Studie
Je stärker die Identifikation mit Deutschland, desto größer die Ablehnung von Muslimen
Was gehört zum Deutsch-Sein dazu? Dieser und weiteren Fragen gingen Forscher in einer neuen Studie nach. Ergebnis: Muslime werden ausgeschlossen. Dennoch: positive Identifikation mit Deutschland in allen gesellschaftlichen Lagern und über Herkunftsgrenzen hinweg.
Donnerstag, 04.12.2014, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 04.12.2014, 17:41 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Die Menschen in Deutschland identifizieren sich unabhängig von ihrer Herkunft in der großen Mehrheit stark mit ihrem Land. Je stärker jedoch die Identifikation mit Deutschland ist, desto größer ist auch die Ablehnung von Muslimen. Das ist das Ergebnis einer am Mittwoch vorgestellten Studie des Berliner Institutes für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt Universität (BIM). Dazu wurden den Angaben zufolge zwischen September 2013 und Mitte April mehr als 8.200 Menschen telefonisch bis zu 100 Fragen vorgelegt.
Demnach betont eine deutliche Mehrheit (85 Prozent) der Bevölkerung: „Ich liebe Deutschland.“ Ausgangspunkt des positiven Selbstbildes sei dabei die Wiedervereinigung, erläuterte die stellvertretende Institutsdirektorin Naika Foroutan. Sie stelle für jeden Zweiten (49 Prozent) in der Bevölkerung das historische Ereignis dar, das Deutschland heute am besten beschreibt. Ereignisse im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg seien hingegen kaum mehr prägend für das Selbstbild (16 Prozent), und der Holocaust werde nur von 0,5 Prozent der Befragten genannt, heißt es in der Studie.
Özoğuz: Große Gefahr
Umso mehr verhindern Vorurteile und Stereotype gesellschaftlichen Zusammenhalt und Teilhabe. „Die pauschalen und negativen Einstellungen, die die Studie gegenüber Muslime festgestellt hat, bergen eine große Gefahr für das gute Miteinander in Deutschland. Genau aus solchen falschen wie einfachen Bildern versuchen gerade rechtspopulistische Parteien Kapital für ihre menschenfeindlichen Ziele zu schlagen. Deshalb müssen wir alle – auch und insbesondere die Politik – den falschen Bildern, den Vorurteilen und Stereotypen entschieden entgegentreten“, so Aydan Özoğuz, Kuratoriumsvorsitzende des BIM und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration im Bundeskanzleramt.
Allerdings kommt die Studie auch zu dem Ergebnis, dass eine starke emotionale Verbundenheit und eine Aufwertung nationaler Identität einhergeht mit ausgrenzenden Einstellungen gegenüber Muslimen im Land. Eine deutliche Mehrheit (67 Prozent) findet zwar, dass es das gute Recht von Muslimen in Deutschland ist, Forderungen zu stellen, und ebenso viele sagen, man sollte Muslimen mehr Anerkennung entgegenbringen. Ein Fünftel (20 Prozent) der Bevölkerung aber ist der Meinung, wenn Muslime Forderungen stellten, dann sei dies ein Zeichen von Unverschämtheit und 17 Prozent empfinden dies als Zeichen von Undankbarkeit.
Download: Die Studie „Deutschland postmigrantisch I. Gesellschaft, Religion, Identität – Erste Ergebnisse“ kann kostenlos heruntergeladen werden.
Kopftuch könne nicht deutsch sein
Wichtig ist den Befragten vor allem die Fähigkeit, deutsch sprechen zu können (97 Prozent), sowie der Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit (79 Prozent). Trotzdem finden immerhin 37 Prozent der Bevölkerung weiterhin, dass deutsche Vorfahren wichtig sind, um Deutsche oder Deutscher sein zu können. Und über 40 Prozent der Bevölkerung sind der Meinung, man müsse dafür akzentfrei deutsch sprechen. Dieses sehr enge Verständnis von „korrekter Sprache“ als nationalem Kriterium offenbart eine fehlende Anerkennung der Realitäten einer Einwanderungsgesellschaft, in der die Dynamik der Veränderungen auch die Sprache vielfältiger werden lässt. Die Narrationen des Deutschseins bleiben an zentralen Punkten also immer noch exklusiv. Dies zeigt sich auch deutlich daran, dass 38 Prozent der Bevölkerung der Meinung sind, wer ein Kopftuch trage, könne nicht deutsch sein.
Winfried Kneip, Geschäftsführer der Stiftung Mercator, erklärt hierzu: „Die Studie zeigt am Beispiel von Einstellungen zu Muslimen auf, dass trotz eines insgesamt positiven Integrationsklimas Menschen mit Migrationshintergrund oft nicht als selbstverständlicher und gleichberechtigter Teil der Gesellschaft gesehen werden.“ Gefördert wurde die Umfrage von der Stiftung Mercator. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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Meine Frage ist…warum wollen Ausländer oder als Ausländer behandelte in DE geborene Bürger als Deutsche gesehen werden?
@ Comrigu sagt: 4. Dezember 2014 um 10:14
Meine Frage ist…warum wollen Ausländer oder als Ausländer behandelte in DE geborene Bürger als Deutsche gesehen werden?
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Weil Menschen sich als Menschen sehen und nicht kategorisiert werden möchten in ein WIR und IHR. Menschen, die in Deutschland geboren sind (mit oder ohne Migrationshintergrund) oder hier schon länger leben, fühlen sich (auch) in Deutschland zu Hause und möchten, dass dies und sie selbst auch von der Mehrheitsgesellschaft akzeptiert werden. Man könnte auch von Integration sprechen…
Die Tatsache, dass Sie diesen Personenkreis mit dem Wort „Ausländer“ umschreiben, zeigt deutlich, dass Sie dieses Schubladendenken verinnerlicht haben und nicht davon ausgehen, dass diese Menschen auch zu Deutschland gehören und gehören wollen.
Mit Verlaub, diese Studie ist reinster Humbug. Sie reproduziert selber genau das steretype Denken, das sie verurteilen möchte. Falsch Fragen, falsche Schlüsse, ungenau gearbeitet.
Ich selber schaue aus der Schweiz mit Achtung zu unserem Nachbar im Norden, der einen wesentlich kreativeren und offeneren Umgang mit Ausländern zeigt im Vergleich zu unserem Land. Wir sehen gleichzeitig mit Besorgnis das Wiedererwachen rechtsextremer Kräfte. Aber dass nationale Identifitkaiton mit Ablehnung von Muslimen korreliert, dafür muss ich keine Umfrage starten, und was die Interpretation angeht, geh ich gar nicht einig. Nicht alle national fühlenden sind Nationalisten, ebensowenig wie alle Muslime den Dschihad gutheissen. Aber selbstverständlich steigt mit der Identifikation auch der Anteil derer, die zu Extremismus und Ideologisierung tendieren, sowohl bei Muslimen wie bei Deutschnationalen. Und wenn man sieht, wie wenig die deutsche Kultur von einem grossem Anteil der türkischen Immigranten respektiert wird, bis hin zum türkischen Präsidenten mit seinen Wahnsinnseinfällen, dass am liebsten von Deutschland bis Amerika alles türkisch und muslimisch wäre, dann muss ich schon sagen, Respekt für die grosse Toleranz der Deutschen heute. Sie haben gelernt aus der negativen Erfahrung des Weltkrieges, aus der Verblendung von Faschismus und Rassismus. Soviel Toleranz finde ich in keinem anderen Land wieder.
@Comrigu: warum wollen Ausländer oder als Ausländer behandelte in DE geborene Bürger als Deutsche gesehen werden?
Ich will als Bürger dieses Landes, dass sich alle, die hier dauerhaft leben, als Deutsche (oder vielleicht besser: Bürger dieses Landes) fühlen können und die Rechte und Pflichten wahrnehmen und erfüllen, die damit verbunden sind. Ich wünsche mir, dass alle die hier dauerhaft leben versuchen, die Sprache zu lernen und die Kultur des Landes zu einem gewissen Teil zu verstehen und mitzuleben. Das heißt ja nicht, dass man nicht gleichzeitig noch andere Identitäten hat und behält.
Pedro ich finde ihr Kommentar passt sehr gut zu den Ergebnissen der Studie. „Ein Fünftel (20 Prozent) der Bevölkerung aber ist der Meinung, wenn Muslime Forderungen stellten, dann sei dies ein Zeichen von Unverschämtheit und 17 Prozent empfinden dies als Zeichen von Undankbarkeit.“
Eigentlich wollte ich gar nicht auf den Inhalt eingehen aber naja. Sie lesen ausschließlich deutsche Medien daher ihre falschen Definitionen über Nationalisten und Muslime. Das ist auch der Grund für ihre falsche Definition über den Dschihad. Das ist auch der Grund für die meisten Türken, die angeblich ihre Kultur nicht respektieren. Wie sie vermutlich gemerkt haben leben wir in einem Land mit Meinungsfreiheit. Hier darf man den türkischen Präsidenten als aggressiven Hund in Schulbüchern karrikatieren. Ich finde übrigens Deutschland nicht so tolerant.
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