Das rechte Netz
Soziale Netzwerke setzen Medien und Politik immer stärker unter Druck. Internetnutzer erfüllen, ob freiwillig oder unfreiwillig, immer häufiger die Funktion der Stichwortgeber. Von Said Rezek
Von Said Rezek Dienstag, 26.01.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 27.01.2016, 21:47 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Während die Veröffentlichung eines Leserbriefs in einem Printmedium von der Gnade eines Redakteurs abhängig ist, kann heutzutage jeder, überall und zu jederzeit seine Meinung öffentlich äußern. An die Stelle des Drucks von der Straße ist heute der Druck aus dem Netz gerückt. Es hat sich längst eine kritische Gegenöffentlichkeit in den Internetforen und sozialen Netzwerken gegründet, welche die veröffentlichte Meinung in den etablierten Medien und die Handlungen der Politik zunehmend kritisch hinterfragt.
Das Internet, insbesondere die sozialen Netzwerke erfüllen diese Voraussetzungen, wie kein anderes Medium im Laufe der Geschichte und stellen den Gipfel der sogenannten Medialisierung dar. Solche Verhältnisse versetzen die Verfechter einer kritischen Öffentlichkeit wohl zum höchsten ihrer Gefühle. Es ist an dieser Stelle, jedoch nicht an der Zeit für einen Lobgesang auf die sozialen Netzwerke.
Qualität statt Quantität
Eine alte Lehrerweisheit lautet: Quantität ist nicht gleich Qualität. Das gilt gerade in den Niederungen des Internets. Nicht jeder Erguss eines Bloggers oder die potenzierten Ergüsse vieler, besser bekannt unter dem Namen Shitstorm, sind ein Indiz für eine gesamtgesellschaftliche Bewegung oder einer kritischen inhaltlichen Auseinandersetzung nach besten Wissen und Gewissen.
Theoretisch hat zwar jeder Zugang zum Internet, das bedeutet jedoch längst nicht, dass alle davon Gebrauch machen und sich an einem Diskurs à la Habermas beteiligen. Ein Blick auf die Facebookseiten der Parteien, welche in deutschen Landesparlamenten und im Bundestag vertreten sind, ist sehr aufschlussreich.
Facebook und Twitter sind keine Orakel
AFD (209.000) und NPD (155.000) haben die mit Abstand meisten Follower auf Facebook. Zum Vergleich: die CDU hat 100.000 Facebook-Mitglieder, die CSU 110.000, die SPD 94.000, die Grünen 81.000, die Linke 127.000. Das Netz scheint insofern wesentlich rechter zu sein, als das Wahlvolk. Da kann man wohl nur von Glück sagen, dass die Wahlen nicht auf Facebook durchgeführt werden.
Auf Twitter sieht das Netz wiederum ganz anders aus. Dort liegen die Accounts der AfD (16.000) und NPD (15.000) weit abgeschlagen auf den letzten beiden Plätzen, während die Grünen mit 194.000 die meißten Follower zählen.
Für Facebook und Twitter steht insofern fest, dass sie nicht den Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln. Blogger, Journalisten und Politiker sollten sich über die Eigendynamik sozialer Netwerke stets bewusst sein. Facebook und Twitter sind kein modernes Orakel, aus dem die vermeintlich wahre Stimme des Volkes spricht. Die gute alte Demoskopie ist da viel vertrauenswürdiger. (epd/mig) Aktuell Meinung
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