Griechenland Referendum
Quo Vadis – the last und the next exit
Heute stimmen rund zehn Millionen Griechen ab, ob sie die strengen Sparauflagen der EU akzeptieren oder ablehnen. Was ein "Nein" oder ein "Ja" bedeuten und welche Folgen sie haben werden, erklärt Wolf Wetzel.
Von Wolf Wetzel Sonntag, 05.07.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.07.2015, 16:46 Uhr Lesedauer: 7 Minuten |
Auch wenn das Personal der Troika seit langem und jetzt noch einmal geballt in fast jeder Talkshow, in jedem Interview das Gegenteil behauptet. Es weiß es besser. Griechenland ist nicht in die Eurozone eingegliedert worden, weil es die ›Kritierien‹ erfüllt hat, sondern weil geostrategische Überlegungen eine viel bedeutsamere Rolle spielten, als finanzpolitische Kriterien, an die man sich nur optional hält.
Die dem Beitritt zugrunde liegenden Voraussetzungen, die ›Maastricht‹- Kriterien, haben zu aller erst jene gebrochen, die heute mit Rehaugen und Stiernacken auf die Einhaltung von Verträgen pochen: Die deutsche Bundesregierung.
Die Schuldenberge, die sich damit aufgetürmt haben, sind kein Problem für die ›Institutionen‹, wie sie jetzt heißen, sondern ein ideales Erpessungsmittel, egal, welche Regierung in Griechenland an der Macht ist oder dorthin gewählt wird.
Die Schulden sind nicht bedauerlich, sondern gewollt. Denn die Bedingungen, die an ihre Rückzahlung gestellt werden, sich die eigentliche Regierung des Schuldnerlandes und machen jede Wahl obsolet.
Deshalb ist das Argument, Griechenland könne niemals die 380 Milliarden Euro Schulden zurückzahlen, ein hilfloses Argument. Gerade die Unfähigkeit, die Schulden zurückzuzahlen, zwingt jede Regierung in Geiselhaft. Und diese gilt erst recht für eine Regierung, die sich nicht bedingungslos der Troika unterstellt.
Von den ›Hilfspakten‹, die man als Rettungspakte ausgibt, haben ›die Griechen‹ so gut wie nichts. Über 85 Prozent der ›Hilfsleistungen‹ sehen keinen einzigen Tag die Sonne Griechenlands, sondern wandern in die Portfolios der Gläubiger (Banken, EZB, IWF etc.)
Die Behauptung, die Troika würde Wahlen und Referenden respektieren, ist richtig – wenn die zur Wahl Gerufenen richtig wählen.
Sobald jedoch die Gefahr besteht, dass sie falsch wählen, hört der Wahlspass auf. Als 2011 der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Papandreou ein Referendum abhalten wollte, das die Verarmungsdiktate zur Abstimmung stellen sollte, machte man dem Parteifreund deutlich, dass er von Demokratie eine irre Vorstellung habe. Er verstand und zog das Referendum zurück … und akzeptierte alle Bedingungen. Diese offene Intervention hinterließ jedoch unschöne Spuren.
Diese vermeidet man heute, angesichts des bevorstehenden Referendums am 5. Juli 2015. Stattdessen probt die Troika Lebensbedingungen, die folgen würden, wenn die Menschen in ihrer Mehrheit ›Nein‹ zum letzten ›Vorschlag‹ sagen würden: Man stellt die Beatmungsgeräte ab, indem man das Land geldpolitisch einen Erstickungstod erleiden läßt. Man will auf diese Weise einmal mehr unter Beweis stellen, dass Entscheidungen nicht an der Wahlurne getroffen werden, sondern an den Kapitalmärkten.
»Syriza muss fallen!« (Hans-Ulrich Jörges, Chefredakteur des Magazin Stern)
Hatte man bislang in Lehrerjargon von ›Hausaufgaben‹ gesprochen, die die griechische Regierung nicht gemacht habe, so geht man jetzt zunehmend zur rassistischen Hetze über, die mitttlerweile im Ton und Inhalt neonazistischer Kameradschaften gleicht:
»Tsipras‘ Regierung wird wahlweise als ›unverschämt‹ (FAZ), ›frech‹ (FAZ) oder ›pervers‹ (Stern.de vom 2.7.2015) bezeichnet. Die Wirtschaftspresse geht mittlerweile zu rassistisch konnotierten Klischees über und beschimpft Alexis Tsipras als ›Teppichhändler‹ (Handelsblatt.de vom 1.7.2015). Offen rassistische Anklänge sind in dem Springer-Blatt ›Die Welt‹ zu lesen, wo es heißt, ›bei den Griechen der Neuzeit‹ handele es sich weniger um Nachfahren des historischen Hellas als ›um eine Mischung aus Slawen, Byzantinern und Albanern‹ (Griechenland zerstörte schon einmal Europas Ordnung, www.welt.de 11.06.2015).« (german-foreign-policy.com vom 3.7.2015)
Zwischen nai und oxi
Die gegenwärtige Syriza-Regierung ruft im anstehenden Referendum dazu auf, mit ›Nein‹ zu stimmen, um mit einem stärkeren Mandat in die nächsten Schulden-Verhandlungen zu gehen.
Genau dies wird so nicht passieren, denn das würde vorausetzen, dass der Wille der griechischen WählerInnen etwas zählen/verändern würde. Dass genau dies nicht der Fall ist, hat man bereits zur Genüge demonstriert. Syriza ist 2015 mit 36 Prozent der abgegebenen Stimmen in Griechenland an die Macht gewählt worden, um das bisherige Verarmungsprogramm der Troika zu beenden. Tatsächlich schert sich die Troika nicht um eine neue, andere Regierung, sondern besteht (im wesentlichen) darauf, dass das umsetzt wird, was sie mit den christdemokratischen und sozialdemokratischen (Vorgänger-)Regierungen zuvor vereinbart hatte. Also so, als hätte Griechenland gar nicht (anders) gewählt.
Warum sollte sich die Troika von einem Referendum beeindrucken lassen? Leitartikel Meinung Wirtschaft
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