Liberté, Égalité, Fraternité
Frankreich erwartet Burkini-Urteil des Staatsrats
Die höchste juristische Instanz Frankreichs muss bis spätestens Samstag entscheiden, ob das Burkini-Verbot rechtens ist. Fotos von bewaffneten Polizisten, die eine Frau am Strand dazu auffordern, ihre Tunika abzulegen, hatte international hohe Wellen geschlagen.
Freitag, 26.08.2016, 8:24 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 29.08.2016, 15:53 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der französische Staatsrat prüft die Rechtmäßigkeit des Burkini-Verbots, das mindestens 26 französische Gemeinden an ihren Stränden erlassen haben. Bei dem Verfahren, das am Donnerstag eröffnet wurde, geht es um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Nizza, das am 22. August ein solches Verbot an den Stränden der südfranzösischen Gemeinde Villeneuve-Loubet für rechtmäßig erklärt hatte. Die Menschenrechtsliga und das Komitee gegen Islamophobie hatten daraufhin den Staatsrat angerufen.
Der Burkini – eine Zusammenziehung von Burka und Bikini – ist ein den ganzen Körper bedeckender Badeanzug für muslimische Frauen, der nur Gesicht, Hände und Füße sichtbar lässt. Das Baden am Strand der betroffenen Gemeinden ist im Wortlaut Personen verboten, die keine „korrekte Kleidung tragen, die den guten Sitten und dem Prinzip der Laizität entspricht und Hygiene- und Sicherheitsregeln im öffentlichen Meer respektiert“.
Angriff auf individuelle Freiheit
Für das Komitee gegen Islamophobie handelt es sich beim Burkini-Verbot um einen Angriff auf individuelle Freiheiten wie die auf Religionsausübung und die Bewegungsfreiheit. Die Organisation berichtet von zunehmenden Angriffen und rassistischen Beleidigungen auch gegenüber Musliminnen, die einen einfachen Schleier tragen. Auch zwei feministische Vereinigungen sprachen sich gegen die Verbote aus, eine „neue Unterdrückung der verschleierten Frauen“. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve von der sozialistischen Partei hatte am Mittwochabend nach einem Treffen mit dem Rat der französischen Muslime um „Mäßigung“ bei der Anwendung der Erlasse gebeten.
Nun muss die höchste juristische Instanz Frankreichs bis spätestens Samstag entscheiden, ob das Verbot gesetzeskonform ist. Die Stadt Cannes hatte am 28. Juli den Anfang einer Serie von Verboten gemacht. Rund 30 weitere, meist konservative Bürgermeister haben seither ein Burkini-Verbot für die Strände ihrer Gemeinden ausgesprochen.
Mehrheit gegen Burkini
Fast zwei von drei Franzosen (64 Prozent) sind laut einer von der konservativen Tageszeitung „Figaro“ veröffentlichten Umfrage vom Donnerstag gegen den Burkini. 30 Prozent sagen, das Kleidungsstück sei ihnen „egal“, sechs Prozent sind dafür. Premierminister Manuel Valls hatte mehrmals sein Verständnis für die Verbote ausgesprochen, für ein generelles Gesetz sieht er allerdings keinen Handlungsbedarf. Erziehungsministerin Najat Vallaud-Belkacem warnte trotz persönlicher Ablehnung des Burkinis vor einem „gefährlichem Abrutschen“ in eine Politik, die rassistische Sprüche ermögliche.
Auch im konservativen Lager sind die Meinungen gespalten. Für Nicolas Sarkozy – seit dieser Woche erklärter Präsidentschaftskandidat – ist der Burkini „ein politischer Akt“, „eine Provokation“. Sarkozy will religiöse Kleidung auch in Universitäten und anderen öffentlichen Gebäuden verbieten. Sein Konkurrent um die Präsidentschaftskandidatur bei den Republikanern, Alain Juppé, warnt hingegen vor einer Stigmatisierung des Islam. Der rechtsextreme Front National ist für ein generelles Verbot muslimischer Kleidung in der Öffentlichkeit.
Am Dienstag tauchten in sozialen Netzwerken mehrere Fotos von bewaffneten Polizisten auf, die eine Frau am Strand von Nizza dazu auffordern, ihre Kopfbedeckung und Tunika abzulegen. Seitdem schlägt das Thema auch international hohe Wellen, auch weil die Frau auf den Fotos augenscheinlich gar keinen Burkini trägt. Laut französischen Medien bekommen Frauen, die gegen das Verbot verstoßen, Strafzettel ausgestellt. (epd/mig) Aktuell Ausland
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