Zwei Standpunkte
Muss der Pressekodex geändert werden?
Der Presserat berät heute, ob die Richtlinie gegen Diskriminierung überarbeitet werden soll. Es gibt Argumente dafür und dagegen. Michaela Hütig und Elisa Makowski fassen sie zusammen.
Von Michaela Hütig und Elisa Makowski Mittwoch, 09.03.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 10.03.2016, 17:40 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Die Silvesternacht in Köln hat die Debatte entfacht: Dürfen Journalisten verschweigen, woher ein Täter stammt? Der Presserat prüft nun seine Richtlinien. Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserates, und Rolf Seelheim, Chefredakteur der „Nordwest-Zeitung“, haben dazu zwei kontroverse Positionen.
Tillmanns verteidigt den Pressekodex in seiner momentanen Form. Dieser sei eine berufsethische Verpflichtung, keine Handlungsanweisung. „Die Diskriminierungsrichtlinie enthält keine Sprachverbote“, betont der Jurist. Kritiker wie Seelheim fordern dagegen, Ziffer 12.1 zu überarbeiten: „Der Text ist so unscharf formuliert, dass er eher zu Missverständnissen führt, als dass er den Redaktionen bei der Entscheidung hilft.“
Der Deutsche Presserat berät am Mittwoch darüber, ob er seine Richtlinie gegen Diskriminierung überarbeiten muss. Ziffer 12.1 war in den Pressekodex aufgenommen worden, um Minderheiten zu schützen: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“, heißt es.
Kritiker Seelheim befürchtet durch die Richtlinie gegen Diskriminierung eine „Schere im Kopf“, die dazu führe, dass genau das Gegenteil erreicht werde, „nämlich Spekulationen Vorschub zu leisten“. Auch dem Publikum sei das nicht mehr zu vermitteln, erklärt Seelheim: „Das Schlimmste ist doch, wenn Leser, die für ihre Zeitungen und Illustrierten Geld bezahlen, sich im kostenlosen Internet besser informiert fühlen, weil die Presse Ross und Reiter nicht nennt.“
Tillmanns weist den Vorwurf zurück, das Selbstkontrollgremium von Journalisten und Verlegern unterdrücke die Wahrheit. Die konkrete Berichterstattung müsse von jeder Redaktion einzeln abgewogen werden: Ist es für das Verständnis relevant, die Zugehörigkeit zu einer Minderheit zu nennen? Bei Verkehrsunfällen etwa sei dies in aller Regel verzichtbar.
Anders könne es aussehen, wenn ein Ereignis eine politische Dimension gewinne. So hätten die Kölner Vorfälle eine gesellschaftliche Debatte über Integration angestoßen. „Das Thema Flüchtlinge ist einfach da, und natürlich gibt es auch Kriminalität“, sagt Tillmanns.:“Es ist ein Bedürfnis der Gesellschaft zu erfahren, was hier abgeht, um welche Problemlagen es sich handelt und ob es vielleicht Auffälligkeiten bei einzelnen Tätergruppen gibt.“
Seelheim sieht in der Richtlinie des Pressekodex dagegen eine Bevormundung der Leser: Journalisten sollten den Lesern mehr Mündigkeit zutrauen: „Man sollte sie nicht für so dumm halten, dass sie von der Herkunft einzelner Täter auf die Gesinnung einer ganzen Nation schließen.“
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) wiederum spricht sich für den Erhalt des Diskriminierungsverbots im Pressekodex aus. Dieser Diskriminierungsschutz habe sich bewährt, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall am Dienstag. (epd/mig) Aktuell Feuilleton
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