Antisemitismus
Die Jugendlichen fühlen sich nicht verstanden
Seit der Eskalation des Gazakonfliktes wird in Deutschland eine Debatte über Antisemitismus geführt - meist über Jugendliche mit arabischem, türkischem oder persischem Hintergrund. Die wiederum sind es leid, auf der Anklagebank zu sitzen und reden „i,Slam“.
Von Sybille Biermann Mittwoch, 17.09.2014, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 23.09.2014, 16:19 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Seit der jüngsten Eskalation des Gazakonfliktes wird in Deutschland eine Debatte über Antisemitismus geführt. Oftmals sind es Jugendliche mit arabischem, türkischem oder iranischem Background, die sich in Deutschland offen mit Palästina solidarisieren. Viele beklagen, dass in der Wahrnehmung der Proteste anti-muslimische Ressentiments zu Tage treten. Es wurde viel über sie gesprochen, wenig mit ihnen.
Faten El-Dabbas kennt das Problem. Sie ist als Tochter palästinensischer Flüchtlinge in Berlin aufgewachsen. Seit zwei Jahren macht sie beim muslimischen Poetry Slam Format „i,Slam“ mit und studiert in Potsdam Politikwissenschaften. Anfang Juli, als der Gaza-Krieg gerade begann, organisierte sie mit ihren Kollegen von „i,Slam“ auf dem Berliner Alexanderplatz ein öffentliches Poetry Slam. Sie selbst trug dort ein Gedicht mit dem Titel „Wir Palästinenser sind Menschen“ vor, ihre Stimme kämpft gegen den Straßenlärm an: „Seit über 65 Jahren versuche ich dich, Deutschland zu wecken, doch du stellst eher Fragen ob ich zu dir gehöre oder nicht“, deklamiert die 24-jährige da vor rund hundert Zuhörern, während ihre Stimme gegen die Straßengeräusche ankämpft: „Ob ich Muslim wäre oder ein versteckter Terrorist, ob ich Deutsche sein darf oder für immer ein Ausländer, nur weil meine Eltern aus Ländern kamen die du nicht kennst.“
Auch Faten hat an Demonstrationen teilgenommen. Wen sie darüber spricht, wie darüber in den Medien berichtet wurde, wird sie wütend. „Es ist als würde man uns als eine Masse von Menschen wahrnehmen, die nicht im 21. Jahrhundert lebt, nie die Schule besucht hat und nichts von der deutschen Geschichte weiß“, ärgert sie sich. „Da fühle ich mich einfach nur blöd“. Sie könne sehr gut zwischen der israelischen Regierung und Juden insgesamt unterscheiden, stellt sie klar. Bei einigen Demonstrationen habe es zwar auch antisemitische Parolen gegeben, räumt sie ein, aber die seien klar in der Minderheit gewesen. Die meisten Medien hätten sich jedoch allein darauf gestürzt.
Den Verdacht, nicht gleichwertig an der deutschen Geschichte teilhaben zu können, hatte sie bereits in der Schule. Ihre Eltern sind palästinensische Flüchtlinge in erster und zweiter Generation. Das hat Faten geprägt, erzählt sie. Vom Leid der Juden während der Nazizeit habe sie dort das erste Mal erfahren. Das habe sie sehr berührt – und Fragen aufgeworfen. „Wie kann man das Leid der Palästinenser in Kauf nehmen, wenn man selbst einmal so großes Leid erfahren hat?“, fragt sie sich. Ihre Versuche, die Geschichte ihrer Familie, den palästinensischen Narrativ im Unterricht einzubringen, haben sie frustriert. Was nach 1945 kam, wurde nicht besprochen. Und wenn es um aktuelle Konflikte wie in Gaza ging, sei das dortige Leid stets relativiert worden. „Reduziert mich nicht auf die Hamas, reduziert mich nicht auf die Fatah“, lautet eine Zeile ihres Gedichtes.
Einer Studie der Universität Bielefeld zufolge könne man nicht davon ausgehen, dass es in Deutschland ein Problem mit „importiertem Antisemitismus“ gäbe, wie jüngst von der CDU/CSU Bundestagsfraktion behauptet. Moderne Formen des Antisemitismus würden in der Mitte der Gesellschaft mehrheitlich geteilt. Antijüdische Ressentiments bei Jugendlichen mit muslimischem Hintergrund würden vor allem auf eigene Diskriminierungserfahrungen zurück gehen, schreiben die Autoren. Israel würde als Teil des Establishments gesehen und Palästina würde zum Sinnbild für die Abwertung von Muslimen weltweit.
Die Wissenschaftlerin Anna-Esther Younes findet die Debatte um einen spezifisch „muslimischen Antisemitismus“ habe sich in den letzten zehn Jahren zugespitzt. Er füge sich „zu dem Bild des nicht integrierbaren Moslems, der zudem als sexistisch, homophob und kriminell markiert wird.“ Der Antisemitismus würde dabei immer mehr als ein rein „muslimisches Problem“ beschrieben. In der Hinsicht sei auch die Genealogie der Figur des Moslems interessant. „Erst waren es Arbeiter, Migranten, dann Araber und jetzt sind alle Muslime.“ Das ginge so weit, dass die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft daran geknüpft würde, sich von diesem Zerrbild zu distanzieren. Im Einbürgerungstest Hessens etwa bezögen sich gleich mehrere Fragen darauf, ob der Holocaust und das Existenzrecht Israels anerkannt werden.
Anna Younes promoviert derzeit an der Universität Genf zum Thema Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Die US-amerikanische Philosophin Judith Butler unterstützt sie dabei. Als Tochter eines Palästinensers ist Younes zunächst im Osten Berlins aufgewachsen. Schon häufiger musste sie sich anhören, sie habe aufgrund ihres Backgrounds kein Recht, sich zum Thema Antisemitismus zu äußern. „Anscheinend darf Mensch das nur mit jüdischem oder weiß-deutschem Background?!“ sagt sie ironisch. Die deutsche Erinnerungskultur sei für eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema leider keine große Hilfe, meint Younes. Die deutsche Geschichte von 1933 und 1945 würde hierzulande als „Zivilisationsbruch“ und somit als Ausnahme von der Regel begriffen. Es sei außerdem verpönt, zwischen dem Rassismus der Nazizeit, dem Kolonialrassismus und dem Problem des Rassismus heute eine Verbindung zu ziehen. „Nicht zuletzt deshalb ist es in Deutschland beinahe unmöglich, den antikolonialen und antirassistischen Anteil im Kampf der Palästinenser gegen Besatzung und Kolonialismus zu sehen.“ Ein Grund, warum sich die weiße Mehrheitsgesellschaft hierzulande nicht offen mit den Palästinensern solidarisiere, während anderswo in den vergangenen Wochen Hunderttausende aus Solidarität auf die Straße gingen.
Der Rapper Kaveh sieht das ähnlich. Seit gut 15 Jahren ist er in der politischen Hiphop-Szene Berlins aktiv. Man dürfe eventuelle antijüdische Ressentiments bei Jugendlichen mit arabischem Hintergrund nicht mit dem Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaft gleichsetzen, findet er. Erstere würden gewöhnlich nicht „rassisch“ begründet „und hängen mit der unmittelbaren Unterdrückung zusammen, die den Palästinensern widerfährt. Sie können durch Bildungsarbeit leicht aushebelt werden und das ist, was ich zu tun versuche.“ Er arbeitet in der Jugendbildung und sieht im Umgang mit den aktuellen Antisemitismusvorwürfen eine Doppelmoral vorhanden. Viele der Jugendlichen, denen er begegnet, fühlten sich unverstanden. Auf ihre Perspektiven würde in der Schule zu selten eingegangen, und häufig würde einseitig für Israel Partei ergriffen. Dann suchten sich die Jugendlichen andere Plattformen. „Das kann dann zu einer Art Radikalisierung oder Parallelgesellschaft führen, die nicht sein müsste.“
Wie schnell man für seine Parteinahme für Palästina kriminalisiert werden kann, hat Kaveh erst kürzlich selbst erlebt. Nach einem Auftritt bei einer Demonstration nahm die Polizei seine Personalien auf, weil er in einem seiner Songs von einem „Genozid in Gaza“ gesprochen hatte. Das wurde ihm als Volksverhetzung ausgelegt, wenig später musste die Polizei ihre Anschuldigung zurückziehen. Feuilleton Leitartikel Videos
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Aha. „Sie könne sehr gut zwischen der israelischen Regierung und Juden insgesamt unterscheiden, stellt sie klar.“ Ein Absatz später: „Vom Leid der Juden während der Nazizeit habe sie dort das erste Mal erfahren. „Wie kann man das Leid der Palästinenser in Kauf nehmen, wenn man selbst einmal so großes Leid erfahren hat?“, fragt sie sich.“
Und so funktioniert der ganze Artikel. Schade.
Wie kann man das Leid der Palästinenser in Kauf nehmen, wenn man selbst einmal so großes Leid erfahren hat?“, fragt sie sich.”
Und was ist an dieser Frage falsch Elisa?
@ Elisa: So wie auch Herr Klein kann ich den Sinn hinter Ihren Aussagen nicht verstehen. Worauf möchten Sie hinaus?
“Sie könne sehr gut zwischen der israelischen Regierung und Juden insgesamt unterscheiden, stellt sie klar.”
vs.
„Wie kann man das Leid der Palästinenser in Kauf nehmen, wenn man selbst einmal so großes Leid erfahren hat?“
Der Fehler bzw. Widerspruch ist doch recht offensichtlich.
das Leid der Juden im 3. Reich war doch wohl etwas klein wenig anderes, als das Leid der Palästinenser. Zudem haben die Palästinenser viel Leid ihren selbstgewählten Regierungen zu verdanken, die lieber in Waffen und Terror investieren, als in Infrastruktur, Versorgung und Aufbau. Dass es auch auf israelischer Seite massives Unrecht gibt, bezweifelt ja keiner.
Da macht es sich aber jemand sehr leicht. Eine solch pauschalisierende Kritik „so funktioniert der ganze Artikel“ aufgrund einer, zugegeben, wenig differenzierenden Aussage, ist in sich ja ein Armutszeugnis seitens der Kommentatorin. Ich finde es sehr schade, wenn mit dieser oberflächlichen Runtermache umgangen wird, auf den Artikel einzugehen, der ja doch einige Fragen zu Recht aufwirft .
Also ich habe es so verstanden: Erst hier in der schule hat sie vom Leid der jüdischen Bevölkerung etwas mitbekommen. Die Eltern sind palästinensische Flüchtlinge, und somit wurde ihr im Elternhaus nicht erzählt, dass Juden in ganz Europa eingesammelt und schrecklich umgebracht wurden. Mir persönlich haben meine Eltern es auch nicht erzählt. Muss mal meine Freunde fragen, ob es ihre Eltern ihnen erzählt haben. Und heute fragt sie sich als palästinensische deutsche Mitbürgerin, also kann sie es nicht verstehen, denn anscheinend hat sie nur eine Frage aber keine Antwort. Ich kann es ihr auch nicht beantworten, es tut mir leid.
Ich glaube, Elisa meint das so: Wenn man einerseits differenzieren kann zwischen „den Juden“ und „dem Staat Israel und seiner Politik“, ist es widersprüchlich, beide wiederum gleichzusetzen in Bezug auf das Leid der Palästinenser. Formal kann ich das nachvollziehen, aber ich halte das ebnfalls wie Wiebke für eine Lapallie, die keineswegs den ganzen Artikel fragwwürdig erscheinen lässt.
Im Gegenteil: Der Artikel ist sehr differenziert, was Kaveh zum Thema Bildungsarbeit gegen Antisemitismus zu sagen hat und wie unterschiedlich diese anschlagen dürfte, bei strukturell verfestigten Antisemiten und Menschen, die einfach großes Unrecht erfahren haben, ist Gold wert. Ich würde mich noch über einen Link zu der Bielefelder Studie freuen, die die These vom importierten Antisemitismus entkräftet. Ich suche da schon länger nach einer guten Quelle.
Wer nach Deutschland kommt, um dem Hass zu entfliehen, ist willkommen, wer hierher kommt, um weiter zu hassen, hat falsch verstanden, wie der Laden „BRD“ funktioniert.
Ach, jaa. Der GAZA-KRIEG und der ANTISEMITISMUS.
Liebe Leute. Wann bekommen wir in Deutschland eine unabhängige Presse, die nicht manipulativ und politisch motiviert berichtet?
Wenn ich die Israelische Regierung, in Bezug auf die Vorgehensweise der palästinensischen Bevölkerung, kritisiere, bin ich noch lange nicht ein „ANTISEMIT“ oder Judenhasser, auch wenn die Presse das gerne so darstellt.
Wann hört diese „Volksverblödung“ auf?
Viele denken, dass die Medien in Deutschland in jüdischer Hand sind.
Für mich sind das keine gläubige Juden, sondern jüdische Extremisten. Also Zionisten.
Die verstecken sich nur hinter dem Wort „Jude“, weil die Deutsche Regierung laut einem geheimen Staatsvertrag des BND von 1949 nicht Anti-Jüdisch oder Anti-Amerikanisch berichten dürfe.
Um das besser zu verstehen kann man sich auch im Internet schlau machen.
Bei Google findet man interessante Informationen bei „wer kontrolliert die Medien“, „was ist ein Semit“ oder „wann ist man ein Anti-Semit und wann nicht“…..etc.