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Asylverfahren

Beschleunigt und nicht mehr rechtsstaatlich?

Auch nach Inkrafttreten des Asylpakets II reißt die Kritik an den verschärften Regeln nicht ab. Erfahrene Asyl-Juristen befürchten, dass bestimmten Flüchtlingsgruppen in Schnellverfahren der Weg zum Anwalt versperrt wird. Von Corinna Buschow

Von Corinna Buschow Donnerstag, 14.04.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 19.04.2016, 17:59 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Die inzwischen geltenden schärferen Regeln für Asylbewerber stoßen bei hochrangigen Juristen weiter auf Kritik. Man könne den Verdacht haben, dass die Politik „in einigen Punkten doch kontraproduktiv über das Ziel hinausgeschossen ist“, sagte der Richter am Bundesverwaltungsgericht, Uwe Berlit, am Dienstagabend bei einer Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins in Berlin. Berlit fürchtet um die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze in den Schnellverfahren für Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsstaaten. Die neuen Regeln könnten in seinen Augen dazu führen, dass den Flüchtlingen anwaltliche Beratung vorenthalten wird.

Um das Asylpaket II, das am 17. März inkraft getreten ist, hatte die Koalition lange gerungen. Im Mittelpunkt stand dabei der Streit um die Aussetzung des Familiennachzugs. Weitere Verschärfungen wie die Einführung beschleunigter Asylverfahren in speziellen Aufnahmeeinrichtungen und niedrigere Hürden bei der Abschiebung Kranker gerieten dabei aus dem Fokus der Öffentlichkeit.

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Fachjuristen beäugen genau diese Regelungen aber skeptisch. Berlit verglich die Schnellverfahren mit dem seit den 90er Jahren existierenden Flughafenverfahren, bei denen Menschen aus sicheren Drittstaaten im Transitbereich verbleiben müssen, bis ihr Asylantrag geprüft – und in aller Regel abgelehnt wird. Der Bundesrichter sagte, wie das Flughafenverfahren selbst seien die neuen Regelungen nicht grundsätzlich verfassungswidrig. Dennoch machte er auf Unterschiede in der „faktischen Umsetzung“ aufmerksam.

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Anders als an den entsprechenden Flughäfen wiesen die Standorte der neuen speziellen Aufnahmeeinrichtungen nicht die Dichte an Anwälten und zivilgesellschaftlicher Unterstützung auf, sagte er. Bislang gibt es für die Einrichtungen zwei Standorte: Bayreuth und Manching. Neben der Versorgung mit Bundespolizisten und Verwaltungsmitarbeitern müssten auch anwaltliche, ärztliche und zivilgesellschaftliche Strukturen mitgedacht werden, forderte Berlit.

Der Frankfurter Asylanwalt Tim Kliebe unterstellte, mit den Einrichtungen werde eine „Entsolidarisierung mit der Zivilgesellschaft“ verfolgt. Er kritisierte, der Bundestag habe bei der Verabschiedung der neuen Regeln Forderungen nach einem Festlegen von Verfahrensregeln „komplett ignoriert“.

Indirekt machte er bei der Diskussion einen Vorschlag für Verbesserungen. In Frankfurt am Main, dem Hauptstandort für das Flughafenverfahren, gibt es einen Vertrag zwischen dem Bund und dem Anwaltverein, der Rechtsberatung sicherstellen soll. Organisiert über einen Bereitschaftsdienst steht demnach immer ein Jurist zur Verfügung, wenn ein Asylantragsteller anwaltliche Hilfe braucht. Eine enge Zusammenarbeit gibt es zudem mit dem kirchlichen Flüchtlingsdienst.

Der innenpolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), wies die Kritik der Juristen zurück. Für die rechtsanwaltliche Beratung seien an den jeweiligen Standorten Strukturen vorhanden, sagte Mayer. Die Verfahrensrechte würden gewahrt. Dennoch räumte er ein, jede Maßnahme könne verbessert werden.

Der Berliner Bischof Markus Dröge äußerte ebenfalls die Sorge, in schnellen Verfahren könne der notwendige Rechtsschutz eventuell nicht gewährleistet werden. Er verwies auf das Kirchenasyl, bei dem Gemeinden in Härtefällen Schutz gewähren, um eine nochmalige Prüfung des Asylantrags zu erzielen. In der Praxis zeige sich eine hohe Erfolgsquote, sagte Dröge. „Wo Zeit da ist, Beratung und Unterstützer – da schaut man meist genauer hin“, sagte er. (epd/mig) Leitartikel Politik

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