"Ungeheuerliche Anmaßung"
CSU-Generalsekretär Scheuer möchte „eigenen Islam kultivieren“
CSU-Generalsekretär Scheuer fordert ein Islam-Gesetz. Damit möchte er die "Kultuvierung" des Islam. Das stößt beim Integrationsbeauftragten Özoğuz und bei Muslimen auf Kritik. Muslime bräuchten keine Sonderregeln, sondern Gleichbehandlung. Scheuers Vorstoß sei eine "ungeheuerliche Anmaßung".
Donnerstag, 14.04.2016, 8:21 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 14.04.2016, 17:41 Uhr Lesedauer: 4 Minuten |
Die Forderung von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer nach einem Islam-Gesetz, das die Praxis der Finanzierung von Moscheen und Imamen aus dem Ausland beendet, hat ein geteiltes Echo ausgelöst. Die Bundesregierung äußerte sich zurückhaltend. Regierungssprecher Steffen Seibert verwies am Mittwoch in Berlin auf die Deutsche Islamkonferenz, die sich im aktuellen Arbeitsprogramm zum Ziel gesetzt habe, die Beziehungen zwischen Staat und muslimischen Organisationen weiterzuentwickeln. Die Sprecherin des Justizministeriums wollte die Umsetzbarkeit der Forderungen nach einem Islamgesetz auf der Grundlage von Interviewäußerungen nicht kommentieren. Sollte es konkrete Pläne geben, werde das Ministerium sicher eingebunden, sagte sie.
CSU-Generalsekretär Scheuer sagte der Tageszeitung Die Welt: „Wir müssen uns stärker und kritischer mit dem politischen Islam auseinandersetzen, denn er hintertreibt, dass sich Menschen bei uns integrieren. Dazu brauchen wir ein Islam-Gesetz.“ Die Finanzierung von Moscheen oder islamischen Kindergärten aus dem Ausland, etwa aus der Türkei oder aus Saudi-Arabien, müsse beendet werden.
„Alle Imame müssen in Deutschland ausgebildet sein und unsere Grundwerte teilen“, sagte der CSU-Politiker. Es könne nicht sein, dass andere, zum Teil extreme Wertvorstellungen aus dem Ausland importiert würden. Zudem müsse Deutsch die Sprache der Moscheen werden. „Das aufgeklärte Europa muss seinen eigenen Islam kultivieren. Da stehen wir noch am Anfang unserer Bemühungen. Wir müssen da nun endlich durchstarten.“
Özoğuz gegen Islamgesetz
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz (SPD), stellt sich gegen den CSU-Vorstoß für ein Islamgesetz. „Für alle gilt in unserem Land das Grundgesetz. Auch für Kirchen und Religionsgemeinschaften“, sagte Özoguz der Passauer Neuen Presse. Der Islam sei Teil von Deutschland. Die überwältigende Mehrheit der Muslime stehe zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Wenn es Zweifel an der Finanzierung eines islamischen Vereins gebe, müssten die Behörden den Verein überprüfen. Notfalls könne ein Vereinsverbot verhängt werden, fügte die Politikerin hinzu.
Dagegen wurde der Vorstoß Scheuers vom CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach begrüßt. Die Forderung sei richtig, dass Imame, „die bei uns lehren und für die Moscheegemeinen arbeiten, in Deutschland ausgebildet sein müssten“, sagte der Bundestagsabgeordnete der Saarbrücker Zeitung.
Mit einer Ausbildung in Deutschland würden Imame laut Bosbach auch die gesellschaftlichen Verhältnisse besser kennen. Zudem würden auch „keine Lehrinhalte verbreitet werden, die mit den Normen unserer freiheitlich demokratischen Ordnung nicht vereinbar sind“, betonte der CDU-Politiker. Mit der Finanzierung von Moscheen und Moscheegemeinden wollten Länder wie die Türkei oder Saudi-Arabien „von außen politischen Einfluss auf die Arbeit dieser Gemeinden nehmen“. Das sei weder integrationsfördernd noch im Interesse Deutschland, sagte Bosbach.
„Eine Deutsch-Pflicht bei Predigten in Moscheen lehne ich ab“, fügte die Integrationsbeauftragte Özoğuz hinzu. So etwas werde zurecht auch nicht von Gottesdiensten in der Russisch-Orthodoxen Kirche oder in Synagogen verlangt. „Es will ja auch niemand den katholischen Gottesdienst auf Latein verbieten“, sagte Özoğuz . „Es gibt zudem viele Moscheen, die schon heute alternativ auch Predigten auf Deutsch anbieten.“ Es gebe zudem bereits vier Lehrstühle für Islamische Theologie in Deutschland, die Imame ausbilden.
Islamrat: Wollen keine Sonderrechte
Bei Muslimen stoßen die Forderungen Scheuers auf Kritik: „Wir haben in Deutschland ein vorbildliches und bewährtes Religionsverfassungsrecht, das das Verhältnis von Staat und Religion regelt. Ein ‚Islam-Gesetzes‘ brauchen wir nicht“, erklärt Burhan Kesici, Vorsitzender des Islamrates. Die Politik müsse aufhören, „dem Islam eine Sonderrolle unter den Religionen zuzuweisen. „Der Islam braucht weder Sonderrechte noch ein Gesetz, sondern Gleichbehandlung, im Rahmen des bereits bestehenden Religionsverfassungsrechts“, so Kesici weiter.
Der Islam brauche auch keine Kultivierung von Seiten der Politik. Das ist eine „ungeheuerliche Anmaßung und unvereinbar mit unserer Verfassung“. Die Politik habe weder die gesetzliche noch gesellschaftliche Legitimation, Religionen nach ihren Wünschen zu kultuvieren. Das sei nichts anderes als der Versuch, das verfassungsrechtlich verbriefte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften zu untergraben. „Ich rufe Scheuer zur Besonnenheit auf“, so Kesici.
Die Ausbildungen der in Deutschland tätigen Imame sind nach Angaben der Deutschen Islam Konferenz sehr unterschiedlich. Zentren für islamische Theologie gibt es derzeit an den Universitäten Tübingen, Münster, Osnabrück, Frankfurt am Main und Erlangen-Nürnberg. Die Deutsche Islamkonferenz hatte gefordert, neben den etablierten Lehrstühlen für evangelische und katholische Theologie auch islamische Theologie an den Hochschulen zu etablieren, um deutschsprachige Imame und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht auszubilden. (epd/mig) Aktuell Politik
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„Der Islam brauche auch keine Kultivierung von Seiten der Politik. Das ist eine „ungeheuerliche Anmaßung und unvereinbar mit unserer Verfassung“. Die Politik habe weder die gesetzliche noch gesellschaftliche Legitimation, Religionen nach ihren Wünschen zu kultuvieren. Das sei nichts anderes als der Versuch, das verfassungsrechtlich verbriefte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften zu untergraben. „Ich rufe Scheuer zur Besonnenheit auf“, so Kesici.“
Versteht Herr Kesici da nicht etwas falsch? Nur weil Imame an deutschen Universitäten ausgebildet sein müssen, heißt das doch noch nicht, das die Politik den Islam kultiviere. Die Politik schreibt ja nicht vor, was nun an den theologischen Lehrstühlen in Deutschland gelehrt wird. Viel mehr würden doch nur die Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen sich der Islam in Deutschland selbst „kultiviert“.
CSU-Generalsekretär Scheuers Forderung ist tatsächlich eine ungeheuerliche Anmaßung. Wenn er seinen eigenen Islam kultivieren möchte, dann muss er zunächst einmal zum Islam konvertieren, sich dann zum Imam ausbilden lassen und danach seinen Islam in einer eigenen Moschee predigen. Wenn er damit überzeugen kann, werden sich ihm vielleicht die anderen Muslime anschließen. Ein „Islam-Gesetz“ wie in Österreich, das die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland verbietet, dürfte wohl eher die Ausbreitung von inoffiziellen Moscheen, bzw. Gebetsräumen, und von unqualifizierten Predigern fördern. Eine Reformierung kann nur von innen her erfolgen, nicht durch Zwang von außen. Ein solcher Zwang erregt bei den Betroffenen das Gefühl von Missachtung und Erniedrigung und trägt zu deren Radikalisierung bei.
Der Islam hat Europa kultiviert und nun meint allen ernstes ausgerechnet ewig-gestrige CSU, der Frauenrechte bis heute das Bundesverfassungsgericht erst beigebracht werden müssen, die Muslime belehren zu müssen. Kulturimperialismus war gestern, Herr Scheuer. Welcome to 2016! Muslime kennen ihre Religion und das Grundgesetz. Herrn Scheuer ist offenbar beides fremd. Das GG gilt auch in Bayern, liebe CSU!
@Magistrat
@karakal
Na wenn der Islam Europa kultiviert hat, dann ist die Position von Herrn Scheuer der Kultivierung eines europäischen Islams ja vollkommen legitim oder halten Muslime sich für etwas unverbesserlich Besseeres`?
Der Islam in Europa wird aktuell vom IS, Saudi-Arabien und der Türkei kultiviert, warum das keine Einmischen von aussen sein soll, müssen Sie beide mir mal erklären.
Tut mir leid, @Maria, aber Ihr letzter Satz ist einfach nur bodenlos! Dass die Muslime in Europa gerade vom widerlichen Anti-IS mit dem Tode bedroht und als Ungläubige erklärt werden, sollte Ihnen schon bewusst sein. Ihr erster Absatz macht keinen Sinn, weil die Botschaft des Islam nämlich die selbe ist, wie vor 1400 Jahren. Da braucht kein Herr Scheuer daran rumzudoktoren. Überlassen Sie mal lieber die Auslegung der religiösen Vorschriften den Muslimen selbst – so wie es das GG vorschreibt.
@Magistrat
Nur weil Muslime in Europa auch Opfer vom IS (Salafisten) sind, bedeutet das nicht, dass er kein Einfluss auf den hier gelebten Islam hat.
Herr Scheuer wollte übrigens nicht persönlich am Islam rumdoktern, sondern selbstverständlich den Muslimen IN EUROPA die Auslegung ihrer Religion überlassen und nicht mehr irgendwelche politischmotivierten Islamauslegungen aus der Türkei oder Saudi Arabien etc. importieren.
Ich finde diese Position von Herrn Scheuer vollkommen legitim und kann daran nichts schlechtes, bösartiges oder diskriminierendes erkennen.
Warum sollte man sich als Muslim gegen dieses Vorhaben stellen wollen? Mir erschließt sich nicht welche Vorteile Sie von einem türkischen Islam haben…
Liebe Frieda, für Sie mag das ja ganz dolle klingen. Es beißt sich allerdings gewaltig, wenn man einerseits Muslime nicht als Körperschaft des öffentlichen Rechts sich selbst finanzieren läßt und anderseits Ihnen auch jegliche Finanzierung aus dem Ausland verbieten will. Im übrigen scheint Ihnen auch der Grundsatz der Gleichbehandlung der Religionen ein Fremdwort zu sein. Informieren Sie sich mal über Staatsverträge mit jüdischen und christlichen Religionsgemeinschaften, bevor wieder die allgemein bekannte Antipathie gegen den Islam zum Ausdruck gebracht wird.
@Magistrat
Ich habe nichts gegen die Finanzierung von Religionen aus dem Ausland an sich. Mir ist nur die Finanzierung aus dem Ausland ein Dorn im Auge, die gleichzeitig die Integration von hier lebenden Muslimen hintertreibt und politisch beeinflusst. Übrigens auch das perfekte Futter für AfD’ler und legitime Basis für deren Parteiprogramm…
Schauen Sie sich einfach mal ein paar Erdoganauftritte hier in Deutschland an und dann wissen Sie was ich meine.
Hören Sie: schlussendlich tun Sie was Sie wollen, nur kaufe ich Ihnen nicht ab, dass Sie nicht provozieren wollen bzw. Unfrieden in unserer Gesellschaft in Kauf nehmen um ideologische Kämpfe hier austragen zu können. Sie sind nicht für Gleichberechtigung für den Islam, sondern für eine Privilegierung ähnlich der Kirchen. Aus anderen Kommentaren von Ihnen, kann man herauslesen, dass Sie ihren Islam nicht gleichberechtigt neben anderen Weltanschauungen sehen wollen, sonder mindestens eine Stelle darüber.
@Magistrat
Ich habe gerade eine Ellenlange Antwort auf ihren letzten Kommentar geschrieben, aber eigentlich lässt es sich verkürzt auf folgende Fragen reduzieren:
Kommt der Islam (also die Vereine etc.) in Europa (Deutschland) wirklich ihrer Verantwortung unserer gesamten Gesellschaft gegenüber und unseren gemeinsamen Problemen nach? Oder bezieht der Islam sich immer nur auf sich und seine Mitglieder, um Begünstigungen, Privilegien und Ausnahmeregeln, für die eigene Gruppe?
Wie kann es sein, dass Muslime in Europa, parallel zu den Muslimen in ihren Herkunftsländern angefangen haben ihren Glauben konservativer auszulegen und überall radikal-islamistische Gruppierungen entstanden sind?
Also für mich sind das Indizien dafür, dass der Islam in Europa kein europäisch-regionaler (eigenständiger) Islam ist, sondern fremdgesteuert. Da können auch die Drohnenkriege und Guantanamo nicht als Erklärung herhalten. Die Glückseligkeit für die Muslime in Europa liegt in der Abkopplung vom Islam von dem der in deren jeweiligen Heimat vorherrscht, denn dieser ist wohl kaum mit unserem GG vereinbar, da das GG dort nicht bekannt und nicht gültig ist.
Da die Hilfe vom deutschen Staat nicht erwünscht ist bzw. ihm per se misstraut wird, kann man nur hoffen, dass die muslimischen Vereine ihre Probleme schneller lösen können, als die AfD an die Macht kommt. Denn noch, sind es die Guten, die in Deutschland die Politik machen, aber es gibt keine Garantie dafür, dass Deutschland nicht irgendwann seinen eigenen Erdogan bekommt unter anderen Vorzeichen…
Ich bin ganz gelassen, was die Problemlösung angeht, denn die kommt so oder so…
@Marc und Frieda
Seien Sie doch mal ehrlich: was ist am Islam schlimmer, als am Judentum oder dem Christentum, das es rechtfertigen würde in diesem Maße die Religionsfreiheit der Muslime in Frage zu stellen?
Lieber Marc, nennen Sie doch bitte mal auch nur ein (!) Privileg, in dessen Genuss exklusiv Muslime kommen? Und nur eines, das exklusiv Muslime beanspruchen würden? Eins?
Ich vermute ja, Sie haben zu viel Ulfkotte konsumiert, oder AfD Wahlprogramme, in denen ähnlich wie schon im Hetzblatt Stürmer etwas von der Weltherrschaft einer bestimmten Religion propagiert wird – dann tun Sie mir nur noch leid.