Kopftuchverbot bleibt
Weiter keine religiösen Symbole in Berliner Behörden
Berlin hält am Kopftuchverbot fest. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach generelle Verbote gegen die Religionsfreiheit verstoßen, tangiere das Berliner Neutralitätsgesetz nicht. Kritik kommt von den Muslimen.
Donnerstag, 29.10.2015, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 29.10.2015, 16:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Lehrer, Polizisten und Juristen in Berlin dürfen auch in Zukunft keine religiösen Symbole tragen. Der Senat der Hauptstadt billigte am Dienstag eine entsprechende Entscheidung von Innensenator Frank Henkel (CDU), das Berliner Neutralitätsgesetz nicht zu ändern, wie die Senatsverwaltung mitteilte. Das Gesetz untersagt den Angaben zufolge das Tragen religiöser und weltanschaulicher Symbole unter anderem in Polizei und Rechtspflege sowie an öffentlichen Schulen. Grund dafür ist laut Gesetz die „abstrakte Gefährdung“ der staatlichen Neutralität beziehungsweise des Schulfriedens.
Henkel sagte, die Regelung habe sich bewährt. Es sei politisch erstrebenswert und juristisch vertretbar, daran festzuhalten. Eine Änderung des Gesetzes sei nicht zwingend erforderlich. Henkel hatte das Neutralitätsgesetz nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März einer Prüfung unterzogen. Die Karlsruher Richter hatten nach einer Klage zweier muslimischer Pädagoginnen aus Nordrhein-Westfalen entschieden, dass ein generelles Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen gegen die Religionsfreiheit verstößt.
Der Arbeitskreis Muslime in der SPD ist überzeugt, dass die Berliner Regelung dieser Rechtsprechung nicht entspricht. Sie kritisierte die Entscheidung des Senats und auch die SPD, sich für das Fortbestehen des Neutralitätsgesetzes zu entscheiden. In einem offenen Brief schreiben sie: „Wir sind eine plurale Gesellschaft, und wenn Frauen mit Kopftuch in der Schule nur putzen, aber nicht unterrichten dürfen“, sende man damit auch eine Aussage an die Kinder. Neutralität sehe anders aus: „Neutralität bedeutet, die Vielfalt unserer Gesellschaft als Normalität zu begreifen und überall zuzulassen und nicht Menschen auszugrenzen und sie mit Berufsverbot zu belegen“, so die Muslime in der SPD.
Kritik erntet die Entscheidung auch vom Islamrat. „Das Bundesverfassungsgericht hat klar entschieden, dass pauschale Verbote von religiösen Symbolen in Schulen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Das Neutralitätsgesetz in Berlin widerspricht eindeutig diesem Grundsatz“, so Islamratsvorsitzender Burhan Kesici. Auch das Verbot religiöser Symbolik sei im Ergebnis parteiisch. Hier werde „eine falsche Neutralität vorgegaukelt“. Gleichzeitig werde die „gelebte Vielfalt in Deutschland behindert“. (epd/mig) Aktuell Politik
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Kopftuchverbote mit einer angeblich zu wahrenden Neutralität zu begründen, ist Zynismus, da der Staat selbst nicht die ihm gebotene Neutralität wahrt, sondern sich in vielfältiger Weise in die inneren Angelegenheiten der Muslime einmischt, wie bspw. die Förderung von Lehrkräften einer bestimmten islamischen Richtung zur Ausbildung von Religionslehrern oder die Rolle der Bundeszentrale für Politische Bildung als Propagandaministerium, die in den von ihr herausgegebenen Schriften den Muslimen vorzuschreiben sucht, wie sie ihre eigene Religion zu verstehen haben, und der sogar die Verbreitung islamfeindlicher Literatur zum Vorwurf gemacht wird. Eigentlich ist der Staat selbst als solcher neutral, nur sind es die Personen nicht, die ihn in den verschiedensten Bereichen vertreten, was sich im Grund niemals ganz vermeiden läßt. So übt auch die in die Mitte der Gesellschaft vorgedrungene Islamfeindlichkeit bei nicht wenigen Vertretern des Staates unterschwellig ihre Wirkung aus. Sich an angeblichen „Symbolen“ anstatt der tatsächlichen Einstellung der Staatsvertreter zu orientieren, ist daher als ungerecht anzusehen.
Beim Berliner Neutralitätsgesetz handelt sich überhaupt nicht um ein spezielles Kopftuchverbot, sondern um ein ganz generelles Neutraliätsgebot, das alle Religionen und Weltanschauungen in völlig gleichem Ausmaß betrifft. Dieses Gesetz ist daher nicht diskriminierend, sondern im Gegenteil sehr fair. Zurückhaltung mit dem aufälligen Sichtbarbarmachen der eigenen Gesinnung ist gerade im öffentlichen Dienst für alle angebracht und neben der zu wahrenden Neutraliät des Staats auch Ausdruck des Respekts gegenüber Andersdenkenden. In Frankreich gilt dieses Neutralitäsprinzip in öffentlichen Schulen schon seit 2004 für Lehrer und Schüler. Es hat sich bewährt und wurde vom Europäischen Gerichtshof als völlig menschenrechskonform bewerten.
Es ist sehr wohl diskriminierend. Denn es kommt als allgemeines Gesetz daher, betrifft aber nur muslimische Frauen, die Kopftuch aus eigenem Pflichtgefühl tragen. Eine ähnliche Bekleidungsvorschrift gibt es in keiner anderen Religion. Die Kippa hingegen ist keine Vorschrift im Alltag, genauso wenig wie ein Kreuz zu tragen. Dennoch kenne ich viele Lehrerinnen, die ein Kreuz als Schmuckanhänger tragen, aber deshalb kaum gekündigt oder abgemahnt werden. Ebenso wie ich an einer öffentlichen Schule eine Nonne als Religionslehrerin hatte mit „Kopftuch“. Kein Problem!
Aber eine muslimische Frau mit Kopftuch gefährdet angeblich den Schulfrieden. Ich frage mich, wie man in diesem Land Inklusion umsetzen will, wenn man immer noch in Mehr- und Minderheiten-Kultur denkt, statt Diversity anzuerkennen und wertzuschätzen.
@all-are-equal sagt „Beim Berliner Neutralitätsgesetz handelt sich überhaupt nicht um ein spezielles Kopftuchverbot,…“
Oh doch, leider schon. Die „Neutralitäts Gesetze“ sind nicht umsonst als lege Kopftuch bekannt. Jedem war klar, dass die Verbote nur Musliminnen gelten sollen. Das würde auch ganz offen gesagt.
Entlarvend ist vor allem, was besagter Herr Henkel damals als CDU Abgeordneter im Berliner Senat von sich gegeben hat, als das Gesetz debattiert wurde:
„Im christlich geprägten Deutschland kann es dabei keine aus der Verfassung abgeleitete Verpflichtung geben, alle Religionen gleich zu behandeln. [sic!!] Eine Privilegierung christlicher Bildungs- und Kulturwerte ist daher aus unserer Sicht zulässig.“ Das kann jeder im Plenarprotokoll selbst nachlesen (15/62 v 20.01.2005, S. 5198). Mit Verlaub, diese Geisteshaltung ist nicht neutral! Abgeordnete sind Vertreter des ganzen Volkes und dazu gehören auch Muslime, sie dürfen keine Politik nach eigenem Gutdünken machen. Während aber diese diskriminierende Politik natürlich mit keinem NeutralitätsG unterbunden werden kann, macht man Neutralität lächerlicher Weise am sichtbaren Stück Stoff fest.
Wenn etwas verfassungsfeindlich ist, dann dieses Gesetz. Herr Henkel sollte mal bitte den Einbürgerungstest absolvieren, bevor er Art 3, 4 und 33 GG sowie Urteile des BVerfG mit Gesetzeskraft mit Füßen tritt!!
Isabell
„Eine ähnliche Bekleidungsvorschrift gibt es in keiner anderen Religion. Die Kippa hingegen ist keine Vorschrift im Alltag, genauso wenig wie ein Kreuz zu tragen.“
Im Koran steht nix von Kopftuch. Es gibt keine solche Vorschrift. Glauben SIe es mir, ich bin Muslim. Und meine Frau trägt kein Kopftuch, ist trotzdem Muslima und sie wird auch nie ein Kopftuch tragen. Seit 45 Jahren lebe ic hier in Deutschland, mir geht diese Kopftuchdebatte die letzten Jahre sowas auf den Senkel. Wenn das so weiter geht, geh ich wieder nach Istanbul. Da ist man nicht so rückständig. Bitte. Danke.
Lieber Freedom, Koran Sure 24 Vers 31 ist eindeutig. Das arabische „khumurihi“ (Plural von khimar) meint bereits begrifflich die weibliche Kopfbedeckung. Ergänzend gibt es diesbezüglich außerdem Aussprüche (Hadithen) des Propheten Muhammad s., die für Muslime genauso verbindlich sind wie der Koran. Hoffe, ein wenig zur Klärung beigetragen zu haben, salam aleikum!
Magistrat, na ja, ich bin Alevit. Wir lesen das anders. Wir sehen das alles auch nicht so eng. Vielleicht deshalb ein Grund, warum wir hier besser klarkommen?
Das mag Ihre persönliche Empfindung sein, die ich nicht teile. Meine Glaubensvorstellungen hängen jedenfalls nicht davon ab, ob sie anderen gefallen. Jeder ist frei, zu glauben was er will: „Euch eure Religion und mir meine Religion.“ (Koran, Sure 109 Vers 6) Man sollte dann nur so ehrlich sein und seine Praktiken auch als seinen persönlichen Glauben deklarieren und nicht über die Botschaft des Korans täuschen.
Ich glaube nicht, dass Sie Magistrat das Auslegungsmonopol auf den Koran besitzen. Man könnte in Ihrem Kommentar nun böswillig lesen, dass ein Alevit ( der bei mir mit vielen positiven Vorurteilen belegt ist) nur deswegen in Deutschland oder der westlichen Welt klar- und ankommt, weil er den falschen Glauben hat.
Wie gesagt, man könnte….