Migrationsforscher
Asylpolitik ist chaotische Flickschusterei
Mal sind es Bulgaren, mal die Rumänen und aktuell sind es Flüchtlinge aus dem Kosovo. Immer wieder wird an Einzelproblemen herumgedoktert, kritisiert der Prof. Jochen Oltmer die deutsche Asylpolitik und stellt bekannte Annahmen in Frage.
Von Martina Schwager Dienstag, 17.02.2015, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 18.02.2015, 15:34 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Migrationsforscher Jochen Oltmer hat angesichts der Diskussion um Flüchtlinge aus dem Kosovo die deutsche und europäische Asylpolitik als „konzeptionslose, chaotische Flickschusterei“ kritisiert. Immer wieder werde an Einzelproblemen herumgedoktert, anstatt endlich grundsätzlich ein neues Asyl- und Einwanderungssystem zu entwickeln, sagte der Professor der Universität Osnabrück dem Evangelischen Pressedienst: „Die Diskussion über zunehmende Flüchtlingsströme von wo auch immer läuft seit mehr als zwei Jahren.“ Dennoch bleibe es bei Adhoc-Maßnahmen: „Immer wird am offenen Herzen operiert.“
Die Fluchtbewegungen aus dem Kosovo und die Reaktionen darauf zeigten wieder einmal, dass das Dublin-System nicht funktioniere, sagte Oltmer. Für das Asylverfahren der Menschen, die aus dem Kosovo über Ungarn und Österreich nach Deutschland flüchteten, seien nämlich laut Dublin-Verordnung eben diese Ersteinreisestaaten zuständig. Das werde in der Diskussion aber gar nicht erwähnt. Die beiden Länder ließen die Schutzsuchenden geflissentlich einfach weiterreisen, erklärte der Forscher. Griechenland und Italien verfolgten mit den dort auftauchenden Flüchtlingen schon seit längerem dieselbe Strategie.
Oltmer warnte die Politiker vor beschleunigten Asylverfahren und schnellen Abschiebungen. Wer in Deutschland Asyl beantrage, habe ein im Grundgesetz verankertes Recht darauf, dass das Gesuch geprüft werde und dass er auch Einspruch dagegen einlegen könne: „Da kann sich ein Innenminister nicht hinstellen und im Vorhinein sagen, die Menschen hätten zu 99 Prozent keine Aussicht auf Asyl.“
Die aktuelle Abschreckungs- und Abschottungspolitik der Innenminister gegenüber den Menschen aus dem Kosovo sei „schlichteste, billige Abwehr“, kritisierte das Vorstandsmitglied des Instituts für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien. Stattdessen könnte zum Beispiel ein Einwanderungsprogramm aufgelegt werden, mit dem eine Art Entwicklungshilfe für den jungen Staat geleistet werde. Dann könnten Arbeitskräfte befristet in deutschen Unternehmen beschäftigt werden. Junge Menschen könnten ausgebildet werden, damit sie dann in ihre Heimat zurückgehen könnten.
Der Historiker und Politikwissenschaftler monierte zudem, dass nicht differenziert werde, wer tatsächlich aus dem Balkan nach Deutschland einreise. Er bezweifelte, dass alle Flüchtlinge Kosovaren seien. Das Kosovo sei ein junger Staat. Bei vielen Einwohnern seien die Staatsangehörigkeitsverhältnisse noch gar nicht geklärt. Viele seien möglicherweise Serben: „Die wissen, dass sie damit zu den sicheren Herkunftsstaaten in Deutschland gehören. Dann gehen sie eben verständlicherweise ohne Pass über die Grenze und geben sich als Kosovaren aus.“
Kindernothilfe fordert Engagement
Derweil fordert die Kindernothilfe von der Bundesregierung ein rasches und deutliches finanzielles Engagement zur Unterstützung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Kosovo. „Nur wenn wir die Menschen, besonders die Jugendlichen, vor Ort stärken, werden sie auch in ihrer Heimat bleiben“, erklärte Jörg Denker, Mitarbeiter des Kinderhilfswerks, am Freitag in Duisburg. Im ärmsten Land Südosteuropas lebe ein Drittel der 1,8 Millionen Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Neben Korruption, Kriminalität und Konflikten zwischen Kosovo-Albanern und der serbischen Minderheit stelle vor allem die Arbeitslosigkeit mit mehr als 50 Prozent ein großes Problem dar. (epd) Aktuell Politik
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Rumänen und Bulgaren sind EU-Bürger und genießen Freizügigkeit. Das Freizügigkeitsrecht ist kein Problem, an dem „herumgedoktert“ wird, sondern ein Freiheitsrecht und eine der großen Errungenschaften der EU. Es hat mit der (zugegebenermaßen) kritisierendwerten Asylpolitik nichts zu tun..
@ Elke Tießler-Marenda:“Rumänen und Bulgaren sind EU-Bürger und genießen Freizügigkeit. Das Freizügigkeitsrecht ist kein Problem, an dem “herumgedoktert” wird, sondern ein Freiheitsrecht und eine der großen Errungenschaften der EU. Es hat mit der (zugegebenermaßen) kritisierendwerten Asylpolitik nichts zu tun“
Stimmt, aber in dem Artikel ging es doch um Kosovaren, Albaner und Menschen aus Serbien. Diese Länder sind keine EU Mitgliesstaaten, ihre Bürger genießen daher auch nicht das Freizügigkeitsrecht.
Zum Asylrecht haben sich demokratische Staaten wie Deutschland verpflichtet. Das was wie eine chaotische Flickschusterei anmutet ist nichts anderes als eine gezielte Strategie Menschenrechte zu untergraben, ohne sich dabei dem Vorwurf aussetzen zu müssen, auf Menschenrechte zu pfeifen.
Die Asylpolitik wird solange chaotische Flickschusterei bleiben, solange wir in einer chaotisch zusammengeschusterten Welt leben in der Menschen immer wieder notgedrungen chaotisch fliehen müssen; sei es aus Verfolgungsgründen oder sei es aus sozio_ökonomischer Not.
Dem Chaos der Flucht ist nicht so einfach eine Ordnung der Aufnahme entgegenzustellen. die Dinge müssen im Zusammenhang gesehen und gelöst werden.
Josef Özcan (Diplom Psychologe)
http://www.mig-gesundheit.com