Bundeskabinett billigt Gesetz
Minderjährige Flüchtlinge sollen verteilt werden
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge unter 18 Jahren sollen ab 2016 auf die Bundesländer verteilt werden. Das entsprechende Gesetz wurde vom Bundeskabinett gebilligt. Unumstritten sind das Gesetz aber nicht.
Von Corinna Buschow Donnerstag, 16.07.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 20.07.2015, 20:28 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In München gibt es kaum noch Platz für minderjährige Flüchtlinge. Andreas Dexheimer von der Diakonie schildert die Überforderung der Stadt in Zahlen: 2013 wurden in München 550 Minderjährige betreut, die unbegleitet nach Deutschland kamen. 2014 waren es gut 2.500, für dieses Jahr rechnen Behörden und Wohlfahrtsträger mit bis zu 10.000. Es fehlen Immobilien, Pädagogen, Schulplätze, Dolmetscher. Es gebe keine realistische Chance, die jungen Flüchtlinge noch den Standards entsprechend zu versorgen, sagte der Sozialpädagoge. Ein am Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachtes Gesetz soll Abhilfe schaffen.
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden anders als Erwachsene bislang nicht nach einem bestimmten Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Sie werden dort in Obhut genommen, wo sie ankommen, um den oftmals traumatisierten Kindern und Jugendlichen ein weiteres Herumreichen zu ersparen. Seit dem Anstieg der Flüchtlingszahlen kommen aber inzwischen sehr viele in wenigen Städten an. Betroffen sind vor allem Grenzregionen in Süddeutschland und große Zug-Drehkreuze wie Hamburg und Dortmund.
Das Gesetz von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sieht nun eine Aufnahmepflicht für minderjährige Flüchtlinge für alle Bundesländer vor. In jedem Land sollen sich Kommunen auf die Aufnahme der jungen Asylbewerber vorbereiten. Wie viele Jugendämter sich jeweils zuständig fühlen und Flüchtlinge aufnehmen, entscheiden die Länder selbst.
Die zahlenmäßige Verteilung soll an den Königsteiner Schlüssel angelehnt werden, der Grundlage für die Verteilung erwachsener Flüchtlinge ist. Laut Schwesig ist er aber nicht einziger Maßstab. Entschieden werden soll im Einzelfall. Unterstützt werden die Kommunen beim Aufbau der Strukturen durch das mit 12 Millionen Euro ausgestattete Bundesprogramm „Willkommen bei Freunden“.
Das Gesetz mit der Aufnahmepflicht aller Länder soll nach den noch anstehenden Beratungen in Bundestag und Bundesrat am 1. Januar 2016 inkraft treten. Bis dahin soll es aber über eine Übergangslösung bereits möglich sein, Flüchtlinge je nach Kapazitäten auf freiwilliger Basis anders zu verteilen.
Zahlen des Ministeriums zufolge lebten Ende 2014 knapp 18.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Deutschland. Ende Mai dieses Jahres waren es bereits mehr als 22.000. Die Mehrzahl der Minderjährigen sind Jungs und zwischen 16 und 18 Jahren alt.
Das neue Gesetz setzt zudem das Alter, nach dem Flüchtlinge als handlungsfähig gelten auf 18 Jahre herauf. Bislang galten auch 16- und 17-Jährige nach dem Asylverfahrensgesetz als Erwachsene. Sie wurden daher auch in den großen Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht, was künftig nicht mehr der Fall sein soll. Außerdem stellt das Gesetz klar, dass junge Flüchtlinge Zugang zu den Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe, also beispielsweise Kita, Hort oder Sportangeboten haben.
Die Caritas begrüßte den Gesetzentwurf. Präsident Peter Neher lobte vor allem die im Gesetz vorgeschriebene schnelle Entscheidung für einen Ortswechsel, der nach spätestens 14 Tagen erfolgen muss. Die jungen Menschen lebten so nicht mehr monatelang in Ungewissheit.
Die Opposition im Bundestag äußerte sich skeptischer. Die Grünen-Politikerinnen Beate Walter-Rosenheimer und Luise Amtsberg halten die kurze Frist zur Entscheidung über einen möglichen anderen Ort für „illusorisch“. Eine Klärung des individuellen Bedarfs sei da nicht möglich. Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke kritisierte, dass im Gesetz verbindliche Standards für eine Alterseinschätzung der Jugendlichen fehlten. Untersuchungen des Intimbereiches zur Altersbestimmung seien damit weiter möglich. Schwesig zufolge wird diese umstrittene Praxis noch in Berlin und Hamburg angewandt. (epd/mig) Aktuell Politik
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