Mangelhaft
Rahmenbedingungen erschweren Unternehmensgründungen
Berlin boomt. Und in Berlin boomen Unternehmen, viele Neugründungen zählt die Hauptstadt Jahr für Jahr. Es wäre nicht Berlin, wenn Diversität und Vielseitigkeit nicht auch in diesem Bereich mitbestimmend wären. Doch es gibt auch ernste Herausforderungen:
Von Shirine Issa, Aziz Bozkurt Donnerstag, 11.09.2014, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 11.09.2014, 21:53 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Berlin ähnelt in der Zusammensetzung seiner Bevölkerung einem multikulturellen Mosaikgebilde. In seinen Details facettenreich und als Gesamtgebilde faszinierend. Was auf die Bevölkerung zutrifft, ist auch im Wirtschaftsleben als eine besondere Ressource dieser Stadt tagtäglich erlebbar. Ob Kundinnen und Kunden oder Unternehmerinnen und Unternehmer mit vielfältigen Hintergründen oder starke Wirtschaftsbeziehungen zu den ursprünglichen Herkunftsregionen. Mitten in Berlin liegt ein Schatz, der als Folge unserer Einwanderungsgeschichte entstanden ist. Besser noch: Mitten in Berlin liegen unzählige dieser Schätze. Diese gilt es zu nutzen und stärker anzuerkennen.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache und belegen die besondere Dynamik bei Unternehmensgründungen durch Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte: 55 % der Berliner Gründungen im letzten Jahr wurden von deutschen Unternehmern getätigt, 45 % von Unternehmern nicht-deutscher Staatsangehörigkeit. Dabei haben viele Menschen mit Migrationshintergrund eine deutsche Staatsangehörigkeit. Es kann davon ausgegangen werden, dass insgesamt etwa die Hälfte Unternehmensgründungen im Jahr 2013 von Menschen mit Migrationshintergrund realisiert wurden. Nach Schätzungen der Gesellschaft für Urbane Wirtschaft, Beschäftigung und Integration gibt es in Berlin rund 70.000 Unternehmer mit einem Migrationshintergrund.
Großer Gründungswille und die Suche nach Perspektiven
Aber wie kommt es dazu? Warum gründen Menschen mit Migrationshintergrund so vergleichsweise häufig? Ein Grund liegt in dem Bild vom Unternehmertum. Durchschnittlich haben Menschen mit Migrationshintergrund ein positiveres Bild des Unternehmerseins. Unternehmensgründungen sind in vielen (Herkunfts-)Ländern leichter, jedenfalls in bürokratischer Hinsicht, dies könnte für ein offeneres Herangehen an die eigene Gründung sorgen.
Es bedarf jedenfalls eines differenzierten Blickes auf die Unternehmensgründung. Leider gibt es – auch unter Menschen mit Migrationshintergrund – zu viele „Gründungen wider Willen“. Damit werden solche Gründungen bezeichnet, die eher aus der Not heraus entstehen, etwa um die eigene Arbeitslosigkeit zu beenden oder um die beruflichen Chancen zu verbessern. Solche Gründungen sind meist riskanter und scheitern in vielen Fällen schneller. Gründungen wider Willen könnten durch bessere Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt und durch eine angemessene Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen vermieden werden. Wo es doch zu „Gründungen wider Willen“ kommt, muss eine gezielte Förderung eventuelle Defizite auffangen können.
Steine liegen im Weg
Trotz der überdurchschnittlichen Motivation und der hohen Gründerzahlen gibt es viele Hürden für Gründer mit Migrationshintergrund.
Zum einen tauchen Defizite auf Seiten der Gründer auf: Da ein erheblicher Teil der Neugründungen aus der Not entsteht – die erwähnten „Gründungen wider Willen -, weisen diese teilweise besondere Probleme auf. Wie zahlreiche Studien und Forschungen feststellen, realisieren gerade ausländische Gründer ihre Gründungen in vielen Fällen ohne ausreichende Vorbereitung, ohne eine gesicherte Finanzierung oder ohne ausreichende Kenntnisse in der Unternehmensführung. Hinzukommen fehlende Kenntnis über das Angebot und die Bedeutung der Fachberatung. Mangelnde Sprachkenntnisse erschweren die Gründungen oft erheblich. Einige unternehmerische Vorhaben sind damit bereits bedroht, bevor das Geschäfte beginnen konnte.
Auf der anderen Seite erschweren Rahmenbedingungen eine erfolgreiche Gründung: In den Regelinstitutionen scheint die Aussage: „unsere Angebote stehen allen offen“ zum Standardrepertoire zu gehören. Gerade bei zielgruppenspezifischen Problemen eine nicht besonders zielführende Herangehensweise und vor dem Hintergrund einer vielfältiger werdenden Gesellschaft ein großes Manko. Berlin ist Vielfalt, einheitliche Systeme werden bei weitem nicht alles lösen können.
Finanziell zeichnen sich zwar die Gründungen bei Migranten häufig durch eine starke Unterstützung aus dem familiären Umfeld aus, aber fehlende Unterstützung durch Regelinstitutionen können diese nicht ersetzen. Ein großes Problem kann dabei die geringe Wertschätzung der Entscheidenden sein. Seien es Sprachdefizite, die zum Vorurteil der fehlenden Qualifikation führen können, aber auch die Unkenntnis über den Wert der Ressourcen, Kompetenzen oder Fertigkeiten, die gerade Unternehmer mit einer Zuwanderungsgeschichte mitbringen. Die Potentiale, die migrantische Unternehmen beinhalten, scheinen noch nicht ausgekostet.
Hürden abbauen, Potenziale nutzen
Um die Potenziale, die uns vor den Füßen liegen, zu wecken, bedarf es einer besonderen Beratung für Unternehmer mit einem Migrationshintergrund. Etwa ein Gründungszentrum mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten speziell für Menschen mit Migrationshintergrund könnte den Gründern die Gründung leichter und erfolgversprechender machen.
In diesem Zentrum könnte eine spezielle, differenzierte und umfassende Beratung angeboten werden. Die Mitarbeiter könnten auf die besonderen Bedürfnisse der Gründer eingehen. Solch eine Betreuung ist vor allem für Menschen wichtig, die mit dem deutschen Rechts- und Behördensystem noch nicht vertraut sind. Fehlern in der Beratung würde vorgebeugt werden. Ein wesentlicher Aspekt, denn Mängel in der Gründungsberatung führen schnell zu Fehlentscheidungen und verpassten Chancen bei der Gründung – vermeidbare Erschwernisse!
Alle Institutionen, die sich mit den Belangen von Unternehmern, aber auch mit potentiellen Gründern beschäftigen, sollten ihr Angebot auf die Tauglichkeit für die gesamte Zielgruppe – einschließlich Menschen mit Migrationshintergrund – prüfen. Hierzu zählen Banken, Behörden, JobCenter und Beratungs- und Fördereinrichtungen. Gerade staatliche Institutionen stehen dabei in einer besonderen Verantwortung.
Debatten um die berüchtigten Gemüsehändler zeigen das größte Defizit unserer Gesellschaft auf. Das gesellschaftliche Misstrauen, das den migrantischen Gründern oft entgegengebracht wird, bremst unser gemeinsames wirtschaftliches Interesse. So falle es beispielsweise Gründern mit Zuwanderungsgeschichte aufgrund von Vorbehalten der Vermieter in vielen Fällen schwerer, Gewerberäume zu finden. Hier brauchen wir mehr und breitere gesellschaftliche Anerkennung frei von Vorurteilen. Andere Städte haben bereits vorgemacht, wie dies funktionieren kann, so München mit dem PhönixPreis – Münchner Wirtschaftspreis für Migrantenunternehmen“.
Fest steht: Wir brauchen spezifische, flexible und passgenaue Förderungsmöglichkeiten, um die Individualität und die Vielseitigkeit zu behalten, die Berlin ausmacht. Wir können stolz sein auf unsere Diversität, sie ist unsere große Stärke. Nun liegt es an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, diese Stärke und das daraus folgende Potential vollständig zu nutzen. Damit sich die Vielfalt auch in der Wirtschaft niederschlägt, damit die ganze Stadt davon profitiert. Aktuell Wirtschaft
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Was sollen die machen wenn sie keinen vernünftigen Job finden?
Aus der Not heraus ist sehr riskant.
Diasprora Entrepreneurship ist in der angelsächsischen Welt auf der Agenda – das hat mehrere Gründe:
Silicon Valley
Das Silicon Valley kennt viele Ausgründungen aus Konzernen durch Bindestrich-Amerikaner chinesischer, indischen und israelischen Bezügen. Israel, Taiwan und Teile Indiens bieten Innovationscluster, steuerliche Anreize, zinsgünstige Kredite und eine durchwachsende Institutionen-Ökologie an Wagniskapitalgeber an, um das Risiko zu minimieren.
Co-Development
In Frankreich, Spanien und Italien spielt eher der Aspekt von Firmen-Gründungen im Herkunftsland der Eltern und Großeltern im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle. Es werden entsprechende Sparkonten zum Ansparen des Gründungskapitals angeboten, die steuerliche Nachlässe haben. Das Ziel Frankreichs, Spaniens und Italiens ist es die Entwicklungshilfe auf die Diasporas auszulagern. Frankreich, Spanien und Italien werden seit Jahren kritisiert zu wenig Entwicklungshilfe zu zahlen. Durch die „großzügige“ Steuernachlässe auf Gründungsvorhaben transnationaler Kleinstunternehmen schönt man seine miese Bilanz.
Future Flow Securization
Weltbank und westliche Finanzinstitutionen haben ein neue Kreditverbriefungstechnik erfunden, um Schuldenmachen in Schwellenländer attraktiver zu machen. Es werden zukünftige Zahllungsversprechen: Export-Rechnungen, Rücküberweisungen, Öl, Gas und Rohstoffeinnahmen, Kreditkarten-Rechnungen, Telefonrechnungen etc. mittels Finanzalchemie gebündelt und mit einem AAA Rating ausgestattet, da sie in Hartwährung sind. Viele Schwellenländer haben ein schlechtes Ratig und müssen hohe Zinskosten aufwenden. Die Kreditverbriefungstechnik ermöglicht Schuldenaufnahme zu AAA Bedingungen.
Man hat aus OECD Zeitreihen und Zeitreihen der Diaspora Populationen entdeckt, dass das Handelsvolumen mit hochwertigen Gütern, Tourismus, Nahrungsmittel,…positiv mit Migrationswellen korreliert. Auswanderungsstaaten haben daher ein Motiv, Export-Expansion mittels kaufmännischer Diasporas anzukurbeln.
Die Initiativen hängen von den Bürokraten in den Einzelstaaten ab und sind fachmännisch schlecht koordiniert. Natürlicherweise gehören solche Angelegenheiten in die UNCTAD für Handelsfragen und UNDP für Entwicklungszusammenarbeit.
Lokale Ökonomie
Der sichtbarste Teil der Ethnoökonomie sind Mom & Dad’s Betriebe, Supermärkte, Blumenhandel, Fast Food, Call Shops etc., die lange Arbeitszeiten, niedrige Profite und harten Wettbewerb als Kennzeichen haben.
Dieser Teil der Ökonomie ist ein Problem, weil lange Arbeitszeiten eben auch kürzere Betreuungszeiten für die Kinder bedeuten und das Folgewirkungen auf die Schulleistungen hat.
Das Ziel in der ethnischen Lokalökonomie sollte also sein, die Arbeitszeiten zu senken und die Profite zu erhöhen. Von seiten der Betriebe werden überbetriebliche Organisationen z.B. steueroptimierende Franchise Systeme im Stil von Starbucks oder Genossenschaften gebraucht. Seitens der Steuerpolitik kann man Wunder bewirken mit Steuertarifen und Abschreibungsregeln. Seitens des Kreditmarktes kann der Staat die Crowdfunding Regulation der Obama Administration übernehmen für Emerging Growth Companies, um die Rolle der Familienkredite juristisch abzusichern und um Crowdlending aus der Diaspora Community durch Investitionsregeln und Schutzmechanism zu motivieren. Zur Versorgung mit zinsgünstigen Kreditkapital kann man britische Regulationen und Finanzvehikel und Finanzprodukte übernehmen – Lottery Bonds und Venture Capital Trust eignen sich für Minderheiten Gründungen.
Für gezielte Ansiedlung von lokaler Ökonomie sind Gebietsschutz Überlegungen und Kapitallieferanten an das lokale Arbeitsangebot vorzunehmen. Primäre Kandidaten sind Lebensversicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen mit hohen Liquiditätsreserven, um mörderischen Wettbewerb zu vermeiden. Diese Institutionen brauchen Datenlieferanten, die sie mit Sterbewahrscheinlichkeiten der Minderheiten versorgt, um betriebswirtschaftlich saubere Geschäftsprozesse aufzusetzen. Hier ist der Staat und seine amtliche Statistik gefordert.
Berlin ist hinsichtlicher seiner Strukturen sowohl begünstigt als auch eindeutig benachteiligt. Die Finanzierung durch Bund und Länder ist hervorragend (Subventionen, Länderfinanzausgleich), die Bildungssituation dramatisch schlecht. Es fehlt nicht am Geld, sondern an gut ausgebildeten Leuten. In Teilen Süddeutschlands wird wesentlich mehr erfunden als in der Hauptstadt. Die Patentdichte ist hier durchaus mit der in Kalifornien vergleichbar. Darum: Keine Werbung für eine Substanz, die nur bedingt da ist. Berlin ist als Wissenschafts- und Forschungsstandort nur zweit- bis drittklassig.