Bürokratie statt Balkanroute
Flüchtlinge in Griechenland suchen nach legalen Wegen nach Deutschland
Am Eingang der Athener Asylbehörde steht ein großer, bärtiger Mann in Jogginghose und Kapuzenjacke. Er hat eine Namensliste in der Hand und lässt nur Flüchtlinge, die einen Termin haben, in den umzäunten Komplex. "Termine gibt es nur über Skype!" ruft der Bärtige immer wieder.
Von Mey Dudin Donnerstag, 24.03.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.03.2016, 0:06 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Einige Dutzend Männer, Frauen und Kinder haben sich versammelt. Sie wollen von Griechenland als Asylbewerber registriert werden. Viele möchten aber nicht in dem Land bleiben, sondern nach Deutschland weiterreisen. Das können sie auf legalem Weg aber nur, wenn sie an einem komplizierten EU-Programm teilnehmen. Es beginnt mit einem Asylantrag in Griechenland.
Egal, was in Brüssel beschlossen wird, die Flüchtlinge, die bereits auf den griechischen Inseln oder auf dem Festland sind, wollen weiter in Richtung Norden. So spricht sich knapp zwei Wochen, nachdem die Grenze hin zur Balkanroute abgeriegelt wurde, allmählich herum, dass die EU ein Umverteilungsprogramm anbietet – und zwar schon seit einem halben Jahr. Darüber könnten 160.000 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf andere Staaten verteilt werden.
Was sich theoretisch gut anhört, funktioniert in der Praxis jedoch kaum: Laut EU-Kommission wurden bis zum Stichtag 15. März gerade einmal 937 Menschen in andere Länder gebracht. Deutschland nahm 57 Menschen auf – 20 aus Italien, 37 aus Griechenland. Als Grund für die „unbefriedigende“ Umsetzung des Programms nennt die EU-Kommission in einem aktuellen Bericht den „Mangel an politischem Willen“ in den Mitgliedsstaaten, die zu lange für eine Antwort brauchten oder schlicht Bewerber ohne triftigen Grund ablehnten.
Die Flüchtlinge in Griechenland hoffen dennoch, dass dieser Weg sie weiterbringt. Die griechischen Behörden stellen seit zwei Wochen eine wachsende Nachfrage fest. Laut EU-Kommission bewarben sich im März bislang täglich 300 Menschen um eine Umsiedlung, im Februar waren es hingegen nur 20 am Tag.
Die Bürokratie kann mit der neuen Situation allerdings nicht Schritt halten. Und die Lage der inzwischen 46.000 in Griechenland gestrandeten Flüchtlinge verschärft sich. Tausende leben in provisorischen Unterkünften ohne ausreichend Waschmöglichkeiten oder sichere Schlafstätten für Frauen und Kinder. Mehr als 10.000 harren noch immer in Idomeni an der griechisch-mazedonischen Grenze aus, in der Hoffnung, dass sich der Übergang doch noch öffnen wird. Am Hafen von Piräus kampieren fast 5.000 Menschen, die meisten in kleinen Zelten rund um eine Lagerhalle, an der ein riesiges Plakat an die Schlacht von Salamis erinnert, bei der die Griechen vor fast 2.500 Jahren die Perser besiegten.
Zwei Reisebusse fahren vor, Flüchtlinge steigen aus, die zuvor in einem Camp außerhalb von Athen waren, jetzt aber auf der Suche nach „Informationen“ sind, wie sie sagen. Am Vortag hatten hier Vertreter des europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen Rede und Antwort gestanden. In diesem Moment aber, ist keiner von ihnen zu sehen.
„Ich habe Angst um meine Kinder“, sagt die Irakerin Buschra, Ärztin, Mutter zweier Söhne und einer Tochter, alleinerziehend. Sie befürchtet, sie könnten Gewalttätern oder Kinderhändlern in die Hände fallen. „Alle hier warnen mich, ich solle sie keine Sekunde aus den Augen lassen.“ Wie viele andere, hofft auch sie auf einen baldigen Termin bei der Asylbehörde. Doch oft scheitert schon der erste Schritt. Mehrere Flüchtlinge wie Helfer erzählen, dass bei der Skype-Hotline nie jemand abnimmt.
Ein Viertel aller in Griechenland wartenden Menschen hat ohnehin keine Chance, auf eine Aufnahme in das begehrte Programm: die Afghanen. Denn berechtigt zur Teilnahme sind nur Bürger jener Staaten, aus denen zuletzt drei von vier Antragsteller in Europa Asyl gewährt bekamen. So haben neben Syrern und Irakern auch Asylbewerber aus dem Golfstaat Bahrain – die es kaum gibt – gute Chancen, Afghanen hingegen nicht. Letztere müssen sogar befürchten, auch in Griechenland als Asylbewerber abgelehnt zu werden. Sie werden sich wohl künftig erneut an Schlepper wenden, um in eines der wohlhabenden Länder Europas zu gelangen. (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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