht, dass für größere Investitionen in den Haushalten der Kommunen, Länder und Bundeseinrichtungen kaum Spielraum herrscht. Warum wohl?
Warum wohl, Münchhausen? Weil die Bundesregierung lieber eine Rente mit 63 oder eine Herdprämie finanzieren möchte anstatt die wirklich wichtigen Probleme anzupacken!