Unfreiwillig freiwillig
Rückkehrberatung für Flüchtlinge
Das junge Paar aus Mazedonien hatte einen Traum: In Deutschland wollten sie es versuchen - dort, wo alle sagen, dass es gut ist. Weit weg von den ärmlichen Verhältnissen zu Hause. Seit März leben sie in einer Gemeinschaftsunterkunft in Frankfurt am Main.
Von Elisa Makowski Dienstag, 10.11.2015, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 15.11.2015, 18:30 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ein paar Monate später sitzen sie in der Rückkehrberatung des Evangelischen Regionalverbandes in Frankfurt. „Schon am ersten Tag nach unserer Ankunft wollten wir wieder zurück. Die Verständigung ist ein großes Problem für uns“, übersetzt eine Dolmetscherin den 29-Jährigen Mann. „Wir sind nicht enttäuscht“, fügt seine Frau (23) hinzu, die ihre kleine vierjährige Tochter auf dem Schoß sitzen hat. „Aber für uns gibt es hier keine Chance.“
Auch weil ihr Asylantrag wahrscheinlich abgelehnt worden wäre – Mazedonien gilt als sicheres Herkunftsland – hat sich das Paar zu einer Rückkehr entschlossen. Bevor die Familie ausreisen darf, müssen viele Formalitäten geklärt werden. Die Rückkehrberatungen organisieren die Ausreise und stellen die Reisekosten.
Rückkehrer werden durch ein spezielles Rückkehrförderprogramm unterstützt, das die Internationale Organisation für Migration im Auftrag des Bundesinnenministeriums und der zuständigen Ministerien der Länder durchführt. Die Regelungen legen unter anderem fest, wer aus welchem Land wie viel finanzielle Unterstützung für die Rückkehr bekommt.
Bund und Länder finanzieren mit bis zu 14,9 Millionen Euro im laufenden Jahr gemeinsam das Rückkehrförderprogramm. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums gehen Bund und Länder von mindestens diesem benötigten Betrag auch 2016 aus. Falls die Nachfrage nach freiwilligen Ausreisen über das Rückkehrförderprogramm steige, würden Bund und Länder über eine Aufstockung der Mittel beraten.
Atiqullah Maywand ist Sozialarbeiter und seit Anfang der 90er Jahre in der Rückkehrberatung in Frankfurt tätig. „Bei den meisten Menschen, die zu uns kommen, sind alle rechtlichen Wege erschöpft“, erklärt der 62-Jährige. Doch immerhin: In diesem Jahr seien es 25 Prozent, die in die Beratung kommen und nicht ausreisen müssten. Die meisten aber sind ausreisepflichtig: Ihr Asylantrag wurde abgelehnt oder die Chance einer Bewilligung ist gering. „Wenn sie mich fragen, kommen die meisten nicht freiwillig zur Beratung“, sagt Maywand. Der Handlungsspielraum, der den Menschen bleibt, sei sehr gering.
Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge reisten von Januar bis einschließlich September dieses Jahres 22.419 Personen im Rahmen des Rückkehrprogramms aus. Die freiwillige Rückkehr hat als „die humanere Alternative Vorrang vor einer zwangsweisen Rückkehr“. Die Alternative zur Rückkehrberatung ist oftmals die Abschiebehaft.
Dennoch werden die Mittel für die Rückkehrer immer geringer. Nur noch wenige Menschen bekommen zusätzlich zum Flugticket eine finanzielle Starthilfe. Je nach Herkunftsland kann das zwischen 300 und 750 Euro pro Erwachsenen sein. Die Familie aus Mazedonien bekommt weder Geld für die Reise noch eine Starthilfe. „Die Liste der Länder wird immer kürzer“, sagt Maywand.
Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat hat eine andere Vorstellung von einer fairen Rückkehr: Ob eine Rückkehr erfolgreich ist, liegt daran, ob sich der Migrant ohne familiäre Unterstützung „finanziell und sozial über Wasser halten kann“ und zwar noch mehrere Monate nach seiner Ankunft im Herkunftsland.
Dünnwald hat sich seit 2007/08 im Rahmen eines Monitorings mit der Rückkehrpraxis in den Kosovo beschäftigt. Eine gute Beratung, sagt Dünnwald, organisiere nicht nur die Ausreise, sondern unterstütze die Rückkehrer zudem, im Herkunftsland eine Arbeit und eine Wohnung zu finden. Auch Dünnwald bestätigt: Die wenigstens Rückkehrer gingen aus freien Stücken. „Freiwillig ist eine Rückkehr nur, wenn es noch Alternativen für den Menschen gibt und der Aufenthalt im Aufnahmeland gesichert ist.“
Auf die Kleinfamilie aus Mazedonien warten schon die Eltern. Der Mann ist sich sicher, dass er bald wieder als Bedienung in einer Pizzeria arbeiten kann. „Das ist die Ausnahme“, sagt Maywand. „Die meisten, die zurückkehren müssen, sind verzweifelt. Sie haben keine Perspektive.“ (epd/mig) Leitartikel Politik
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