Immigrierte Chefs
Warum machen unsere Politiker so viele Fehler?
Europa ist nun endgültig in einer großen politischen Krise. Wahrscheinlich ist genau dieser Umstand Frau Merkels einzige Chance, ihre Flüchtlingspolitik politisch zu überleben. Von Tobias Busch
Von Tobias Busch Montag, 25.01.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 25.01.2016, 17:21 Uhr Lesedauer: 5 Minuten |
Sie profitiert von einem Zerfall, den sie wesentlich mit verursacht hat, weil alle Angst haben, dass es ohne sie noch schlimmer kommen könnte. Ihre Einladung an die Ukraine, sich Europa anzuschließen, der deutsche Alleingang in Sachen Atomkraft, die ungeschickte Kommunikation in Sachen Griechenland, die Selfies mit den Flüchtlingen, die Reihe ihrer europaschädlichen Aktionen ist lang.
Wieso machen unsere Politiker mit all ihrer Intelligenz und ihren Stäben so viele Fehler? Warum wirkt die Politik so überfordert in der gegenwärtigen Weltlage? Bei der Flüchtlingsthematik, in der Ukraine, in Syrien, bei der Bekämpfung des Terrors?
Fairerweise muss man sagen, dass die Deutschen im Vergleich zu vielen anderen Ländern den großen Vorteil haben, dass sie im Großen und Ganzen ihren gewählten Repräsentanten vertrauen und wohl auch vertrauen können. Das ist nicht selbstverständlich. Viele Italiener sagen, sie könnten sich bei der Wahl nur zwischen linken und rechten Ganoven entscheiden, in China glaubt das Volk a priori gar nichts, was die Regierung verlautbart. Bei uns gibt es reichlich Populisten jeder Spielart, aber dass die Verantwortlichen gezielt die Unwahrheit sagen oder verdeckte unlautere Ziele verfolgen ist eher selten. Also haben wir eigentlich – relativ – gutes Personal. Warum wirkt dann das Ergebnis so dürftig?
Sind unsere Repräsentanten ganz anders als ihr Volk?
„Kann man glauben, dass unser Innenminister die Menschen tatsächlich in gute und nicht gute unterteilt, dass er womöglich glaubt, man müssen nur die „schlechten“ aussondern, um der Integration zum Erfolg zu verhelfen?“
Vielleicht bringt unser politisches System mit seinen sehr speziellen Anforderungen an seine Führungsfiguren, ihr Verhalten und ihre Disziplin einen Menschentypus nach oben, dem einige menschliche Regungen so fremd sind, dass unseren Führern das Verständnis für das eigentlich Offensichtliche fehlt?
Wenn sich Herr De Maizière nach den Vorfällen in Köln mit der Erkenntnis zitieren lässt, es seien eben nicht alle Flüchtlinge gut, muss man doch verzweifeln! Kann man glauben, dass unser Innenminister die Menschen tatsächlich in gute und nicht gute unterteilt, dass er womöglich glaubt, man müssen nur die „schlechten“ aussondern, um der Integration zum Erfolg zu verhelfen? Man möchte dann als nächstes fragen, ob er sich selbst wohl zu den Guten zählt und wenn ja, ob diese Selbsteinschätzung uneingeschränkt gilt.
Kann es sein, dass ein Teil unserer Spitzenpolitiker tatsächlich so viel Willenskraft und Disziplin hat, dass er sich vor Anfechtungen aller Art weitgehend geschützt fühlt? Dass er vielleicht gar nicht weiß, dass viele Menschen – jeglicher Herkunft und Nationalität – schon in günstigen Umständen einen täglichen Kampf mit sich selbst führen, um ihre Wünsche, Begierden, Bequemlichkeiten, Ego-Bedürfnisse und was immer sonst sie in Versuchung führt, im Zaum zu halten und sich einigermaßen „gut“ zu verhalten?
„Wir kennen auch die Nachwirkungen der Nazi Propaganda; wir wissen, dass sich in der betroffenen Generation frühe Prägungen oft ein Leben lang in irgendeiner Form erhalten – gegen alle Aufarbeitung und besseres Wissen.“
Das würde einiges erklären. Nur solche ideal funktionierenden Menschen wären wahrscheinlich in der Lage, monatelang in einem Flüchtlingsheim ohne Aufgabe und Anerkennung friedlich nichts zu tun, dabei motiviert und seelisch gesund zu werden oder zu bleiben; bis sie an der Reihe sind und sich dann im günstigsten Fall auf einen Job freuen dürfen, der ihnen wenig Freude machen wird und allenfalls knapp ihr wirtschaftliches Überleben sichert.
Naivität oder Ignoranz?
Dass diese Überlegung wahr sein könnte, legt dann die fürchterliche Vermutung nahe, dass Frau Merkel tatsächlich und ehrlich überrascht ist, wenn die völlig unvorbereitete Aufnahme Hunderttausender fremder Menschen aller möglichen Kulturen massive Schwierigkeiten mit sich bringt. Vor allem bauen wir die ohnehin in Deutschland wachsende Unterschicht aus, wenn wir nicht gewaltigste Anstrengungen unternehmen, den Menschen mit Startnachteilen wenigstens auf niedrigem Niveau Chancen und Perspektiven zu eröffnen. Wir bräuchten einen Ideenwettbewerb, wie man die Unterschicht verkleinert statt sie massiv zu vergrößern!
Auch die Diskussion um eine Anerkennung der hiesigen Kultur oder Werte ist oft von wenig Realitätssinn geprägt. Um mal den Islam außen vor zu lassen: wer in Kasachstan 20 Jahre lange in dem Bewusstsein aufwächst, dass Homosexualität eine Krankheit ist, wird meist einen Rest von Vorurteil sein Leben lang nicht verlieren – selbst wenn er selbst betroffen ist! Wir kennen auch die Nachwirkungen der Nazi Propaganda; wir wissen, dass sich in der betroffenen Generation frühe Prägungen oft ein Leben lang in irgendeiner Form erhalten – gegen alle Aufarbeitung und besseres Wissen. Maximal können wir erreichen, dass aus anderen Kulturräumen zu uns kommende Menschen die hiesigen Üblichkeiten erlernen und respektieren und dass sie die Gesetze einhalten. Alles, was darüber deutlich hinausgeht, ist Ausnahme oder Illusion! Eine echte Chance besteht bei den nachfolgenden Generationen – aber das kostet sehr viel Einsatz!
„Der Fall der Mauer gibt einen Maßstab dafür, wie schwierig schon die Integration von Deutschen mit abweichender Ausbildung und Erziehung in ein anspruchsvolles Wirtschaftsgebilde ist und wieviel Geld das kostet.“
Man tut sich schwer, die Bundeskanzlerin oder ihre Minister als naiv oder weltfremd zu bezeichnen. Das aber ist der Eindruck, der sich auch vielen Wohlmeinenden seit Wochen und Monaten aufdrängt: Dass wir ein offensichtliches Dilemma nicht zur Kenntnis nehmen. Die Integrationskraft unserer Gesellschaft hängt natürlich wesentlich vom Willen der Bürger ab. Aber zu glauben, dass die Initiative vieler einzelner privater Menschen die Wucht derartig fundamentaler politischer Entscheidungen auf Dauer abfangen könnte, ist absurd.
„Der Markt“ wird dieses Thema ohnehin nicht lösen. Der Fall der Mauer gibt einen Maßstab dafür, wie schwierig schon die Integration von Deutschen mit abweichender Ausbildung und Erziehung in ein anspruchsvolles Wirtschaftsgebilde ist und wieviel Geld das kostet. Man muss die Realitäten zur Kenntnis nehmen, um zu wissen, was man sich zutrauen kann und in schwierigen Situationen die relativ besten Entscheidungen zu treffen. Wenn wir so weitermachen, wie in den letzten Jahren, löst sich der europäische Verbund wieder auf und es gibt einen großen Rückschlag für Sicherheit, Wirtschaft und Wohlstand in Deutschland. Ich bin nicht sicher, wie reif und vernünftig wir mit einer solchen Situation umgehen würden. Aktuell Meinung
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