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Syrische Flüchtlinge

Die humanitäre Aufnahme aus der Sicht der Kommune

Die Bundesregierung hat auf den öffentlichen Druck reagiert und die humanitäre Aufnahme von syrischen Flüchtlingen zugesagt. Diese erhalten nach Einreise in Deutschland einen Aufenthaltstitel, Sozialleistungen und eine Arbeitserlaubnis. Soweit die Theorie, in der Praxis sieht das oft anders aus.

Von Sarah Hergenröther Montag, 11.08.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.08.2014, 16:36 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Seit drei Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. 2,5 Mio Syrer sind seit Beginn des Krieges in die Nachbarländer geflohen, 6,5 Mio befinden sich auf der Flucht im eigenen Land. 2013 entschied die Bundesregierung, sich aktiv in die Diskussion um die Aufnahme syrischer Flüchtlinge einzuschalten. 5.000 von ihnen sollten über ein humanitäres Aufnahmeprogramm (HAP) in Deutschland Zuflucht finden. Wenige Monate später folgte der Beschluss über ein zweites Kontingent von 5.000 Personen und schließlich Anfang 2014 die Zusage, weiteren 10.000 Syrern Schutz zu gewähren. Die durch den Bürgerkrieg verursachte Notlage in den Nachbarländern Syriens wird dadurch kaum entspannt, die Debatte um zusätzliche humanitäre Aufnahmen wird sicher weitergehen.

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Parallel zu den bislang drei humanitären Aufnahmeprogrammen von Syrern läuft bereits seit 2012 ein dreijähriges Resettlement-Programm bei dem 300 besonders schutzbedürftige Flüchtlinge pro Jahr über das Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) bei uns aufgenommen werden. Das sehr kleine Kontingent schlägt dabei kaum zu Buche. Nach dem Abschluss der drei Jahre Ende 2014 wird die bislang sehr kleine Zahl, auch im Lichte der Situation im Nahen Osten, neu verhandelt werden und voraussichtlich erhöht. Eines ist aber jetzt schon klar: Für die Kommunen waren Resettlement und HAP ein guter Test, um aktuelle Aufnahmestrukturen zu überprüfen und eine größere Planbarkeit bei den Aufnahmen zu fordern.

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Die größte Herausforderung für die Kommunen ist die kurzfristige Ankündigung der Ankunft. Informationen werden von einer Ebene an die nächste weitergegeben, statt alle am Aufnahmeprozess beteiligten Akteure von Beginn an einzubinden. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) leitet die Informationen an die Länder weiter, diese an die Bezirksregierungen und Kommunen, dann erst werden die Beratungsstellen informiert. Zu welchen Engpässen diese Art der Informationspolitik führen kann, ist am Beispiel München gut zu sehen.

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Am 30. April 2014 erhielt die Innere Mission vor Ort eine E-Mail. Das bayerische Sozialministerium kündigte darin die Ankunft von 23 syrischen Flüchtlingen an, die aufgrund des Mangels an privatem Wohnraum provisorisch in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber untergebracht werden sollten. Die Information erreichte die für den Sozialdienst in der Erstaufnahme zuständige Sozialpädagogin am Tag vor der Ankunft der Flüchtlinge. Kraft ihres Mandates ist sie ausschließlich für Asylbewerber zuständig. Wegen der ohnehin bereits sehr hohen Anzahl an Klienten war es ihr nicht möglich, sich nebenbei um die Neuankömmlinge zu kümmern. Nachdem ihre Fragen nach der für diese Flüchtlingsgruppe zuständigen Erstmigrationsberatung unbeantwortet blieben, schickte sie einen Hilferuf an zivilgesellschaftliche Organisationen, die durch Ehrenamtliche zu helfen versuchten. Noch am Tag der Ankunft war nicht klar, in welchem medizinischen Zustand sich die Syrer befänden, wer die Beratung übernehmen würde und ob die Flüchtlinge nach Ankunft in der Erstaufnahme Kantinenessen bekämen oder sich selber versorgen müssten. Es stellt sich allerdings die Frage, wie so eine Selbstversorgung in der Praxis aussehen soll, wenn man bedenkt, dass die Flüchtlinge während ihres zweiwöchigen Aufenthalts im Grenzdurchgangslager Friedland nur 20 Euro erhalten. Für die Zeit danach ist schließlich die Kommune zuständig.

Im Gegensatz zu Flüchtlingen, die eigenständig nach Deutschland kommen, hier Asyl beantragen und unter die Notversorgung des Asylbewerberleistungsgesetzes fallen, haben die über HAP aufgenommenen Syrer gemäß der Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums ein Anrecht auf Sozialleistungen. Allerdings sind sie bei Ankunft in der Kommune lediglich mit einem Visum ausgestattet. Ein Visum befähigt aber nicht zum Leistungsbezug. Zuerst müssen die entsprechenden Anträge gestellt werden und das passiert erst im Anschluss an die zweiwöchige Orientierungsphase in Friedland durch die Hilfe der jeweiligen Migrationserstberatung in der Kommune.

Die deutsche Bürokratie mit ihren unzähligen Formularen und Anträgen, ist schon für hier aufgewachsene Bürger oft schwierig zu verstehen. Erst Recht für Flüchtlinge, die weder Englisch noch Deutsch sprechen. Um in den Bezug von Sozialleistungen zu kommen muss die Meldung bei der Stadt vorgenommen sowie Aufenthalt und Sozialleistungen beantragt werden. Danach folgen zusätzlich Kindergeldanträge, die Korrespondenz mit der Krankenkasse, die Einschulung und Anmeldung beim Integrationskurs. Eine nicht zu bewältigende Aufgabe für Menschen, denen das deutsche System und dessen Sprache fremd sind.

Rechtlich fallen sowohl die über HAP, als auch über Resettlement aufgenommenen Flüchtlinge durch ihren Aufenthalt unter die vom BAMF finanzierte Migrationserstberatung in den Kommunen. Allerdings muss diese Beratung vorbereitet werden, denn der Beratungsbedarf ist für die sogenannten Kontingentflüchtlinge in den ersten Tagen und Wochen nach Ankunft enorm. Beispielsweise sind für die inzwischen knapp 70 im Mai nach München gekommenen Syrer – zwei Wochen nach der ersten Gruppe folgte eine zweite, noch größere Gruppe – grob geschätzt etwa 1.000 Seiten Formulare angefallen, um die Erstversorgung zu gewährleisten. Dazu braucht man Sozialpädagogen, die die jeweilige Sprache sprechen oder Dolmetscher, muss im Falle eines medizinischen Bedarfs ambulante Krankenpflege, Spezialbetten, Rollstühle und eine barrierefreie Unterbringung organisieren. Dies alles braucht Zeit. Ehrenamtliche können die Berater zwar unterstützen, allerdings nur in einem sehr eingeschränkten Umfang durch Begleitungen zu den Behörden oder Deutschnachhilfe für Erwachsene und Kinder. Sie sollten auf keinen Fall, wie in München geschehen, dabei helfen, die Versorgungslücke zu schließen. Es Bedarf hier einer professionellen Beratung. Leitartikel Politik

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  1. Spötterin sagt:

    Liebe Frau Hergenröther: Machen Sie das mal einer armen Kommune und ihren Bürgern in Mecklenburg-Vorpommern mit 20% Arbeitslosigkeit klar, …
    Ich würde das System anders gestalten. Jeder, der für Zuwanderung ist, soll für den, der zuwandern soll, bürgen. Ist dann zufällig kein Wohnraum vorhanden, kann er ihn ja bei sich zu Hause aufnehmen. Dabei ist nicht alleine an Privatpersonen zu denken. Es stehen genügend Kirchhöfe, Kinderkrippen, Kindergärten, Firmengelände, Parteizentralen, Gewerkschaftshäuser, Schlösser, Schulgebäude, Ferienhäuser zur Verfügung, die nicht voll ausgelastet sind. Wenn z.B. der Erzbischof von Freising schon dafür ist, dass wir jeden aufnehmen (auch schnöde Wirtschaftsflüchtlinge) dann soll er auch dafür zahlen. Die Kirche ist schließlich reich. Ich finde es falsch soziales Engagement immer von den anderen zu fordern, nein, wer nach mehr „sozial“ ruft, soll schon selber anpacken!

  2. aloo masala sagt:

    @Spötterin

    Zuwanderung und Asylrecht sind zwei verschiedene Dinge. Das Recht auf Asyl ist ein Menschenrecht, was Flüchtlingen zusteht und niemanden klar gemacht werden muss, so wie man niemanden klar machen muss, dass Sie sich hier öffentlich äußern dürfen.

    Der zweite Punkt ist, dass wohl aus Ihrer Sicht eines der reichsten Länder der Welt zu arm ist, um den flüchtigen Habenichtsen der Welt zu helfen. Schaut man die Statistiken an, dann sind die folgenden Staaten die fünf größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen:

    1. Pakistan – 1,6 Millionen
    2. Iran – 857.400
    3. Libanon – 856.500
    4. Jordanien – 641.900
    5. Türkei – 609.900

    Deutschland liegt mit ca 187.500 noch hinter Staaten wie Kenia, Äthiopien,Uganda, Tschad, Süd-Sudan, Bangladesh, Yemen, Irak usw. Die Hauptlast tragen Entwicklungsländer, die etwa 86% aller Flüchtlinge aufnehmen. Die Knauserigkeit der reichsten und selbst aufgeklärten Nationen, die ansonsten bereitwillig Milliarden in humanitäre killing-machines für die „Befreiung“ der Unterjochten und Unterdrückten investieren, ist recht entlarvend, was es so mit humanitären Beweggründen und Menschenrechten auf sich hat.

  3. Global Player sagt:

    Herr Masala, wissen Sie in etwa wie so ein Flüchtling in der Türkei oder im Pakistan „lebt“? Wissen Sie, was die Türkei ihren Flüchtlingen so „bietet“? Was meinen Sie, würde migazin dazu sagen, wenn Deutschland irgendwo im dünn besiedelten Osten lagerähnliche Zeltstädte bauen würde, in die man die Flüchtlinge einpfercht? Genau das macht die Türkei nämlich, und ich möchte nicht wissen, wie das im Tschad, im Iran oder Pakistan gehandhabt wird. Auch wenn Deutschland seine Flüchtlinge nicht ideal behandelt: etwas besser geht es den Leuten hier schon, würde ich meinen.
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-syrien-fluechtlinge-erleben-hass-und-feindseligkeit-a-984115.html

  4. Marianne sagt:

    Sie haben anscheinend den Inhalt des Beitrags von Herrn Masala nicht erfasst, Herr Global Player, was sollen Entwicklungsländer wie beispielsweise Pakistan, das mehr als 8 mal so viele Flüchtlinge aufnimmt wie Deutschland, ein im Vergleich super reiches Land, diesen Flüchtlingen mehr „bieten“? Immerhin retten solche Länder erheblich mehr Menschen das Leben, als das superreiche Deutschland, und das, obwohl es der dortigen Bevölkerung im Durchschnitt deutlich schlechter geht. Ihren Spiegelartikel können Sie sich schenken, in Deutschland brannten schon Asylbewerberheime und wurden Asylbewerber bei lebendigem Leibe verbrannt, erschlagen, durch die Strassen gejagt, weil das Boot angeblich voll sei, und das bei einem Bruchteil an Flüchtlingen.

  5. aloo masala sagt:

    @Global Player

    Mein Kommentar ist eine Antwort auf die Annahme von Spötterin, dass Asylrecht soziale Almosen seien, die nicht von der Gemeinschaft getragen werden müssen. Schutz von Flüchtlingen ist jedoch nicht allein eine Sache der Hilfsbereitschaft sondern Menschenrechtspolitik. Die Zahlen sollen dabei zwei Dinge verdeutlichen:

    1. Industrienationen können erst recht da Flüchtlingsproblem schultern, wenn es auch Entwicklungsländer können.

    2 Industrinationen lassen die Flüchtlinge im Stich.

    Zu Punkt 2 ist in Hinblick auf Ihre Aussagen zu ergänzen, dass die UN die Geberländer im letzten Monat zu mehr finanzieller Hilfe für die Millionen syrischen Flüchtlinge aufruft. Für dieses Jahr fehlen rund 70 Prozent der benötigten Gelder.

    Wenn die Flüchtlinge so menschenunwürdig behandelt werden, wie Sie es behaupten, dann liegt das zum großen Teil auch daran, dass die Industrienationen mit ihrer schlechten Zahlungsmoral die Flüchtlinge im Stich lässt. Ihre Beitrag wäre also ein weiterer Kritikpunkt gegen die reichen Staaten, die vergleichsweise wenig Flüchtlinge aufnehmen und auch keine Spendierhosen anhaben.

    Was die Türkei angeht, muss ich Ihnen widersprechen. Die Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei wird von den meisten Organisationen als gut bezeichnet. Die Türkei wird seit zwei Jahren von verschiedenen Seiten dafür gelobt, wie sie das Flüchtlingsproblem stemmen. Das es auch Schattenseiten gibt, ist unbestritten. Das sollte jedoch nicht die herausragende Leistung der Türkei schmälern.

  6. Geobrezel sagt:

    @aloo masala

    Man muss fairerweise auch nochmal erwähnen, dass es normal ist, dass ausgerechnet die Länder, die meisten Flüchtlinge aufnehmen, die sich in den Nachbarregionen der Krisenherde befinden. In Südamerika gibt es auch keinen nennenswerte Anzahl von Flüchtlingen aus dem Nahen Osten.

    Man vergleicht hier Äpfel mit Birnen!

  7. Global Player sagt:

    Und wie, liebe Marianne, sollen die Millionen von Flüchtlingen, die Pakistan aufnimmt, hier her kommen? Alle per Flugzeug? Wie Geobrezel richtig erkannt hat, Frau Marianne, handelt es sich um Flüchtlinge der Nachbarländer. Im Falle Pakistans natürlich um Flüchtlinge aus Afghanistan.

    Wie diese dort leben müssen, siehe hier:
    http://www.rp-online.de/politik/ausland/afghanische-fluechtlingskinder-in-pakistan-haben-wir-nichts-aid-1.3994393

    Wieviele deutsche Hilfsprojekte es in Pakistan gibt, können Sie selber googlen, Marianne. Überdies übersieht Marianne natürlich mal wieder, dass Millionen von Euro in deutsche Hilfsprojekte weltweit investiert werden. Auch wenn Marianne der Meinung ist, dass die ganze Welt hier nach Deutschland gehört: ich bin der Meinung, dass Hilfe zur Selbsthilfe und Versorgung vor Ort langfristig besser ist. Und wenn man Flüchtlinge aufnimmt, dann nicht unterversorgt in Zeltstädten und Ghettos sondern für vernünftige (Schul-)ausbildung, Arbeit und Integration sorgen.

  8. Global Player sagt:

    @aloo Masala

    „Wenn die Flüchtlinge so menschenunwürdig behandelt werden, wie Sie es behaupten, dann liegt das zum großen Teil auch daran, dass die Industrienationen mit ihrer schlechten Zahlungsmoral die Flüchtlinge im Stich lässt.“

    Sagen Sie mal, wie sieht es eigentlich diesbezüglich mit der Zahlungsmoral der arabischen Staaten aus? Die schwimmen doch im Geld… nehmen die denn auch so viele Flüchtlinge auf? Was tun die für ihre moslemischen Brüder und Schwestern? Gibt es da Zahlen?

  9. aloo masala sagt:

    @Geobrezel

    Es geht nicht darum, welches Land mehr Flüchtlinge aufnimmt, sondern darum, dass Industrienationen keineswegs am Limit ihrer Kapazitäten sind.