Anzeige

Antisemitismus

Zentralrat der Juden wirft Muslimen Untätigkeit vor

Der Zentralrat der Juden wirft Muslimen Untätigkeit gegen Antisemitismus vor. Muslime weisen diesen Vorwurf von sich. Sehr wohl setze man sich mit Antisemitismus auseinander. Historiker Grosser wiederum kritisiert zu große Identifikation jüdischer Organisationen mit Israel.

Dienstag, 05.08.2014, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 05.08.2014, 17:17 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, wirft den muslimischen Verbänden vor, nicht genug gegen Antisemitismus zu tun. „Sie versprechen es, aber konkrete Schritte muss man mit der Lupe suchen“, sagte Graumann der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Der Zentralrat der Juden habe sich stets für Muslime in Deutschland eingesetzt. Eine Solidarisierung von Muslimen mit Juden bleibe nun aber aus.

Anzeige

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland wehrt sich gegen den Vorwurf der Untätigkeit. Der Vorsitzende Aiman Mazyek sagte der Zeitung, in den Freitagsgebeten und im Austausch mit Jugendlichen setzten sich die islamischen Gemeinden sehr wohl mit Antisemitismus auseinander. Mazyek mahnte eine klare Unterscheidung zwischen Kritik an der israelischen Kriegspolitik und Antisemitismus an. Tatsächlich hat sich Mazyek seit der isaraelischen Militäroffensive im Gaza mehrmals gegen Antisemitismus positioniert und diese öffentlich verurteilt.

___STEADY_PAYWALL___

Auf Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg hatten Muslime vereinzelt antisemitische Parolen gerufen. Zudem werden arabischstämmige Jugendliche verdächtigt, einen Anschlag auf die Synagoge in Wuppertal-Barmen verübt zu haben. Die Unsicherheit hat laut Graumann bei Juden in Deutschland stark zugenommen: „Wir laufen mit verwundeten Seelen herum.“ Der Zentralratspräsident kritisierte auch Politiker und Medien, weil sie zunächst nicht auf die Parolen der Demonstranten aufmerksam gemacht hätten.

Anzeige

Die ständige totale Identifikation mit Israel
Im Zusammenhang mit den Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg kritisiert der Publizist Alfred Grosser jüdische Verbände in Deutschland und Frankreich. „Das schlimme ist die ständige totale Identifikation mit Israel, auch wenn Israel momentan große Kriegsverbrechen begeht“, sagte der französische Politologe und Historiker in einem Interview des Deutschlandfunks. Grosser wurde 1925 als Sohn eines jüdischen Arztes in Frankfurt am Main geboren und emigrierte mit seinen Eltern nach Frankreich.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland und die vergleichbare Institution in Frankreich vergäßen, dass es sich nicht um einen Krieg zwischen ebenbürtigen Konfliktparteien handle. Die Angriffe der Hamas auf Israel könne man nicht mit der Zerstörung von Häusern und Menschen im Gaza-Streifen vergleichen, sagte Grosser. Mit Blick auf die Demonstrationen in Frankreich kritisierte er auch die Medien. Sie berichteten ausschließlich über antisemitische Taten, über Angriffe auf Muslime erfahre man nichts.

UN: Konflikt im Nahen Osten nicht missbrauchen
In mehreren Städten demonstrierten am Wochenende wieder Menschen für ein Ende der Kämpfe zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas. An einem „Schweigemarsch für den Frieden im Nahen Osten“ in Aachen beteiligten sich am Samstag rund 300 Menschen. Auch in Hagen und Mönchengladbach gingen Menschen zu friedlichen Protesten auf die Straße. In Düsseldorf und Köln waren für Sonntag weitere Demonstrationen geplant.

Derweil beklagte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die Zunahme antisemitischer Attacken in Europa. Als Reaktion auf die Eskalation der Gewalt in Gaza hätten sich die Übergriffe gehäuft, erklärte er am Sonntag (Ortszeit) in New York. Der Konflikt im Nahen Osten zwischen Israelis und Palästinensern dürfe nicht dazu missbraucht werden, um sozialen Frieden und Harmonie zu stören. Der Generalsekretär kritisierte auch die Militäroffensive Israels. Den Beschuss einer Uno-Schule von Seiten Israels bezeichnete Ban Ki Moon als Verbrechen; die USA nannten den Vorfall „schandhaft“. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

Zurück zur Startseite
MiGLETTER (mehr Informationen)

Verpasse nichts mehr. Bestelle jetzt den kostenlosen MiGAZIN-Newsletter:

UNTERSTÜTZE MiGAZIN! (mehr Informationen)

Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.

MiGGLIED WERDEN
Auch interessant
MiGDISKUTIEREN (Bitte die Netiquette beachten.)

  1. Lynx sagt:

    Der Zentralrat der Juden in Deutschland (ZdJ) versteht und betätigt sich als das Sprachrohr des zionistischen Regimes in Israel und als Verteidiger der von diesem an den Palästinensern begangenen Verbrechen, anstatt sich nur um die Belange der in Deutschland lebenden Juden zu kümmern. Jetzt von den Muslimen Solidarität mit den Juden zu verlangen, ist eine Chuzpe (eine bodenlose Unverschämtheit). Mit der vom ZdJ betriebenen fälschlichen Gleichsetzung des Judentums mit dem zionistischen Gebilde („Staat Israel“) hat er die heute von ihm beklagte Welle des angeblichen „Antisemitismus“ selbst mitverschuldet.

  2. Lionel sagt:

    Zu den ältesten antisemitischen Stereotypen zählt die Behauptung, die Juden seien am Antisemitismus selber schuld.
    Gerade der Zentralrat der Juden hat immer deutlich zwischen den hier lebenden Juden, dem Judentum an sich, und dem Staat Israel unterschieden.
    Ich erinnere, dass der vormalige Präsident des ZdJ, Ignaz Bubis sich ausdrücklich als deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens empfand, und sehr ungehalten auf die Unterstellung, seine Regierung befände sich doch in Jerusalem, reagierte.

  3. Marianne sagt:

    Genauso ist es, Lynx, derZdJ, in Deutschland zumindest, betätigt sich als Sprachrohr des israelischen Staates, unterbindet Kritik an Kriegsverbrechen Israels mit der Antisemitismuskeule. Grosser, Melzer und Verleger, allesamtJuden, haben absolut recht. Heute gelesen: In Frankfurt ist der ZdJ aus dem Zusammenschluss der Religionen ausgestiegen, weil es dort der eine oder andere gewagt hat, die Politik des israelischen Staates zu kritisieren. Verleger wurde wegen seiner Kritik an der menschenrechtswidrigen Politik Israels gar seinerzeit seiner Posten beim ZdJ enthoben. Geradezu lächerlich ist der Vorwurf an Politiker und Medien, denn der Antisemitismusvorwurf (auch für Kritik am Staat Israel) ist hierzulande das Topthema, um von den Kriegsverbrechen Israels abzulenken, ich habe jedenfalls noch nix davon gelesen, dass deutsche Politiker hier deutliche Worte faenden, ganz im Gegenteil.
    @ Lionel: Von „den Juden“ hat Lynx nicht geschrieben, Ihr absolut unzutreffender Antisemitismusvorwurf ist m. E. absolut unverschämt.

  4. Gaston sagt:

    Israel verdient sich unumstritten aktuell erneut nicht gerade den besten Ruf, selbst Ban Ki Moon muss meckern.

    Offensichtlich durch weltweite Demonstrationen missfallen die Kriegsverbrechen, die die aktuelle Führung des Staates Israel begeht auch sehr vielen Menschen.
    Die Folge ist eine vollkommen verständliche Kritik am Staat Israel schon alleine aus humanitären Gründen.
    Leider begehen manchen aber nicht nur Kritik am Staat Israel, sondern kritisieren direkt alle Juden für die Taten Israels und unterstreichen dieses durch judenfeindliche Äusserungen.
    Es steht völlig ausser Frage, dass so etwas vollkommen inakzeptabel ist. Allerdings muss man sich dabei doch auch die Frage stellen, wieviele derer, die mit judenfeindlichen Sprüchen um sich werfen das Judentum mit Israel identifizieren. Natürlich ist Antisemitismus vorhanden und ein Problem, dennoch finde ich es moralisch fragwürdig jegliche Kritik an Israel als Antisemitismus abzustempeln.

    Der Zentralrat der Juden identifiziert sich selbst stets mit Israel und folgt klar der israelischen Linie. Viele Juden sind mit dem Handeln Israels aber nicht einverstanden und möchten auch nicht, dass Israel das Judentum repräsentiert, insbesondere unter der aktuellen Führung.

    Es stellt sich also die Frage, warum seitens des Zentralrats der Juden, als auch durch die Presse nicht einmal ordentlich erläutert wird, dass Israel nicht genau dasselbe wie das Judentum ist. So selbstverständlich scheint mir das angesichts der Stimmung in grossen Teilen Europas nämlich nicht und damit meine ich nicht die Israel-Kritik, sondern explizit die judenfeindlichen Äusserungen.

    Auch könnte man darauf eingehen, dass es innerhalb Israels mehrere politische Parteien gibt, die gegen das aktuelle Handeln der Likud-Regierung Israels sind.
    Auch wenn angeblich grosse Teile der Bevölkerung für die Gaza-Offensive sind, sind deshalb nicht alle Juden dafür und es leben davon abgesehen neben Juden auch Palästinenser und Christen in Israel. Ebenfalls erwähnt werden dürfte, dass Likud eine Partei ist, die rein politisch als dem rechten Lager zugehörig bezeichnet werden muss und sich vollends dem Zionismus verschrieben hat und das dieser Ideologie die vollständige Vertreibung der Palästinenser innewohnt.

    Es sollte also meiner Meinung nach häufig und deutlich darauf hingewiesen werden, dass die Begriffe Israel und Judentum nicht gleichzusetzen sind, auch von offizieller Stelle. Die wesentliche Kritik in der Gesellschaft gilt einem radikalen, zionistischen Israel und nicht dem Judentum, dessen bin ich mir sicher.

  5. aloo masala sagt:

    @Lionel


    Gerade der Zentralrat der Juden hat immer deutlich zwischen den hier lebenden Juden, dem Judentum an sich, und dem Staat Israel unterschieden.
    —-

    Das tut der ZdJ erst bei antisemitischen Ausfällen bei Demonstrationen oder Kritik gegen Israel. Ansonsten trifft die Aussage nicht zu.

    Laut Selbstdarstellung versteht der ZdJ sich als Vertreter der deutschen Juden und der ZDJ solidarisiert sich gleichzeitig im Namen der deutschen Juden mit dem Staat Israel. Das ist im wesentlichen der Kern des Selbstverständnis des ZdJ.

    Aus diesem Selbstverständnis heraus vereinnahmt der ZdJ pauschal deutsche Juden für seine distanzlose und unkritische Solidarität zu Israel. Das ist auch das Bild, was nach außen vermittelt wird. Außer wenn es mal wieder aus dem Ruder läuft. Dann haben deutsche Juden nichts mehr mit Israel zu tun. Mit einigen rhetorischen Winkelzügen kann uns der ZdJ diesen Umstand sicher erklären, allerdings kann er nicht erwarten, dass das auch irgend jemand verstehen muss.

    Deutsche Juden haben im Grunde nichts mit Israel zu tun. Doch der ZdJ tut alles dafür, dass dem nicht so ist und empört sich dann, wenn der kleine Mann auf der Straße, dass dann ebenfalls nicht mehr so sieht. Hier spielt der ZdJ ein Doppelspiel, was letztlich schädlich für die deutschen Juden aber den Interessen Israel dienlich ist. Es stellt sich somit die Frage, wen der ZdJ nun wirklich vertritt.

  6. Ahmetzade sagt:

    So lange der ZJD sich offen mit Israel solidarisiert anstatt sich von der Politik Israels zu distanzieren, ist es Fakt, dass er den Antisemitismus in Deutschland mitverschuldet und sollte sich deswegen nicht darüber wundern. Mttlerweile zieht die Antisemitismus-Keule sowieso nicht mehr, weil sich die Leute trotz aller Einschüchertungsversuche nicht mehr mundtot machen lassen. Was aber nicht heißt, dass Antisemitismus gerechtfertigt sei.

  7. Gaston sagt:

    @Lionel:

    Ich muss mich Marianne anschliessen, Ihr Vorwurf gegenüber Lynx ist vollkommen haltlos und unverschämt.

    Und wenn Sie so gar nicht verstehen können warum, dann empfehle ich Ihnen diesen Artikel von der Frankfurter Rundschau, eventuell öffnet Ihnen das ein bisschen die Augen: http://www.fr-online.de/frankfurt/antisemitismus–es-geht-um-israel–nicht-um-die-juden-,1472798,28021332.html

    Nur ein Zitat des interviewten, israelkritischen Menschen jüdischen Glaubens : „Die israelische Gesellschaft ist den meisten Menschen hier völlig fremd. Sie ist unheimlich rassistisch, chauvinistisch und nationalistisch.“

    Uneingeschränkte Solidarität erscheint da wenig angebracht.

  8. Lionel sagt:

    Mein Beitrag bezog sich nicht explizit auf Lynx.
    Es bleibt bei der Feststellung, dass die Aussage, die Juden seien am Antisemitismus selbst schuld, eine altbekannte judenfeindliche Stereotype ist.

  9. aloo masala sagt:

    @Gaston

    Nach Erklärungen für Hass zu suchen ist legitim. Eine Legitimation für Hass gibt es jedoch nicht.

    Man kann zwar behaupten, dass der ZdJ Antisemitismus mitverschuldet (Erklärung für Judenhass). Lynx geht jedoch einen entscheidenden Schritt weiter. Nachdem die Schuldfrage geklärt ist, schreibt Lynx: „Jetzt von den Muslimen Solidarität mit den Juden zu verlangen, ist eine Chuzpe (eine bodenlose Unverschämtheit).“

    Das ist mindestens eine ablehnende Haltung gegen Juden. Aus diesem Grund ist der Einwand von Lionel berechtigt.

  10. Geobrezel sagt:

    Wie oft distanziert sich denn bspw. der Zentralrat der Muslime von Erdogan und der Politik in der Türkei? Auch nie! Es ist ein offenes Geheimnis, dass diese Zentralräte aus dem Ausland glenkt werden, also was soll die große Empörung?

    Grundsätzlich gilt festzuhalten, dass die Zentralräte nicht demokratisch gewählt worden sind und somit immer nur gerade die Meinung des Vorsitzenden oder und seiner Kumpanen vertritt, aber nie die der Muslime oder Juden. Egal was Herr Graumann verzapft, er spricht nicht im Namen der deutschen Juden.