Charlie Hebdo

Das war auch ein Anschlag auf den Islam

Nach dem Pariser Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo warnen deutsche Spitzenpolitiker vor Hass auf Muslime. Experten hoffen, dass die Mehrheit dem "Pegida"-Populismus nicht auf den Leim geht.

Von Corinna Buschow, Katharina Rögner Freitag, 09.01.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 12.01.2015, 0:19 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat es als einer der ersten geahnt. Als der Wirtschaftsminister nach dem brutalen Anschlag auf die Redaktion des französischen Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ vor die Presse trat, warnte er vor einer Instrumentalisierung der Bluttat. Muslime dürften nicht pauschal als Islamisten oder gar Gewalttäter verurteilt werden: „Wir müssen auch die Religionsfreiheit in unserem Land verteidigen.“

Nur wenig später meldete sich Vize-AfD-Sprecher Alexander Gauland zu Wort. Absichtlich undifferenziert wirft er Islamismus und Islam in einen Topf, sieht die „Pegida“-Demonstranten, die inzwischen allwöchentlich mit ihren islam- und asylfeindlichen Forderungen auf die Straße gehen, bestätigt. Die Organisatoren ihrerseits rufen dazu auf, am nächsten Montag mit „Trauerflor“ zu erscheinen. Und dass AfD-Sprecher Bernd Lucke und die sächsische AfD-Fraktionschefin Frauke Petry gleichzeitig sagen, der Islam sei eine friedliche Religion, verpufft daneben.

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Die Stimmung gegen Muslime heizt sich auf. In der nächsten Woche tagt in Berlin die Deutsche Islamkonferenz. Es geht um die Frage nach Wohlfahrtspflege für Muslime, Anerkennung für eine Religionsgemeinschaft, die inzwischen selbstverständlich dazugehört. Gleichzeitig schüren nach dem Pariser Anschlag Rechtspopulisten noch stärker Stimmung gegen Muslime. „Natürlich ist der Anschlag Wasser auf die Mühlen von ‚Pegida'“, sagt der Sozialanthropologe Werner Schiffauer, Vorsitzender des Rats für Migration. Erst in dieser Woche forderte das Gremium eine umfassende Strategie gegen „Pegida“.

Einschneidende Ereignisse, weiß Schiffauer, können den Blick auf eine Bevölkerungsgruppe nachhaltig prägen. Studien haben das bereits am Beispiel der Muslime vor und nach den Anschlägen am 11. September 2001 nachgewiesen. Islamistische Bluttaten verändern demnach regelmäßig den Blick auf die Muslime insgesamt. Als Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) am Donnerstag erklärte, der Pariser Anschlag sei auch ein Anschlag auf den Islam gewesen, hat er damit auch auf diese Weise Recht.

Die von „Pegida“ neu geschürte, diffuse Angst vor dem Islam belegt auch eine Studie der Bertelsmann Stiftung. 57 Prozent der Bevölkerung sehen der repräsentativen Umfrage zufolge aktuell den Islam als Bedrohung, 2012 waren es 52 Prozent. 61 Prozent finden, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Die Mehrheit ist geprägt von Argwohn, und das obwohl – das zeigt die Studie auch – in Deutschland lebende Muslime in überwiegender Mehrheit die Grundwerte der Bundesrepublik bejahen und Vertreter der muslimischen Verbände Hasstaten regelmäßig verurteilen.

Solche Fakten wie auch die Tatsache, dass die geschätzt rund vier Millionen Muslime in Deutschland wohl kaum eine „Islamisierung“ der 80-Millionen-Einwohner-Republik bedeuten, prallen ab an den „Pegida“-Mitläufern, die „Lügenpresse“ skandieren. „Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben“, zitierte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei einer Veranstaltung am Mittwochabend in Berlin den griechischen Philosophen Epiktet. Spitzenvertreter von CDU, SPD, Grünen und Linken warnen vor Pauschal-Urteilen.

Werner Schiffauer hofft indes, dass die Mehrheit dem „Pegida“-Populismus nicht auf den Leim geht. Der Blick auf Muslime sei inzwischen differenzierter, sagt er. Was Schiffauer fehlt, ist aber die Einsicht, dass islamistische Terrorakte nicht als etwas Fremdes abgetan werden dürften. In Frankreich stehen Männer unter Verdacht, die dort aufgewachsen sind. „Es ist also ein französisches Problem“, sagt Schiffauer.

Auch in Deutschland müsse man sich fragen, wie es geschehen kann, dass sich Deutsche für den Dschihad radikalisieren lassen. Und schließlich müsse man den Dialog mit ihnen suchen. „Wir brauchen die islamischen Gemeinden“, sagt Schiffauer. „Wenn jemand an die Betreffenden rankommt, sind es die.“ „Pegida“ verschlimmere nur, ist er überzeugt: „Islamophobie und Salafismus schaukeln sich gegenseitig hoch.“ (epd) Aktuell Politik

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  1. karakal sagt:

    Wenn Herr Schiffauer meint, die muslimischen Gemeinden kämen an die radikalisierten Muslime heran, so irrt er sich darin teilweise, denn es gibt Gruppen mit extremem Gedankengut, das demjenigen der „Dschama´a al-Hidschra wa-t-Takfir“ unter Führung von Schukri Mustafa im Ägypten der 70er und 80er Jahre ähnelt, die alle anderen Muslime außer ihrer eigenen Gruppe als Götzendiener und Ungläubige ansehen und daher nicht in Moscheen beten und kaum mit anderen Muslimen in Kontakt kommen.

    Die Pegida-Leute skandieren „Lügen-Presse“, und andererseits sind viele Muslime der Ansicht, daß die Massenmedien ein Zerrbild vom Islam verbreiten und der Volksverhetzung Vorschub leisten, insbesondere die Springer-Presse, und einige bezeichnen die Vertreter solcher Medien als „Hofjournalisten“. Es scheint also, daß die Journalisten und anderen Medienvertreter sowohl bei den Muslimen als auch bei deren Feinden diskreditiert und zwischen alle Stühle geraten sind.

  2. Cengiz K sagt:

    …Auch in Deutschland müsse man sich fragen, wie es geschehen kann, dass sich Deutsche für den Dschihad radikalisieren lassen. Und schließlich müsse man den Dialog mit ihnen suchen….

    Ein sehr luftiges Statement.. Nochmals, „Dschihad“ ist nicht das, was der werte Herr Prof. Dr.Schiffauer daraus macht, und das Wort „Salafisten“ ist eine mediale Kunstkreation.. Alles semantische Phänomene (gibt derer noch mehr), die wir solchen Freiheitspfosten wie Jllands Posten, Charlie Hebdo, dem durchschnittlichen FAZ-Kommentator und Konsorten zu verdanken haben.. Wie da ein Dialog aussehen soll, bleibt fraglich.. Es wird begrifflich nicht nur Islam und Islamismus in einen Topf geworfen, sondern noch vieles mehr..

  3. Trikont sagt:

    Millionen Algerier ermordet nichts passiert. Millionen in Afghanistan abgeschlachtet nichts passiert. Millionen im Irak getötet nichts passiert. Blackwater und Konsorten hatten die Lizenz zum töten, nichts passiert. Guantanamo nichts passiert. Libyen angegriffen nichts passiert. Mali bombardiert nichts passiert. IS mit westlichen Waffen heimlich beliefert nichts passiert. Millionen von Menschen von dem Westen abgeschlachtet aber nichts passiert. 12 Menschen in Frankreich getötet und alle rufen „Je suis Chalie“. Saïd und Chérif Kouachi hatten algerische und Amedy Coulibaly malische Herkunft. So schließt sich der Kreis.

  4. Mütze sagt:

    (Antwort auf „Trikont“)

    Der Terrorakt in Paris war in der Tat politisch inspiriert. Die Attentäter sagten es war für ihren Baghdadi. Für ihren Staat. Soweit ich das verstanden haben, war die letzte veröffentlichte Karrikatur auf dem Account der Zeichner dieser Baghdadi. Die angeprangerten Bilder zur Religion waren aber schon seit Jahren in der Öffentlichkeit. Seither ist viel passiert, viel Schmähkritik erfolgt. Warum reagieren die Täter aber dann sofort, wenn ihr Baghadid unter Druck gerät???

    Umso verwunderlicher, dass uns jetzt überall eingeredet werden soll, dass die Täter ein genauso bestehendes „Bilderverbot“ perfekt umgesetzt hätten. Hier wird doch ein Kulturkampf herbeigeredet und vieles mehr bezweckt. Und die „Verteidigungsreden“ fallen meist in genau dasselbe Schema.

    Punkt: Von IS haben sich alle, wirklich alle öffentlicht nachlesbar distanziert. Aber wer hat die Länder so geschwächt, wer brauchte damals in Afghanistan Freiwillige gegen die Russen …. ihr wißt Bescheid.

  5. Poser sagt:

    So mancher Post hier könnte der Anfang einer astreinen Radikaliserung sein. Verschwörungstheorien, zusammenhangslose und aus dem Kontext gerissene historische Ereignisse und Haarspalterei um einzelne Wörter, nur um der Realität zu entkommen und schlussendlich nur eins sagen zu wollen mit dem Wissen es nicht sagen zu dürfen: „So! Das habt ihr nun davon euch über unseren Propheten lustig zu machen und unsere Weltanschauung nicht zu akzeptieren.“

    Bravo! Wie entlarvend für einzelne Foristen hier!