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Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

Menschenwürdiges Existenzminimum darf nicht beschnitten werden

Die Bundesregierung reformiert das umstrittene Asylbewerberleistungsgesetz. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts spielen migrationspolitische Motive aber immer noch eine zentrale Rolle - Johanna Boettcher kommentiert.

Von Johanna Boettcher Mittwoch, 03.09.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 08.09.2014, 21:08 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Bundesregierung hat am 27. August einen Gesetzentwurf zur Reform des Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vorgestellt. Notwendig wurde die Reform durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012. Der Leitsatz der RichterInnen, das Existenzminimum dürfe keiner migrationspolitisch motivierten Einschränkung unterliegen, wurde jedoch nicht umgesetzt. Der diskriminierende Charakter des Gesetzes, der im Zuge des Asylkompromisses der Abschreckung von Flüchtlingen dienen sollte, bleibt bestehen.

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So wird am Sachleistungsprinzip (Gutscheine, Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften) festgehalten – obwohl mittlerweile die Mehrheit der Bundesländer und Kommunen nicht zuletzt aus Kostengründen auf die Auszahlung von Geldleistungen umgestiegen sind. Flüchtlinge, die dem AsylbLG unterliegen (Asylsuchende für die Dauer ihres Verfahrens, geduldete Flüchtlinge sowie ein kleiner Kreis von InhaberInnen spezieller Aufenthaltserlaubnisse) erhalten ihre Leistungen vom Sozialamt und sind von jeder Förderung durch die Jobcenter dauerhaft ausgeschlossen, was ihre Integration in Arbeitsmark[t und Ausbildung stark erschwert.

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Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber den Auftrag erteilt, den Empfängerkreis nach diesem Gesetz auf Personen zu beschränken, bei denen abzusehen ist, dass sie sich nur kurzfristig in Deutschland aufhalten. Die Bundesregierung legt in ihrer Reform fest, dass Flüchtlinge nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland Leistungen analog zur Sozialhilfe (SGB XII) erhalten. Es gibt jedoch eine Öffnungsklausel, die zum jahrelangen, zeitlich unbegrenzten Ausschluss aus dem Regelsystem von Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung führt: § 1a AsylbLG sieht gekürzte Leistungen vor für Menschen, die entweder die Unmöglichkeit ihrer Abschiebung selbst zu vertreten haben oder denen vorgeworfen wird, lediglich zum Zwecke des Sozialleistungsbezugs nach Deutschland eingereist zu sein. Ein gleichzeitig aktuell im Bundesinnenministerium vorbereitete Gesetzesentwurf zur Neuregelung von Bleiberecht und Aufenthaltsbeendigung sieht vor, allen Asylsuchenden, deren Anträge als „offensichtlich unbegründet“ bzw. „unbeachtlich“ abgelehnt wurden, per Gesetz die Einreise zum Sozialmissbrauch zu unterstellen. Sie alle würden für die gesamte Dauer ihres Aufenthalts auf Leistungen unterhalb des Existenzminimums verwiesen und zudem mit einem Beschäftigungsverbot belegt.

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Der Zugang zu Gesundheitsversorgung bleibt mindestens in den ersten 15 Monaten des Aufenthalts in Deutschland (in vielen Fällen auch unbeschränkt, wenn § 1a AsylbLG angewandt wird) weiterhin eingeschränkt auf die Behandlung von akuten Erkrankungen, Schmerzzuständen sowie der Schwangerschaftsvor- und -nachsorge. Dies stellt eine klare Verletzung des Grundrechts auf eine menschenwürdige Existenz dar, die auch der Bundesärztetag in seinem Beschluss vom 27.-30. Mai 2014 beklagt hatte. Die Einschränkung der Gesundheitsversorgung widerspricht auch Artikel 12 des für Deutschland bindenden UN-Sozialpakts („Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit an“. Aktuell entscheiden medizinisch nicht geschulte MitarbeiterInnen des Sozialamts bzw. von Flüchtlingsunterkünften über die Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung, was in der Vergangenheit schon mehrfach zu gravierenden medizinischen Folgeschäden bis hin zu Todesfällen geführt hat.

Für medizinische Notfälle sieht der Gesetzentwurf zwar die Einführung eines Erstattungsanspruchs vor (§ 6a AsylbLG neu). Damit können z.B. Krankenhäuser Leistungen mit dem Sozialamt abrechnen, wenn es PatientInnen nicht möglich war, vor der Behandlung einen Krankenschein zu beantragen. Betroffen sind auch Illegalisierte („Menschen ohne Papiere“), die als Notfälle im Krankenhaus behandelt werden. Die Neuregelung orientiert sich am „Nothelferparagraphen“ der Sozialhhilfe (§ 25 SGB XII), der bisher analog auch auf Personen im Bereich des AsylbLG angewandt wurde. Der Gesetzentwurf lässt allerdings die Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft unberücksichtigt, die fordert, die Erstattung zu vereinfachen. Denn die geplante Regelung bürdet den Krankenhäusern weiterhin die Beweispflicht auf, dass die Behandlung nicht nur keinen Aufschub zuließ, sondern die Person auch mittellos ist und die Behandlungskosten nicht selbst tragen kann. Gerade beim Fehlen eines Anspruchs auf staatliche Leistungen sowie angesichts der Unmöglichkeit für Illegalisierte, eine legale Beschäftigung aufzunehmen, lässt sich die Mittellosigkeit der PatientInnen paradoxerweise kaum belegen. Dies führt dazu, dass Anträge auf Kostenübernahme scheitern und Krankenhäuser sie wegen der hohen Anforderungen erst gar nicht stellen. Gerade in Großstädten werden unversicherte PatientInnen deshalb teilweise bereits in der Notaufnahme abgewiesen, um das Krankenhaus nicht finanziell zu belasten.

Die geringfügige Verbesserung, dass Opfer von Frauen- und Menschenhandel (mit Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 4a und b Aufenthaltsgesetz) vom Geltungsbereich des AsylbLG ausgenommen werden, ist zu begrüßen. Es handelt sich dabei übrigens um die einzige Änderung, die das zuständige Arbeits- und Sozialministerium aus den Stellungnahmen zahlreicher Organisationen und ExpertInnen übernommen hat. Dass Menschen, die einen Aufenthaltstitel wegen absehbarer, unverschuldeter Unmöglichkeit der Ausreise (§ 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz) erhalten haben, erst ausgenommen werden, wenn die Entscheidung über die Aussetzung ihrer Abschiebung mindestens 18 Monate zurück liegt, wird dagegen zu unnötiger Verwirrung bei den Leistungsbehörden führen.

Das Gesetz muss nun vom Bundestag und Bundesrat beschlossen werden – es bleibt noch Zeit für Überlegungen, statt einer Reform die Abschaffung des Gesetzes zu beschließen und Flüchtlinge in das Regelsystem der Sozialleistungen, Gesundheitsversorgung und Arbeitsförderung in Deutschland einzubeziehen. Leitartikel Meinung

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