Seelsorger
Flüchtlingsdrama lässt Seeleute verzweifeln
Laut UN-Seerechtsübereinkommen sind auch Handelsschiffe verpflichtet, in Seenot geratenen Flüchtlingen zu helfen. Andererseits sind Seeleute, die geholfen haben, in Italien auch schon als Schlepper verurteilt worden. Das Dilemma der Seeleute
Von Dieter Sell Montag, 27.04.2015, 8:20 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.04.2015, 23:14 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer belastet nach Worten der Deutschen Seemannsmission viele Seeleute auf den dort fahrenden Handelsschiffen psychisch. „Sie sehen Leichen im Wasser treiben und machen sich Vorwürfe, weil sie nicht helfen konnten“, sagte der 56-jährige Seemannsdiakon Markus Schildhauer dem Evangelischen Pressedienst. Es lasse manche auch verzweifeln. Schildhauer ist Seelsorger der Seemannsmission aus der ägyptischen Hafenstadt Alexandria und derzeit bei einer Mitgliederversammlung der evangelischen Organisation im niedersächsischen Bad Bederkesa.
Nach Artikel 98 des UN-Seerechtsübereinkommens sind auch Handelsschiffe verpflichtet, in Seenot geratenen Flüchtlingen zu helfen. „Andererseits sind Seeleute, die geholfen haben, in Italien auch schon als Schlepper verurteilt worden“, sagte Schildhauer. Diese rechtliche Unsicherheit und der Zwang, die Zeiten ihrer Charter einzuhalten, setze die Besatzungen unter Druck. Aufgrund dieser belastenden Situation habe ihm ein Seemann berichtet, am liebsten fahre er nachts, dann könne er nichts sehen.
Der Badestrand von Alexandria sei regelmäßig von Schuhen übersät, die das Meer angespült habe, sagte Schildhauer. Seinen Angaben zufolge starten alleine vom Ufer der ägyptischen Hafenmetropole aus derzeit täglich ein oder zwei Flüchtlingsschiffe in Richtung Italien. „Italien deshalb, weil die Behörden dort die Flüchtlinge meist weiterschicken und so eine Chance besteht, andere Länder wie Deutschland zu erreichen.“ Wenn das Wetter demnächst besser werde, sei mit noch mehr Flüchtlingsbooten zu rechnen.
In ihren Stationen etwa am Mittelmeer in Alexandria, Genua und Piräus versucht die Deutsche Seemannsmission, den Seeleuten psychisch zur Seite zu stehen. „Wir hören zu, wir machen Gesprächsangebote, damit sich die Männer ihre Last wenigstens teilweise von der Seele reden können“, erläuterte Schildhauer. Doch letztlich sei die Politik in der Pflicht, die Flüchtlingskatastrophe auf dem Mittelmeer zu beenden und Hilfsaktionen wie das Programm „Mare Nostrum“ auf EU-Ebene wieder aufzunehmen.
„Die Leichen auf dem Mittelmeer, dann durch den Suezkanal in das arabische Meer, wo Piratenüberfälle drohen – die Route bedeutet für die Seeleute eine lange Leidensstrecke“, sagte Schildhauer. Es gebe bereits Männer, die ihren Beruf aufgeben wollten – auch angesichts der mafiösen Geschäftemacher, die die Flüchtlinge auspressten. „Das ist eine richtige Wertschöpfungskette, an der korrupte Polizisten genauso wie Fischer und Schlepper beteiligt sind.“ Zur Deutschen Seemannsmission gehört ein weltweites Netz mit jeweils 16 Stationen im In- und Ausland. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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