Brain Circulation statt Braindrain
Auswanderung aus Deutschland oft auf Zeit
Durchschnittlich verlassen Deutschland jährlich 25.000 deutsche Staatsbürger. Aber nur ein Drittel will auf Dauer im Ausland bleiben. Mobil sind vor allem Menschen Migrationshintergrund. Das sind Ergebnisse einer aktuellen SVR-Studie.
Mittwoch, 11.03.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Es gibt keine Anzeichen für einen dauerhaften Weggang Hochqualifizierter aus Deutschland. Das geht aus einer gemeinsamen Studie des SVR-Forschungsbereichs, des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Universität Duisburg-Essen hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.
Danach wandern seit Jahren mehr deutsche Staatsangehörige aus als nach Deutschland zurückkehren. Zwischen 2009 und 2013 wurden rund 710.000 Fortzüge registriert, dem standen nur etwa 580.000 Zuzüge gegenüber. Somit verliert Deutschland jährlich im Durchschnitt zwar rund 25.000 Personen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Für Prof. Marcel Erlinghagen von der Uni Duisburg-Essen ist das aber kein Grund zur Warnung. Denn 41 Prozent der im Ausland lebenden Deutschen geben an, dass sie nach Deutschland zurückkehren möchten. Rund ein Drittel möchte eher im Zielland bleiben. Unentschlossen ist ein Viertel der Befragten (26,0 %).
„Auswanderung sollte nicht einseitig als Verlust, sondern auch als Chance wahrgenommen werden. Denn international Mobile kehren mit neuen Erfahrungen, Fähigkeiten und Netzwerken zurück“, betont Cornelia Schu, Direktorin des SVR-Forschungsbereichs. Darin liege auch eine Chance, den demografischen Wandel und den damit einhergehenden Fachkräftemangel besser zu bewältigen.
Migranten mobiler
Als hochgradig mobil erweisen sich deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund. Sie stellen einen überdurchschnittlich hohen Anteil der Aus- und Rückwanderer: Ein Viertel der befragten Aus- und Rückwanderer hat einen direkten oder indirekten Migrationshintergrund. Sie wandern aber nicht zwangsläufig in das eigene Herkunftsland bzw. das ihrer Eltern, sondern sind generell mobiler.
„Für die Entscheidung zur Auswanderung ist meist ein Bündel an Motiven ausschlaggebend. Am häufigsten wird neben beruflichen Gründen (66,9 %) der Wunsch genannt, neue Erfahrungen zu machen (72,2 %)“, erklärt Shu. Immerhin 41,4 Prozent der Befragten nennen Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland als Beweggrund für eine Auswanderung.
Top-Motiv: höheres Einkommen
Ein höheres Einkommen im Ausland erhoffen sich der Studie zufolge 46,9 Prozent der Befragten. Tatsächlich führt die Auswanderung für die meisten international mobilen Deutschen zu einer Erhöhung des Einkommens, und zwar unabhängig von Bildungsniveau oder Berufsqualifikation. Doch das hat seinen Preis. So gaben 43,5 Prozent an, dass sich die Auswanderung negativ auf ihren Freundes- und Bekanntenkreis ausgewirkt habe.
Wie aus der Studie außerdem hervorgeht, sind die befragten Aus- und Rückwanderer deutlich jünger als die deutsche Wohnbevölkerung, überproportional viele stammen aus einem bildungsnahen Elternhaus und haben deutlich höhere Bildungsabschlüsse. Akademiker und Führungskräfte sind unter den Auswanderern stark überrepräsentiert. Bei den Auswanderern liegt der Anteil der Hochqualifizierten bei 70,0 Prozent. Aber auch bei den Rückwanderern ist ihr Anteil mit 64,1 Prozent sehr hoch.
Rückkehrpolitik auf den Prüfstand stellen
Download: Die Studie „International Mobil. Motive, Rahmenbedingungen und Folgen der Aus- und Rückwanderung deutscher Staatsbürger“ wurden Aus- und Rückwanderer nach ihren Beweggründen befragt und ihre Sozialstruktur erhoben. Die systematisch gezogene Stichprobe umfasste 3.000 Aus- und 4.500 Rückwanderer, die zur Teilnahme an der Umfrage eingeladen wurden. Für die Studie wurden Antworten von insgesamt 1.700 Personen ausgewertet, darunter knapp 800 Aus- und rund 900 Rückwanderer. Sie kann hier heruntergeladen werden.
Für eine Entscheidung zur Rückkehr nach Deutschland spielen ähnliche Motive eine Rolle wie bei der Abwanderung, es zeigen sich aber deutliche Unterschiede bei der Häufigkeit der Nennung: Auch für Rückkehrer spielen berufliche Gründe mit 56,5 Prozent eine zentrale Rolle. Am häufigsten werden aber partnerschaftsbezogene und familiäre Gründe genannt (63,9 %). Insgesamt zeigt die Studie, dass sich das Wanderungsverhalten nach Geschlecht unterscheidet: Sowohl bei den Auswanderern als auch bei den Rückwanderern gaben Männer als Migrationsmotiv deutlich häufiger berufliche Gründe an, Frauen dagegen häufiger partnerschaftsbezogene und familiäre Gründe.
Aus der Studie lassen sich laut Wissenschaftler einige Handlungsoptionen für Politik und Wirtschaft ableiten. Allen voran werden gute Lebens- und Arbeitsbedingungen genannt. Auch sollten Möglichkeiten der Rückkehrförderung geprüft werden. Zudem sollten neue Ansätze zur transnationalen Vernetzung geprüft werden, die den Kontakt von Auswanderern zum Herkunftsland aufrechterhalten und pflegen. Hier kann auf die Erfahrungen anderer Staaten mit einer sog. ‚Diaspora-Engagement-Politik‘ zurückgegriffen werden. (bk) Gesellschaft Leitartikel Studien
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