MIsshandlung von Flüchtlingen
Ermittlungen ausgeweitet auf „Problemzimmer“
Im Skandal um die Misshandlung von Flüchtlingen kommen immer brisantere Details ans Licht: Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Betreiberfirma wegen der Einrichtung sogenannter "Problemzimmer". Damit zeigt der Fall erneut die Schattenseiten der Privatisierung von Flüchtlingsheimen.
Mittwoch, 08.10.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.10.2014, 21:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach den mutmaßlichen Misshandlungen in einem Flüchtlingsheim in Burbach ermittelt die Staatsanwaltschaft Siegen nun auch gegen den Geschäftsführer der Betreiberfirma und den Leiter der Unterkunft. Ihnen werde vorgeworfen, von der Existenz von sogenannten „Problemzimmern“ und deren strafrechtlich relevanter Nutzung zumindest gewusst und sie nicht unterbunden zu haben, erklärte der Siegener Oberstaatsanwalt Johannes Daheim am Dienstag. Es werde wegen Freiheitsberaubung und Nötigung sowie Körperverletzung in mittelbarer Täterschaft oder durch Unterlassen ermittelt.
In den Zimmern sollen Flüchtlinge, die sich nicht an Regeln hielten, eingesperrt worden sein. In einem Ende September bekanntgewordenen Video zwingen Wachleute einen Mann, sich in einem solchen Raum auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der Übergriffe bereits gegen mehrere Sicherheitsleute. Auch in Essen und Bad Berleburg soll es Gewalttaten gegeben haben.
Unternehmen durchsucht
Die Staatsanwaltschaft Siegen hatte am Montag die Geschäftsräume der Firma European Homecare in Essen durchsucht, die die Heime in Burbach und Essen betreibt. Ebenfalls durchsucht wurden die Wohnung von Geschäftsführer Sascha Korte und die Räume der Heimleitung in Burbach. Dabei seien umfangreiche Unterlagen sichergestellt worden, deren Auswertung noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde, sagte Daheim. Anlass waren demnach Aussagen von Sicherheitskräften aus Burbach, nach denen European Homecare von Übergriffen gegen Flüchtlinge wusste und diese zum Teil sogar angeordnet hatte.
Das Essener Unternehmen hatte die Ermittlungen am Montag begrüßt. „Ich bin mir sicher, dass die polizeiliche Ermittlungsarbeit ergeben wird, dass European Homecare im Vorfeld keine Informationen über die Vorfälle in Burbach hatte“, sagte Geschäftsführer Korte. Zuvor hatte das Unternehmen aber eingeräumt, dass es in der Vergangenheit in Burbach Räume gegeben habe, in denen „beispielsweise alkoholisierte oder unter Drogen stehende Asylbewerber“ eingeschlossen wurden. Dieses Konzept werde in Zukunft nicht weiterverfolgt. „Einschließungen, wie sie im Zuge der Übergriffe erfolgten, waren und sind keinesfalls hinnehmbar“, betonte das Unternehmen.
Piraten: Betreiberaustausch reicht nicht
Der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma SKI, die in Burbach bis zum Bekanntwerden der Vorwürfe tätig war, hatte ebenfalls von dem „Problemzimmer“ berichtet. Der Raum sei von Sozialarbeitern mit Wissen und Billigung der Heimleitung eingerichtet worden, hatte Walter Stilper am Montag der „Hersbrucker Zeitung“ gesagt: „Wir hätten dort 14-Jährige einsperren sollen oder auch Frauen – das ist doch vollkommen krank.“ Er habe die Nutzung des Zimmers verboten, nachdem er davon erfahren habe.
Unterdessen greift die Piratenfraktion im Nordrhein-Westfälischen Landtag Innenminister Ralf Jäger (SPD) scharf an. Frank Herrmann, Flüchtlingspolitischer Sprecher, warf dem Innenminister vor, die Kontrolle zu verlieren. „In einem Akt der Verzweiflung überträgt er die Betreuuung der Flüchtlingsunterbringung in Burbach an das Deutsche Rote Kreuz, während European HomeCare (EHC) für zahlreiche weitere Einrichtungen zuständig bleibt. Die Geschäftsführung von EHC wusste offenbar Bescheid, damit darf Minister Jäger dem Unternehmen keine Menschen mehr ausliefern“, so Herrmann. Es reiche nicht aus, in einer einzigen Unterbringung den Betreiber auszutauschen. „Wir brauchen Einrichtungen, die Menschen auffangen und ihnen gute Betreuung garantieren und keine Gefängnisse“, so der Pirat. (epd/mig) Aktuell Politik
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