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Bundesgerichtshof

Tausende Flüchtlinge wurden zu Unrecht eingesperrt

Weite Teile der deutschen Abschiebehaftpraxis ist unzulässig. Eine Inhaftierung allein wegen einer geplanten Abschiebung in einen anderen EU-Staat sei „ausgeschlossen“. Dies entschied der Bundesgerichtshof. Betroffen sind Schätzungen zufolge tausende Flüchtlinge. Die Linke fordert sofortige Entlassung und Entschädigung.

Donnerstag, 24.07.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 23.10.2016, 12:54 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die Hiobsbotschaften für das Innenministerium nehmen kein Ende. Noch vor einer Woche hatte der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Abschiebehäftlinge in Deutschland nicht mehr in normalen Strafvollzugsanstalten untergebracht werden dürfen. In einer noch nicht veröffentlichten und dem MiGAZIN vorliegenden Entscheidung setzt nun der Bundesgerichtshof nach: Weite Teile der deutschen Abschiebehaftpraxis ist unzulässig. (Az.: VZB 31/14, 26.6.14)

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Unter anderem geht es um den in der Praxis auf häufigsten anzutreffenden Fall: Inhaftierung allein wegen Fluchtgefahr. Die Bundesrichter begründen dies mit der seit Januar geltenden Dublin-III-Verordnung. Danach müssen für eine Fluchtgefahr klare, „objektiv gesetzlich festgelegte Kriterien“ vorliegen. Und genau daran mangelt es im deutschen Aufenthaltsrecht.

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Keine Einzelfallentscheidung
Der Entscheidung lag der Fall eines pakistanischen Flüchtlings zugrunde. Ende 2013 wurde er in Haft genommen, um nach Ungarn abgeschoben zu werden. Gegen seine Inhaftierung wehrte sich der Pakistaner mit Erfolg. Die Karlsruher Richter sprachen seinem Fall grundsätzliche Bedeutung zu und entschieden, dass eine Inhaftierung allein wegen einer geplanten Überstellung in einen anderen EU-Staat „ausgeschlossen“ sei, wenn keine konkret nachgewiesene „erhebliche Fluchtgefahr“ vorliege. Wann dies vorliege, müsse Deutschland in einem Gesetz festlegen.

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Im Klartext bedeutet das: Seit Anfang dieses Jahres wurden in Deutschland vermutlich Tausende von Flüchtlingen zu Unrecht eingesperrt. Nach Schätzungen von Anwälten machen die sogenannten Dublin-Fälle 60 bis 80 Prozent aller Abschiebehäftlinge aus. Genaue Zahlen gibt es nicht. Entsprechende Anfragen der Linksfraktion hatte die Bundesregierung unbeantwortet gelassen.

Permanenter Rechtsbuch an den Schwächsten
„Das war ein permanenter Rechtsbruch an den Schwächsten in dieser Gesellschaft“, kommentierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, die Entscheidung. „Alle aufgrund der Verordnung eingesperrten Flüchtlinge müssen jetzt entlassen werden – und zwar sofort“, fordert Jelpke. Alle zu Unrecht Inhaftierten müsse eine Entschädigung gezahlt werden, auch wenn sie mittlerweile abgeschoben wurden.

„Der falsche Weg wäre es jetzt, in aller Hast eine Rechtsgrundlage nachzuschieben. Stattdessen sollte die Bundesregierung einfach mal innehalten und sich vor Augen führen: Asylsuchende sind keine Verbrecher, die man einsperren muss. Sie verdienen ein faires Verfahren. Abschiebehaft ist nicht nur rechtlich, sondern auch humanitär ein Desaster“, so die Linkspolitikerin. (bk) Leitartikel Recht

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