Im Gefühlschaos
Griechen in Deutschland sorgen sich um ihre Familien in der Heimat
Rund 400.000 Deutsch-Griechen leben in Deutschland und verfolgen die Ereignissen rund um Ihre Heimat hautnah. Vorurteile wie "die faulen Griechen" in Deutschland machen ihnen genauso Sorgen wie die ungewisse Situation ihrer Verwandten in Griechenland.
Von Miriam Bunjes Dienstag, 14.07.2015, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 15.07.2015, 16:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Wenn Kostas Dimitriou in zwei Tagen in die Sommerferien Richtung Griechenland aufbricht, nimmt er viel Bargeld mit – und „noch sehr viel mehr Sorgen um die Zukunft Griechenlands“. Die meisten Griechen in Deutschland hätten beim Referendum am Sonntag mit „Ja“ gestimmt, ist sich der Präsident des Verbandes griechischer Gemeinden in Deutschland sicher. „Ja“ für Hilfe zu den Bedingungen der Europäischen Union. „Ja“, weil sie glauben, dass die soziale Lage in Griechenland sonst noch schlimmer wird. Rund 60.000 Deutsch-Griechen sind in den knapp 150 Gemeinden im ganzen Bundesgebiet organisiert.
„Vor allem die Jugend in Griechenland sieht das aber ganz anders, deshalb haben vor allem sie mit Nein gestimmt“, sagt Dimitriou. „Wir haben nichts mehr zu verlieren – so wird die Lage von der jungen Generation gesehen, sie sind verzweifelt und das ist für ein Land am Scheidepunkt ganz fatal.“
Diese Stimmung bekommt der Kölner Informatiker täglich zu spüren, wenn er mit Verwandten und Freunden in Griechenland spricht. Auch in seiner Familie sind viele der Jüngeren arbeitslos. „Weil es in Griechenland ja keine Sozialhilfe gibt, leben ganze Familien von der Rente der Älteren.“ Viele Griechen seien der Ansicht, dass die EU diese letzten Reserven jetzt auch noch aus der Bevölkerung pressen wolle.
Diese Stimmung erleben die rund 400.000 Deutsch-Griechen hautnah – von zwei Seiten. Sprüche über „die faulen Griechen“ und „das Volk der Rentner“ begegnen vielen Deutsch-Griechen im Alltag. „Das verletzt“, sagt Dimitriou. „Wenn man in der Heimat arbeitslose Verwandte hat, die von der Rente des Opas kaum überleben können, kann man da auch nur schwer drüber hinwegsehen.“ Auf der anderen Seite sähen Deutsch-Griechen viele politischen Entscheidung in Griechenland kritischer als die Griechen zu Hause.
Kritisch sieht auch Anastasios Eleftheriadis vom Vorstand der Vereinigung Deutsch-griechischer Gesellschaften die griechische Politik. Das Ergebnis des Referendums hatte er aber erwartet: „Ich kannte ja die Stimmung in Griechenland“, sagt der Wirtschaftsprüfer aus Hannover. „Man fühlt sich gegängelt, vor allem von Deutschland.“
Eleftheriadis sieht viele politische Fehler: „Vor allem hätte es viel früher Kapitalverkehrskontrollen geben müssen. Reiche Griechen haben ihr Geld schon lange ins Ausland gebracht und jetzt fehlt es“, sagt der Ökonom. Vor allem die Bevölkerung in den Großstädten leide darunter. „Auf dem Land ist es auch ohne Geld eher möglich, an Essen zu kommen.“ Vor allem im Winter werde es schwer, wenn das Land wirklich aus dem Euro aussteige: „An der Ölbörse in Rotterdam wird in Dollar gehandelt, mit Drachmen geht man dort unter und dann friert die Bevölkerung.“ Die Verantwortung dafür sehe Griechenland zu wenig bei sich selbst, „darüber streite ich mich ständig mit Griechen in Griechenland“, sagt Eleftheriadis.
In solchen Diskussionen zwischen Deutschen, Griechen und Deutsch-Griechen sieht Dimitrios Zachos, Betreiber der deutsch-griechischen Internet-Plattform Ellasnet, viel Gutes. „Diese verschiedenen Perspektiven helfen beim Finden einer europäischen Lösung, um die es schließlich allen geht“, sagt der Reiseveranstalter aus Bochum. Stornierungen von Griechenlandurlauben habe er trotz der aktuellen Ereignisse nicht gehabt. Auch daran werde deutlich, dass sich Deutsche und Griechen trotz Krise noch verstünden. Er selbst glaubt, dass die Verhandlungen ohne den zurückgetretenen Finanzminister Yanis Varoufakis mehr Erfolg haben – „und Griechenland im Euro bleiben kann“. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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