Kuhhandel?
Debatte um Einwanderungsgesetz und sichere Herkunftsstaaten geht weiter
Die Debatte um ein neues Einwanderungsgesetzt läuft auf Hochtouren. Die SPD will es, notfalls im Tausch gegen weitere "sichere Herkunftsstaaten", die Union ist gespalten und die Opposition gegen Vereinbarungen auf dem Rücken von Flüchtlingen.
Donnerstag, 30.07.2015, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 30.07.2015, 17:09 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Pläne für ein Einwanderungsgesetz sind in der Union nach wie vor umstritten. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin: „Ich sehe keinen Bedarf an neuen rechtlichen Regelungen.“ Kritisch äußerte sich auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl. Vor wenigen Tagen hatte die CDU ein Einlenken beim Thema Einwanderungsgesetz erkennen lassen.
Der CDU-Bundesvorstand soll Mitte September einen Antrag für den Parteitag im Dezember beschließen, der die Forderung nach einer gesetzlichen Regelung der Zuwanderung enthält. Medienberichten zufolge unterstützt auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Pläne, die sich auf eine Arbeitsgruppe unter Leitung des nordrhein-westfälischen CDU-Chefs Armin Laschet stützen.
Laschet für, Hasselfeldt gegen Einwanderungsgesetz
Laschet bekräftigte am Mittwoch, Deutschland brauche ein Einwanderungsgesetz. Die bestehenden Vorschriften seien zu kompliziert und wirkten auf qualifizierte Menschen nicht gerade einladend, sagte er der Rheinischen Post in Düsseldorf. Deswegen sei ein „Einwanderungsgesetz aus einem Guss“ notwendig. Mit dem neuen Gesetz sollte zudem flexibel auf den Arbeitsmarkt reagiert werden. Bisher seien vor allem Ingenieure gesucht worden, heute drohten Pflegekräfte knapp zu werden, sagte der Landesparteichef.
Die CSU-Politikerin Hasselfeldt sieht indes keine Notwendigkeit für ein Einwanderungsgesetz. Es gehe darum, besser über bereits bestehende Vorschriften bei der Zuwanderung zu informieren, betonte sie. Um den Fachkräftemangel zu beheben, gebe es bereits heute Ausnahmeregelungen. Die Wirtschaft, die Fachkräfte benötigt, müsse im Ausland mehr Werbung für ihre Arbeitsplätze machen.
SPD für Deal, Linke dagegen
SPD-Parteivize Torsten Schäfer-Gümbel hatte das Einwanderungsgesetz zuletzt politisch verknüpft mit einer Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsländer für Asylbewerber. Einen solchen Handel lehnte der stellvertretende CDU-Parteichef Thomas Strobl ab. Es sei zwar gut, dass der Koalitionspartner über die Einstufung weiterer Balkan-Staaten als sichere Herkunftsländer sprechen wolle, sagte Strobl der Saarbrücker Zeitung. Nicht gut sei aber, dass die SPD zwingend notwendige Änderungen des Asylrechts an Bedingungen knüpfe und sich damit einer vernünftigen Asylpolitik verweigere.
Kritik erntet der SPD-Vorstoß auch von Seiten der Opposition, jedoch aus einem anderen Grund. Linke-Innenpolitikerin Jelpke bezeichnet den SPD-Vorschlag als einen „Kuhhandel“ auf „dem Rücken der Flüchtlinge“. Mit vernünftiger Asylpolitik habe das nichts zu tun. Während ein Einwanderungsgesetz für Asylsuchende so gut wie keine Vorteile brächte, würde die Einstufung weiterer Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsländer den von dort stammenden Flüchtlingen de facto das Recht auf Asyl in Deutschland nehmen. „Das Einwanderungsgesetz soll qualifizierte Fachkräfte auf den Arbeitsmarkt bringen und das deutsche Wirtschafts- und Rentensystem stärken. Dies als Chance oder Verbesserung für Flüchtlinge und Asylsuchende verkaufen zu wollen, ist reine Augenwischerei“, so Jelpke.
Schlüssel im Bundesrat: Die Grünen
Auch die Grünen lehnen es ab, weitere Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer einzustufen. Die Bereitschaft des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) stieß innerhalb der Partei jedenfalls auf Widerstand. Der rheinland-pfälzische Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler sagte der Tageszeitung Die Welt: „Wir lehnen das Konstrukt ’sichere Herkunftsstaaten‘ als diskriminierend ab“. Das Asylrecht sei ein individuelles Menschenrecht und dieses Grundrecht könne nicht einfach für ganze Gruppen abgeschafft werden. Ähnlich äußerten sich auch andere Spitzenpolitiker der Grünen, etwa in Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Wegen der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und einer durchgängigen Ablehnung in der Linkspartei müsste zusätzlich zu Baden-Württemberg mindestens ein weiteres großes Bundesland mit Regierungsbeteiligung der Grünen der Änderung zustimmen.
Im vergangenen Jahr waren im Zuge des sogenannten Asylkompromisses, der maßgeblich von Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann ausgehandelt wurde, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien zu sicheren Herkunftsländern erklärt worden. Diese Einstufung soll ein verkürztes Asylverfahren und eine schnellere Abschiebung ermöglichen. Asyl-Anträge von Menschen aus Balkanländern haben Regierungsangaben zufolge in Deutschland in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. In anderen europäischen Ländern wie Frankreich liegt deren Anerkennungsquote jedoch um ein vielfaches höher. (epd/mig) Aktuell Politik
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