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Gefährliche Frauenbilder

Sexuelle Gewalt ist nicht nur in Köln alltäglich

Frauen werden in Deutschland täglich begrapscht, bedrängt und vergewaltigt - und dies auch im öffentlichen Raum. Nicht erst seit der dramatischen Silvesternacht in Köln. Das massive Einkesseln von Frauen ist aber offenbar ein neues Phänomen.

Von Miriam Bunjes Mittwoch, 13.01.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 13.01.2016, 17:25 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Der Schock über die Attacken gegen Frauen wird vielleicht denen helfen, die künftig in Bedrängnis geraten, hofft Irmgard Kopetzky vom Notruf für vergewaltigte Frauen in Köln. „Polizei und Zivilgesellschaft sind jetzt hoffentlich sensibler für solche Taten.“ Denn: „Ein geballtes Vorgehen von vielen Tätern gleichzeitig wie in der Silvesternacht gab es hier zwar noch nie, sexuelle Gewalt ist aber alltäglich – in Köln und auch sonst in Deutschland.“

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Und sie finde auch im öffentlichen Raum statt: in Diskos, auf Partys, in Bus und Bahn. Jetzt gebe es zumindest kurzfristig Aufmerksamkeit dafür. „Dieses Interesse wünschten wir uns auch jährlich zu Karneval“, sagt Kopetzky. Denn der ist auch eine Hochzeit für sexuelle Übergriffe, berichtet sie. Massen von Menschen ziehen dann alkoholisiert durch die Straßen, feiern in Kneipen und auf Partys. „Dabei werden jedes Jahr viele Frauen sexuell belästigt und im schlimmsten Fall auch vergewaltigt“, sagt die Beraterin.

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Häufig hörten die Opfer danach: „Hab dich doch nicht so“. Oder dass sie das Ganze durch ihr Outfit mitverursacht hätten. „Das menschenverachtende Bild der allzeit verfügbaren Frau gibt es in Deutschland schon sehr lange, und es ist in der Werbung allgegenwärtig sichtbar“, sagt Kopetzky. „Es ist nicht erst neu durch Zuwanderung zu uns gekommen.“

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Bestrafung von Sexualdelikten: Nach heutigem Recht ist es nicht selbstverständlich, dass eine sexuelle Handlung gegen den Willen einer Person strafbar ist. Danach reicht für eine Verurteilung des Täters nicht aus, dass das Opfer „nein“ sagt oder weint. Sexuelle Nötigung und Vergewaltigung sind im Strafgesetzbuch in § 177 geregelt. Der Paragraf stellt Bedingungen für eine Verurteilung: Der Täter muss entweder Gewalt angewendet oder damit gedroht haben oder eine schutzlose Lage des Opfers ausgenutzt haben, aus der es sich nicht befreien konnte. Freisprüche werden deshalb immer wieder damit begründet, dass keine Gewalt angewendet wurde oder das Opfer hätte Hilfe holen können. Dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen zufolge werden nur acht Prozent der Angeklagten nach § 177 verurteilt.

So sieht das auch Maike Bublitz vom Frauennotruf München, die vor mehr als zehn Jahren zusammen mit anderen Organisationen die Aktion „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“ ins Leben gerufen hat. Denn: Auch auf dem Oktoberfest in München kommt es jedes Jahr geballt zu sexueller Gewalt gegen Frauen. Etwa zehn Vergewaltigungen werden pro Fest angezeigt. „Die Dunkelziffer ist viel höher“, sagt Bublitz.

Auch das Einkesseln einzelner Frauen von kleineren Männergruppen sei auf den Münchener Wiesn schon vorgekommen. „Die Frauen wurden dann im Schutz der Gruppe begrapscht oder auch unterm Dirndl fotografiert“, erzählt Bublitz. Weil es in den Zelten brechend voll sei, bemerkten andere Besucher die Taten oft nicht. „Die Masse schützt die Täter, trotz Videoüberwachung und Polizeipräsenz.“ Wie zu Silvester und Karneval spiele auch Alkohol eine Rolle. „Er enthemmt“, sagt Bublitz.

Ungefähr 8.000 Vergewaltigungen werden pro Jahr in Deutschland angezeigt, zeigt die Kriminalstatistik. Die Dunkelziffer liege mindestens zehnmal so hoch, sagt Maja Wegener von der Frauenrechtsorganisation Terre des femmes. Verurteilt werden nach einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen nur etwa acht Prozent der Angeklagten.

Meistens spiele sich sexuelle Gewalt in Deutschland zuhause und unter Bekannten ab. Das zeige, wie verankert Sexismus und patriarchale Frauenbilder in der deutschen Gesellschaft seien, sagt Wegener. „Und natürlich spiegelt sich das im öffentlichen Raum wider.“ Die aktuelle Diskussion über die Herkunft der Täter bringe den Opfer nichts. „Frauen müssen von der Gesellschaft vor sexueller Gewalt geschützt werden – unabhängig davon, von wem sie ausgeht.“

Auch Rita Steffes vom Zentrum für Kriminologie und Polizeiforschung im rheinland-pfälzischen Kaisersesch hält nichts von einer Debatte über den Einwanderungshintergrund der Silvester-Täter. „Obwohl die Täter noch ermittelt werden müssen, werden schon Schlussfolgerungen aus ihrem möglichen Aufenthaltsstatus gezogen“, sagt die Kriminologin. Der überwiegende Teil von Sexualstraftätern in Deutschland sei deutsch.

Zu den aktuellen Vorfällen sagt die Kriminologin: „Die Polizei war mit dieser neuartigen Dimension in Köln überfordert. Aber wie nach dem ersten Amoklauf in Deutschland auch wird das neue Phänomen ab sofort in die Planung von Sicherheitskonzepten im öffentlichen Raum einfließen.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft

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