Urteil im Wevelsiep-Prozess
Polizist wegen Körperverletzung und Beleidigung verurteilt
Wevelsiep kann aufatmen: Das Frankfurter Landgericht hat einen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung zu einer Geldstrafe verurteilt. Damit endet ein zwei Jahre andauernder Streit. Menschenrechtsorganisation sind erleichtert.
Freitag, 07.11.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 09.11.2014, 20:50 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Schuldig wegen Beleidigung und Körperverletzung im Amt. So hat das Frankfurter Landgericht den Polizisten Matthew S. am Donnerstag zu 120 Tagessätzen à 70 Euro verurteilt oder wahlweise zu 4 Monaten Haftstrafe. Damit hat sich das lange Warten für Derege Wevelsiep gelohnt, der Opfer von Polizeigewalt wurde.
Angefangen hat alles am 17. Oktober 2012. Nach einer Fahrkartenkontrolle in der Bahn fällt der Satz „Ihr seid hier nicht in Afrika“. Die Situation eskaliert und die Polizei wird gerufen. Da Wevelsiep sich nicht ausweisen kann, sollen er und die Polizisten zu ihm nach Hause fahren. Noch vor Ort, auf dem Weg und in seiner Wohnung wird er von den Polizisten aber an die Wand gedrückt, gezerrt, gefesselt, mit dem Faust ins Gesicht geschlagen, gegen die Brust und in die Niere getreten, bis er bewusstlos auf dem Boden liegt. Er muss drei Tage in eine Klinik.
Entsprechend groß war die Erleichterung bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) und der Kampagne Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) nach dem Richterspruch. Sie begrüßen das Urteil des Richters gegen den angeklagten Polizisten, der damit der Geschichte des Nebenklägers Derege Wevelsiep Glauben schenkt. „Zwar ging es im Urteil um die individuelle Schuld des Angeklagten, doch wurde in der Verhandlung auch die zugrunde liegende Praxis des Racial Profiling deutlich“, sagte ISD-Vorstandsmitglied Tahir Della.
In den Ausführungen der Polizisten vor Gericht zeigte sich, dass am Abend des Vorfalls die Wertung „schwarz gleich gefährlich und kriminell“ vorgenommen wurde. „Man stelle sich vor, eine ungeklärte, vage Anschuldigung der Beleidigung seitens einer Kontrolleurin, vermeintlich ungeeignete Papiere und ein erregtes Verhalten wären die Standardbegründung, um jemanden zu fesseln. Das ist rechtswidrig“, sagt Biplab Basu von KOP.
Der Zusammenhang von Herkunft und Verhaltensweisen, die Zuschreibung von negativen Eigenschaften und Wesenszügen seien ein Grundprinzip rassistischer Logik – wie im Alltag so auch bei der Polizei. Racial Profiling unterliegt eingeschriebenen Regeln, die in der Kriminologie als „zweiter Code“ bezeichnet werden und stark von Alltagswissen und Stereotypen aufgeladen sind. „Das führt dazu, dass weiße Menschen so gut wie nie in Zügen oder U-Bahnen, Bahnhöfen, Parks, Fußgängerzonen oder anderen Orten nach ihrem Ausweis gefragt oder mit einer Durchsuchung rechnen müssen“, sagt Della. Und, dass es im Fall Wevelsiep vielleicht nie so weit gekommen wäre, wenn den Polizisten Wevelsieps Dienstausweis und der Führerschein genügt hätten.
Seit mehreren Jahren setzen sich die ISD und KOP nicht nur für Kläger wie Wevelsiep, sondern auch für die Abschaffung des Paragrafen 22 Absatz 1a im Bundespolizeigesetz ein, der verdachtsunabhängige Kontrollen rechtfertigt. Außerdem fordern sie, dass Polizisten in Antirassismus-Trainings geschult, Verstöße gegen den im Grundgesetz verbrieften Gleichbehandlungsgrundsatz statistisch erfasst und Strukturen für unabhängige Melde- und Beschwerdestellen eingeführt werden.
„Zudem sollte es ein verpflichtendes Protokoll bei Personenkontrollen geben, das über Anlass, Ablauf und Ergebnis Aufschluss gibt“, sagt Della. Vor zwei Jahren hatte der Göttinger Rechtsanwalt Sven Adam in einem für die Vereine richtungsweisenden Prozess in Koblenz für seinen Mandanten Recht bekommen, der sich dagegen gewehrt hatte, immer wieder in Zügen das Ziel von Bundespolizei-Kontrollen geworden zu sein. „Es geht um ein strukturelles Problem und Gesetze, die in ihrer Ausführung Ungleichheitsverhältnisse zu legitimieren“, sagt Della
Das Urteil im Fall Wevelsiep ist für die Vereine wegweisend. „Weil es anderen Betroffenen zeigt, dass eine Anzeige gegen die Polizei zu erstatten auch zu einer gerechten Verhandlung führen kann“, sagt Basu. Kritikwürdig sei jedoch, dass die Anzeigen gegen die übrigen drei Polizisten wegen Hausfriedensbruchs, Nötigung und Freiheitsberaubung fallengelassen worden seien. Sie hätten Wevelsiep zwar nicht geschlagen, sich aber mitschuldig gemacht. Zwei Jahre musste Wevelsiep auf die Verhandlung warten. „Jetzt erst kann für ihn die Phase beginnen, mit dem Kapitel abzuschließen. Vergessen wird er diesen Vorfall sicherlich nie“, sagt Della. Wichtig sei, dass deutlich werde, dass es sich hier nicht um einen Einzelfall handele.
Gegen das Urteil kann der Polizist noch Berufung einlegen. Aktuell Recht
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Was hätte denn ein normaler Bürger für eine Strafe erhalten, wenn er jemanden krankenhausreif geschlagen hätte? Darf ich z.B. jemanden für den selben Angebotsreis von 120 mal 70 Euro zusammenschlagen? Das ist ja äußerst günstig. Ich stelle mir paar kranke Reiche vor, die mit Hilfe ihrer Bodyguards Bürger zusammenschlagen lassen. Für die ist dies doch Gaudi im Sonderangebot.
@Nichtjurist
Für die würden sich aber die Tagessätze erhöhen.
Ferner würde ich nun auf jeden Fall noch eine Zivilklage einreichen und auf Schmerzensgeld klagen. Mit einer Verurteilung (sobald Urteil rechtskräftig) in der Strafsache, dürfte die Zivilklage ein Kinderspiel sein.
@Tai Fei Danke für die interessante Antwort. Ich frage mich was das etwa geldtechnisch am Ende bedeuten würde? Ich meine auch 100.000 Euro sind ja gar nichts für einen Multimillionär.
Für den Polizisten dürften die 8400 Euro in Anbetracht des Vergehens auch nicht viel sein schätzungsweise 2-3 Monatsgehälter. Ich finde es nur erschreckend, wie billig das Leben eines Menschen zu haben ist.
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