Bildungsstudie
Elten wünschen sich interkulturelle Öffnung der Schulen
Trotz enormen Aufwands und hoher Bildungsziele können Eltern mit Migrationshintergrund ihre Kinder vergleichsweise unzureichend fördern. Lösung könnte die interkulturelle Öffnung der Schulen sein. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor.
Mittwoch, 25.03.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:44 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In einem Punkt sind sich Eltern mit ausländischen Wurzeln einig: „Bildung ist der wichtigste Schlüssel für ein gelungenes Leben.“ Diesen Satz unterschreiben quer durch alle Milieus 96 Prozent der Väter und Mütter mit Migrationshintergrund. Einer Studie der Universität Düsseldorf zufolge, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde, fühlen sich die Eltern aber nicht genügend unterstützt. Sie vermissen auf ihre Situation zugeschnittene Beratung und die Förderung ihrer Kinder sowie interkulturelle Kompetenz an den Schulen.
Die Untersuchung des Bildungsforschers Heiner Barz über Erfahrungen von Migranten mit dem deutschen Bildungswesen trägt den Titel „Große Vielfalt, weniger Chancen“. Barz sagte, viele Migranten klagten über verlorene Jahre durch Zurückstufungen oder Schulwechsel. Angebote zur Elternbildung stießen durchweg auf großes Interesse, auch in den unteren Schichten. Die Hälfte der Eltern verbringt bis zu einer Stunde pro Tag mit den schulischen Belangen der Kinder. Nur zwei Prozent geben an, überhaupt keine Zeit dafür zu haben.
In den Einwandererfamilien spiegelt sich im übrigen, dass in Deutschland die Bildung der Kinder immer noch vom sozialen Milieu abhängt, aus dem sie kommen. Während Mittelschicht-Eltern über den Hausaufgaben sitzen, fehlt es Kindern wenig gebildeter oder sehr traditionsorientierter und religiöser Eltern vielfach an Unterstützung.
Die Schule sehen die Eltern mit ausländischen Wurzeln durchaus kritisch. 92 Prozent wünschen sich Lehrer für ihre Kinder, die sensibilisiert sind für Fragen der Integration – aber nur 60 Prozent haben sie. 88 Prozent der Eltern wünschen, dass kulturelle Vielfalt Wertschätzung erfährt, doch nur zwei Drittel glauben dies im Schulalltag ihrer Kinder erkennen zu können.
Zudem gibt es einen großen Bedarf an Information: 86 Prozent der Eltern wünschen sich Beratung zu speziellen Förder- und Stipendienprogrammen für junge Migranten, aber nur 20 Prozent geben an, dass es so etwas an der Schule ihrer Kinder gibt. Islamischen Religionsunterricht wünschen sich 28 Prozent der Eltern, neun Prozent finden ihn an den Schulen ihrer Kinder vor.
Barz sagte, die Studie zeige, dass die Eltern Bildung sehr hoch schätzten. Das müsse man nutzen, um die Chancen der Kinder zu verbessern. Er empfahl den Schulen, sich zu öffnen und Kontakte zu Migrantenverbänden oder Moscheevereinen herzustellen. Für die Studie waren an der Düsseldorfer Heinrich-Heine-Universität 1.700 Mütter und Väter auf Deutsch, Türkisch und Russisch befragt wurden. Das Forschungsprojekt wurde von der Mercator Stiftung und der Vodafone Stiftung Deutschland gefördert.
Der innenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Volker Beck, erklärte, damit Migranten an den vielfältigen Bildungsanboten in Deutschland teilhaben können, bräuchten sie verstärkt Unterstützung. Eltern sollten in ihren Sprachen über Bildungsangebote informiert werden. Asylbewerber, Geduldete und EU-Bürger sollten Zugang zu Deutsch- und Integrationskursen erhalten, forderte Beck.
Die Linksfraktion erklärte, die Bildungspolitik habe versagt. Migranten müssten nicht davon überzeugt werden, sich zu bilden und Deutsch zu lernen, erklärte die migrationspolitische Sprecherin, Sevim Dagdelen. Es fehlten aber die Rahmenbedingungen, dass ihnen das auch gelingen könne. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel Studien
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
„Bildung“ per se ist kein Schlüssel zum Erfolg. Beruflicher Erfolg ist auch kein Schlüssel, um Geld zu verdienen, schon weil die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland im internationalen Vergleich sehr hoch ist. Unter dem Strich lohnt sich eine berufliche Tätigkeit als Fahrschullehrer, Metzger, Pizzeriabesitzer oder Handwerker mehr als die eines Akademikers im nichtnaturwissenschaftlichen Bereich oder die eines Lehrers. Das ist auch ganz klar, weil Akademiker erst sehr viel später „verdienen“, weniger schwarz arbeiten können und mehr belastet werden. Kurzum: Wieso sollen eigentlich Migranten massenweise „bilden“, wenn sich das unter dem Strich kaum lohnt? Wieso keine Kinder kriegen? Nur für das holde „Vaterland“?
Fest steht, dass „Bildung“ in unserer Gesellschaft ja gar nicht honoriert wird. Fußballer und Moderatoren sind unsere Vorbilder, aber doch keine Lehrer und Professoren! Das war mal so um 1900.
Was nützt es Eltern aus ganz anderen Bildungssystemen, über Bildungsgänge in ihrer Herkunftssprache zu informieren, die selbst innerhalb der EU ziemlich einzigartig sind, wie unser duales Ausbildungssystem oder Fachhochschulwesen, bzw. die erst in den letzten Jahren entstanden sind.
Hier sind die Schulen und die Wirtschaft selbst als Bildungsberater der Schüler gefragt, sofern sie diese Aufgabe nicht bereits recht zufriedenstellend leisten. Ich denke an die Schülerpraktika, die längst auch in Gymnasium durchgeführt werden, an die Ausbildungsbörsen und Infoveranstaltungen der Hochschulen und schließlich die Berufsberatung der Arbeitsämter.
Zum zweiten sollten solche (Kultur-)dolmetscher-Dienste doch von den Migrantenverbänden oder Kultusgemeinden selbst am besten zu leisten sein.
Zum Dritten haben wir es bei der jetzigen Schülergeneration doch häufig mit Migranten der 3. Generation, wenn nicht schon 4. Generation zu tun, deren Eltern das deutsche Schulsystem bereits selbst durchlaufen haben.
Kurzum, was sollen unsere Schulen eigentlich noch alles leisten?