Buchtipp zum Wochenende
Hab keine Angst. Erinnerungen
Mit zwei Jahren kommt Feride von einem kleinen türkischen Dorf nach Deutschland. Ihre Eltern arbeiten hart, um ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Alles ist fremd, und nur allzu oft macht diese Fremdheit auch Angst. Doch Feride hat einen Traum: Sie will Ärztin werden.
Freitag, 27.02.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 24.01.2020, 0:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Der Weg in ein selbstbestimmtes Leben ist für Feride steinig und aufregend, ermüdend und erfüllend zugleich. Die Autorin Zahide Özkan-Rashed erzählt in ihrem autobiografischen Debütwerk „Hab keine Angst. Erinnerungen“ die Emanzipationsgeschichte von Feride, einer jungen Türkin in Deutschland, die in den frühen 60er Jahren davon träumt, Ärztin zu werden. Dafür gilt es gesellschaftliche Hürden zu überwinden, Konflikte mit der Familie auszutragen und immer wieder ausdauernd zu kämpfen – bis sie schließlich glücklich ihr Ziel erreicht.
Identitätssuche: Wer bin ich?
Immer wieder fasst Feride neuen Mut, überwindet ihre Ängste und stellt sich im entscheidenden Moment der Identitätsfrage: Wer bin ich? Wer will ich sein? Sie weiß, dass sie anders ist als die anderen, aber auch anders als ihre Eltern. Tagebucheinträge lassen tief in die Gefühlswelt der jungen Frau blicken. Sie schafft es, mit einer beeindruckenden Mischung aus Entschlossenheit und Sanftmut, die liebevolle Verbundenheit mit ihrer Familie beizubehalten und dennoch treu zu ihrer Identität zu stehen: Als junge Ärztin zieht Feride gegen den Willen ihrer Familie aus, heiratet einen Mann, mit dem ihre Eltern zunächst nicht einverstanden sind. Der Abnabelungsprozess ist schmerzhaft, aber notwendig.
Der steile Weg einer Bildungsaufsteigerin erfordert einen langen Atem. Dieser Weg führt manchmal weiter weg von den Eltern, manchmal schlängelt er sich um sie herum. Wie eine Akrobatin balanciert sie geschickt auf den schmalen Pfaden der verschiedenen Kulturen. Dabei steht sie stets zu ihren Wurzeln, zu ihrer Religion. Anders als ihre Eltern lässt sie allerdings zu, dass ihre Wurzeln weiter wachsen. Sie nimmt den neuen Nährboden an, in den sie ihre Eltern mit zwei Jahren verpflanzt haben, und erfreut sich an den erfrischenden, aufregenden Möglichkeiten, die er bietet.
Rückblick auf das Leben der Gastarbeiter in der ersten Generation
„Hab keine Angst. Erinnerungen“ gibt einen detailtreuen Einblick in die Lebensumstände der ersten türkischen Gastarbeitergeneration. Özkan-Rashed zeigt auf, wie angeworbene Arbeiter gelebt haben, welche Einstellungen, Hoffnungen und Ziele sie hatten. „Wir kehren doch in ein paar Jahren zurück“, war eine Illusion, an die sich – wie viele damals – auch Ferides Eltern klammerten.
Feride hat ihren Erfolg dem glücklichen Zufall zu verdanken, dass sie eine einfühlsame Grundschullehrerin hat, die an sie glaubt. So hinderlich und diskriminierend gesellschaftliche Strukturen auf sie wirken, so hilfreich und vertrauensvoll erlebt sie diejenigen Menschen, die sie unterstützen.
Ein Mutmach-Buch
Viele Frauen, ob mit oder ohne Migrationshintergrund, werden sich in Feride wiederfinden. Denn bei allen kulturellen Unterschieden sind die Prozesse, die Frauen durchlaufen, wenn sie anders sind als ihr Umfeld, sehr ähnlich. Vor allem jungen Frauen macht dieses Buch Mut. Mut, für die eigene Identität einzustehen und den eigenen Weg zu gehen. Aktuell Feuilleton
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