Rezension zum Wochenende
„…weil ihre Kultur so ist.“ – antimuslimischer Rassismus
Wer hat sich in den vergangenen Tagen und Wochen keine Gedanken über "Pegida" gemacht? Woher kommt auf einmal diese Masse an unzufriedenen Gestalten? Yasemin Shoomans im November 2014 erschienenes Buch "'…weil ihre Kultur so ist' – Narrative des antimuslimischen Rassismus" befasst sich nicht direkt mit "Pegida", bietet aber in Ansätzen eine Antwort auf diese Frage.
Von Jihan Jasmin Dean Freitag, 06.02.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.02.2015, 11:55 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Denn es enthält ein Kapitel zu islamfeindlichen Webseiten, die teilweise schon seit zehn Jahren existieren – im Internet als einer Art „zweiten Öffentlichkeit“, wo sie kaum einer Sanktionierung unterliegen. Auf Seiten wie „Politically Incorrect“ verbinden sich allgemeine Tendenzen zur Abwertung von Muslimen mit Verschwörungstheorien. Die Angst vor einer angeblich drohenden „Islamisierung Europas“ gehört zu dieser „ideologisch geschlossenen Islamfeindlichkeit“. Doch auch von der deutschen PRO-Bewegung und von rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa wird diese These schon seit längerem vertreten. „Pegida“ steht also nicht isoliert für sich – das zeigt dieses Buch.
Die Dissertationsschrift, mit der Shooman an der TU Berlin promoviert wurde, beginnt mit einer Einführung zum diskursanalytischen Forschungsansatz und zur Theorie und Geschichte des antimuslimischen Rassismus. Die drei Hauptkapitel befassen sich jeweils mit verschiedenen Diskursebenen. Als Quellen für die Analyse des öffentlichen Diskurses verwendet die Autorin auflagenstarke Sachbücher, Zeitungsartikel aus „seriösen Printmedien“ sowie Bildquellen, darunter Cover der Magazine DER SPIEGEL und STERN (Kap. 3 und 4.1). Der Teil zu neuen Medien basiert auf einer Auswertung islamfeindlicher Webseiten (Kap. 4.2 und 4.3). In Kap. 5 erfolgt eine Analyse des nicht-öffentlichen Diskurses anhand von Zuschriften an zwei muslimische Verbände und die Türkische Gemeinde in Deutschland.
Die Veröffentlichung ist in einer verständlichen und gut lesbaren Sprache gehalten. Vorgewarnt seien jedoch alle, die antimuslimischen Inhalten bewusst aus dem Weg gehen. Die Lektüre ist streckenweise nicht angenehm, da die Autorin schonungslos zitiert und ihre Internetquellen mit Screenshots der entsprechenden Webseiten belegt. Die Beispiele sind jedoch gut in die Analyse eingebunden und darüber hinaus notwendig, um die Argumentation nachvollziehbar zu machen.
Zu den Hauptthesen Shoomans gehört, dass antimuslimische Narrative nicht erst nach 9/11 auftauchten, sondern bereits eine lange Geschichte in Europa haben. In ihrer historischen Einordnung (Kap. 2.1.) zeigt sie, wie weit diese zurückreicht: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurden Muslime zunächst als äußere Feinde, als starke militärische Gegner und Rivalen wahrgenommen. Erst mit dem Orientalismus, der eng mit kolonialem Überlegenheitsdenken verknüpft war, entwickelte sich das ambivalente Bild des kulturell rückständigen und unterlegenen „Orients“ als Ort der Sehnsucht und der Bedrohung zugleich. Shooman betont, dass sich zwar keine gerade Kontinuitätslinie zum aktuellen antimuslimischen Rassismus ziehen lässt, dieser aber durch einen Rückgriff auf historische Topoi gekennzeichnet ist. So kann z.B. der Topos der „Islamisierung Europas“ als Widerhall der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Angst vor der Ausbreitung des Islams in Europa gelesen werden.
Was ist also das Charakteristische des antimuslimischen Rassismus? Mit Bezug auf Levent Tezcan (2012) stellt die Autorin in Kap. 2.2 fest, dass in Deutschland ab Anfang der 1980er Jahre Differenz verstärkt anhand von Kultur erfasst wurde: Die vormals kollektiv als „Südländer“ wahrgenommenen Gastarbeiter_innen wurden nun in „kulturnahe“ und „kulturferne Ausländer“ eingeteilt. Shooman zeigt übereinstimmend mit dem Stand der Rassismusforschung auf, wie das Konzept der in sich geschlossenen „Kulturkreise“ die frühere Vorstellung von „Rassen“ teilweise ersetzt hat. Das Spezifische des aktuellen antimuslimischen Rassismus sei der neue Fokus auf Religion, die genauso deterministisch eingesetzt werde wie Kultur. Dies geschehe etwa, indem der Aneignungsprozess religiöser Quellen geleugnet, der Koran selektiv zitiert und daraus das Verhalten aller Muslime abgeleitet werde. Auch die Selbstverortung des Individuums – seine anderen Gruppenzugehörigkeiten und sein individuelles Glaubensbekenntnis – werde ignoriert. Muslimisch-Sein werde aufgrund der Herkunft, des Namens oder des äußeren Erscheinungsbildes von außen zugeschrieben.
Shooman nennt dies „Amalgamierung von kulturell-religiösen und somatischen Faktoren“ und kommt zu dem Ergebnis, dass man es mit einer Rassifizierung kultureller und religiöser Zugehörigkeit zu tun habe. In den folgenden Kapiteln belegt sie dies auch empirisch. So stellt sie auf allen von ihr untersuchten Diskursebenen eine Gleichsetzung von „Muslimen“ mit „Türken“ bzw. „Arabern“ und „Migranten“ fest. Sogar säkulare türkische Verbände werden als „muslimisch“ wahrgenommen und bezeichnet, wie die Autorin anhand des Diskurses über die Deutsche Islamkonferenz (DIK) zeigt. Aktuell Rezension
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