Knatsch ums Kirchenasyl
BAMF und Kirchen weiter uneins
Das Thema Kirchenasyl sorgt weiter für Kontroversen. Insbesondere BAMF-Präsident Manfred Schmidt muss sich deutliche Kritik von den Kirchen-Verbänden anhören. Für die Kirchen ist klar: Kirchenasyl federt humanitäre Schieflagen ab.
Von Staffen-Quandt, Olschewski Freitag, 17.10.2014, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.10.2014, 17:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die steigende Zahl der Kirchenasyle in Deutschland ruft Kritik bei der für Asylfragen zuständigen Bundesbehörde hervor: Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, stellt Kirchenasyle zwar nicht generell infrage. Es gebe allerdings Fälle, bei denen fraglich sei, ob die Kirchen verantwortungsvoll mit dem Instrument umgingen, sagte er am Mittwoch in einem Interview. Die bayerische evangelische Landeskirche wies die Kritik zurück. „Kirchenasyl ist immer Ultima Ratio und eine Gewissenentscheidung“, sagte der zuständige Oberkirchenrat Michael Martin in München.
Der BAMF-Präsident hatte geargwöhnt, in vielen Kirchenasylen gehe es nicht mehr um den Einzelfall, sondern um eine generelle Infragestellung der Dublin-Verordnung. Derzufolge müssen Flüchtlinge in jenem EU-Land, in das sie zuerst einreisen, Asyl beantragen. Wer ins Kirchenasyl gehe, umgehe damit die vom Gesetz verlangte Überstellung, sagte Schmidt. Laut Dublin-Verordnung verlängert sich dadurch die Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate. Die Zunahmen beim Kirchenasyl könne seine Behörde nicht ignorieren: Es sei bemerkenswert, wenn das Instrument Kirchenasyl „eine generelle Systemkritik generieren soll“, sagte er.
Kirchenasyl als Ausgleich humanitärer Schieflagen
Der neue Koordinator für Fragen zum Kirchenasyl der bayerischen Landeskirche, der Münchner Stephan Theo Reichel, bezeichnete das Vorhaben des BAMF, die Hürden für das Kirchenasyl zu erhöhen, als „Winkelzug“ der Behörde. Er wolle sich lieber mit den Vertreten des Nürnberger Bundesamtes „zusammensetzen und über Fragen der Integration von Flüchtlingen sprechen“, sagte er. Auch er betonte, Kirchenasyl sollte immer die letzte Möglichkeit zum Schutz eines Flüchtlings sein. Seine Aufgabe sei es, mit den Gemeinden zu klären, wo Kirchenasyle angebracht seien und wo nicht. Sie seien aber nötig, um „humanitäre Schieflagen“ abzufedern.
Der Bundesamts-Präsident sagte auch, es gebe einzelne Fälle, in denen er sich die Frage stelle, ob die Kirchen noch sorgsam mit dem Kirchenasyl umgingen: „Früher hatten wir Kirchenasylfälle, weil es etwa eine Abschiebung in den Iran geben sollte. Heute geht es teilweise um eine Rückführung nach Österreich“, erläuterte er. Man müsse sich in solchen Fällen fragen, ob man den Menschen wirklich einen Gefallen tue, wenn man ihnen ein Kirchenasyl anbiete. Im Zweifel drohe nach Ende der Überstellungsfrist in ein EU-Land oder nach einem abgelehnten Asylantrag die Ausweisung ins Heimatland, so Schmidt.
Kirche gegen politische Istrumentalisierung
Martin griff Schmidts konkrete Kritik auf. In dem Fall, in dem mit dem Kirchenasyl eine Überstellung nach Österreich habe verhindert werden sollen, sei es um eine Frau gegangen, die ein Kind erwartet habe. Anders als Deutschland schiebe Österreich auch Schwangere in ihre Herkunftsländer ab, erklärte Martin. Er betonte, dass Kirchenasyl nie politisch instrumentalisiert werden dürfe: „Die politische Diskussion muss woanders stattfinden.“ Die von BAMF-Leiter kritisierten Kirchenasyl-Checklisten dienten lediglich dazu, die Kirchengemeinden zu informieren, worauf sie sich einlassen, sagte der Oberkirchenrat.
Nach Angaben des ökumenisches Netzwerk „Asyl in der Kirche“ befinden sich bundesweit zurzeit rund 300 Personen in 180 Gemeinden im Kirchenasyl. Anfang des Jahres waren es nur 34 Gemeinden. BAMF-Chef Schmidt geht sogar von 500 Personen aus. Zwei Drittel der Betroffenen fallen den Angaben zufolge unter die Dublin-Verordnung. Das Kirchenasyl hat keine rechtliche Geltung. Dennoch hat es sich in Deutschland in der Vergangenheit zu einer gängigen Praxis entwickelt. Flüchtlinge leben dabei zeitweilig in Kirchenräumen, um einer Abschiebung zu entgehen. Die Polizei respektiert in der Regel sakrale Räume und verzichtet auf ein gewaltsames Eindringen. (epd/mig) Aktuell Politik
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