EU-Verteilungsschlüssel in der Kritik
Deutschland und Frankreich wollen EU-Flüchtlingsquote drücken
Als Reaktion auf hunderte Tote auf dem Mittelmeer beschloss die EU einen neuen Verteilungsschlüssel. Danach sollen Flüchtlinge gerechter innerhalb der EU-verteilt werden. Deutschland und Frankreich beschweren sich nun. Grüne und Linke kritisieren die Innenminister beider Länder.
Mittwoch, 03.06.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 09.06.2015, 16:32 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Deutschland und Frankreich wollen weniger Flüchtlinge aufnehmen, als im derzeit geplanten EU-Verteilschlüssel für schutzsuchende Menschen vorgesehen ist. Nötig sei ein „abgestimmter und gerechter“ Schlüssel, begründeten Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein französischer Amtskollege Bernard Cazeneuve am Montag in einer gemeinsamen Erklärung ihren Standpunkt. Die Minister verlangen unter anderem, dass das EU-System stärker berücksichtigen solle, wieviele Flüchtlinge ein Land bereits aufgenommen habe.
Die EU-Kommission in Brüssel hatte in der vergangenen Woche Vorschläge für eine Umverteilung gemacht, um die Außengrenzländer Italien und Griechenland zu entlasten. Zunächst möchte die Kommission 40.000 Syrer und Eritreer auf Europa verteilen. Deutschland soll laut dem Verteilschlüssel rund 22 Prozent, Frankreich rund 17 Prozent der Menschen aufnehmen. Die Zahl der schon in den Ländern lebenden Flüchtlinge hat die EU-Kommission bei der Berechnung der einzelnen Beiträge zwar berücksichtigt, aber nicht sehr stark gewichtet. Ein größeres Gewicht kommt der Wirtschaftsleistung und der Bevölkerungsgröße eines Landes zu.
Zeitlich befristete Ausnahme
Die beiden Minister betonten auch, dass das geplante Verteilverfahren „zeitlich befristet und eine Ausnahme bleiben“ solle. Bisher enthalte der Kommissionsvorschlag noch „kein ausgewogenes Verhältnis“ zwischen Solidarität und Verantwortung, kritisierten die Ressortchefs. Sie verlangten, dass die Außengrenzländer ihrer Pflicht zur Grenzüberwachung noch stärker nachkommen sollten.
Unter anderem sollten ankommende Migranten in „Wartezentren oder Hotspots“ nahe der Ankunftsorte gebracht werden. Dort sollten die Menschen „zügig erfasst, überprüft und in das richtige Verfahren überführt werden“. Einige Asylsuchende sollten dann auf andere Länder verteilt, irreguläre Migranten ohne Anspruch auf Schutz hingegen schnell abgeschoben werden, schrieben de Maizière und Cazeneuve.
Linke kritisiert Abschreckung und Abschottung
Bei der Opposition stößt das Schreiben des deutschen und französischen Innenministers auf Kritik. Die innenpolitische Sprechering der Linksfraktion, Ulla Jelpke: „Die Krokodilstränen über Hunderte im Mittelmeer ertrunkene Flüchtlinge sind kaum getrocknet, da schlägt Bundesinnenminister Thomas de Maizère schon in die Kerbe der Abschreckung“. Jetzt gingen die Innenminister wieder zur Tagesordnung über und das heiße vor allem Abschottung und Abschiebung.
Noch im April 2015 hatte de Maizière in einer Bundestagsdebatte davon gesprochen, dass Europa sich nicht abschotten und man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen dürfe. „Genau das scheint jetzt aber zu geschehen. Die Innenminister wollen ‚hartnäckig‘ am Dublin-System festhalten“, so Jelkpe weiter. Die Linkspolitikerin befürchtet, dass eine quotenmäßige Verteilung nur als zeitlich begrenzte Ausnahme zur Entlastung der Hauptaufnahmeländer geben wird. Längerfristig wolle man die Schutzsuchenden aber in Hotspots auffangen und dort mit Hilfe eines schnellen Abfertigungssystems in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge sortieren.
Grüne: zynisch und humanitär unverantwortlich
Luise Amtsberg, Sprecherin für Flüchtlingspolitik bei den Grünen, wirft de Maizière vor, „eine Chance vertan“ zu haben. „Er hätte seine Amtskollegen davon überzeugen können, wie notwendig mehr europäische Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist.“ Stattdessen hätten der deutsche und französische Innenminister eine „klare als Absage an das von der EU-Kommission vorgeschlagene Umsiedlungsprogramm von Flüchtlingen aus Italien und Griechenland“ abgegeben.
„Warte- und Abschiebezentren vor Ort ist nicht nur absolut zynisch, sondern angesichts der mangelnden Aufnahme- und Versorgungskapazitäten für ankommende Flüchtlinge in Sizilien oder auf den griechischen Inseln auch humanitär unverantwortlich“, so Amtsberg. (epd/mig) Leitartikel Politik
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