Papier des Misstrauens
Weiter Kritik am Integrationsgesetz
Bis zuletzt hat die Koalition um Details am Integrationsgesetz gerungen. Es verspricht Flüchtlingen Förderung, verlangt aber auch Anstrengung. Erstmals wird Integration damit per Gesetz geregelt. Kanzlerin Merkel nannte es einen "Meilenstein". Doch die Kritik wird immer lauter.
Freitag, 27.05.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 30.05.2016, 15:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem Kabinettsbeschluss zum Integrationsgesetz gibt es weiter Kritik an den Plänen der Koalition. Die Diakonie bezeichnete das Vorhaben am Donnerstag in Berlin als „Papier des Misstrauens“. Es vermittele den Eindruck, dass die Menschen, die nach Deutschland kommen, nicht bereit seien, sich zu integrieren. Der Deutsche Kulturrat bemängelte eine fehlende Untermauerung des Ziels der kulturellen Integration. Die Bundesregierung hatte das Integrationsgesetz, das einerseits mehr Fördermöglichkeiten für Flüchtlinge, andererseits aber auch Pflichten und Sanktionen vorsieht, am Mittwoch auf den Weg gebracht. Es muss noch vom Bundestag beraten werden.
„Wenn dieses Gesetz inkraft tritt, wird es die Integration von Flüchtlingen und Geduldeten massiv erschweren, statt sie zu befördern“, erklärte die Diakonie. Sanktionen und Leistungskürzungen verunsicherten Menschen. Mit diesen Maßnahmen droht das neue Gesetz, sollten angebotene Integrationsmaßnahmen wie das geplante Arbeitsmarktprogramm mit 100.000 Ein-Euro-Jobs oder Kurse nicht wahrgenommen werden.
Der Geschäftsführer des Kulturrats, Olaf Zimmermann, begrüßte, dass neben Deutschkursen, Qualifizierung und Wohnraum auch die Notwendigkeit kultureller Integration im Gesetzentwurf genannt wird. „Doch sollten hierauf auch Taten folgen“, sagte Zimmermann und forderte finanzielle und personelle Ressourcen. Weder den Kulturinstitutionen noch den ehrenamtlichen Kulturvereinen könne dies einfach so zusätzlich aufgebürdet werden.
Weil: Gesetz lässt Geduldete außen vor
Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, die geplante Integration in den Arbeitsmarkt werde nur Stückwerk bleiben. Das Gesetz lasse die rund 180.000 geduldeten Flüchtlinge, die größtenteils schon Jahre in Deutschland lebten und deren Asylanträge abgelehnt seien, bei den Förderungsmöglichkeiten außen vor.
Er habe nichts dagegen, dass anerkannte Asylbewerber möglichst schnell eine Förderung erhielten, betonte der Ministerpräsident. „Aber dass die Geduldeten erst nach sechs Jahren berufsfördernde Maßnahmen bekommen sollen, geht an der Realität einfach vorbei“, sagte Weil.
Die Maßnahmen im Integrationsgesetz richten sich in erster Linie an Flüchtlinge, die aller Wahrscheinlichkeit nach Asyl erhalten und in Deutschland bleiben. Sie sollen bereits im Verfahren besseren Zugang zu Integrationskursen sowie zu Ausbildung und Arbeit erhalten. Unter der Überschrift „Fordern und Fördern“ sind aber auch Verschärfungen geplant. Dazu zählen die Sanktionen für Integrationsverweigerer, strengere Regeln bei der Erteilung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts sowie die sogenannte Wohnsitzzuteilung, bei der auch anerkannten Flüchtlingen der Wohnort vorgeschrieben oder bestimmte Orte als Wohnsitz verboten werden können.
Verfassungsrechtliche Bedenken
Nach Auffassung des Deutschen Anwaltvereins (DAV) kann das Papier sogar verfassungsrechtliche Probleme mit sich bringen. Der Gesetzentwurf sehe vor, „Leistungen drastisch zu kürzen und auf das physische Existenzminimum zu beschränken, wenn Flüchtlingen zumutbare Arbeitsgelegenheiten nicht annehmen oder an den Integrationskursen nicht teilnehmen“, kritisierte Rechtsanwältin Gisela Seidler, Vorsitzende des Ausländer- und Asylrechtsausschusses des DAV. Dies entspreche nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zum menschenwürdigen Existenzminimum.
Die Migrationsrechtsanwältin befürchtet darüber hinaus, dass das Arbeitsmarktprogramm für Flüchtlinge zu einer Stigmatisierung der Schutzsuchenden führen könnte, sollte es nur geringqualifizierte Tätigkeiten wie Umzugshelfer oder Reinigungskräfte beinhalten. (epd/mig) Aktuell Politik
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