Brüsseler Gipfel
Merkel will EU-Entwicklungshilfe kritisch prüfen
Seit Jahrzehnten leistet Europa Entwicklungshilfe - ein Topthema für EU-Gipfel war das lange nicht. Jetzt gerät Entwicklungspolitik in den Fokus, weil sie mit Migration und Flüchtlingen zu tun hat. Kanzlerin Merkel fordert eine kritische Überprüfung.
Freitag, 21.10.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 24.10.2016, 16:55 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die EU-Entwicklungshilfe vor dem Hintergrund der Migrationskrise kritisch unter die Lupe nehmen. Entwicklungshilfe müsse die Lebenschancen von Menschen in Afrika „substanziell“ verbessern, sagte Merkel am Donnerstag vor einem zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel. Fraglich sei aber, ob sie bislang effizient eingesetzt werde. „Ich glaube, da müssen wir auch sehr selbstkritisch sein“, sagte die Kanzlerin.
Zugleich würdigte Merkel die sogenannten Migrationspartnerschaften, die von Oxfam und Pro Asyl heftig kritisiert wurden. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) lehnte eine mögliche Koppelung von Entwicklungshilfe an die Flüchtlingspolitik ab.
Partnerschaft zur Abschiebung von Flüchtenden
Merkel sagte, bei der Entwicklungshilfe gehe es „nicht einfach nur um Geld, sondern es geht vor allem darum, die Fähigkeiten und die Lebenschanchen von Menschen in den afrikanischen Ländern auch substanziell zu verbessern“. Das Projekt der Migrationspartnerschaften wurde im Juni von der EU-Kommission vorgestellt. Nach offizieller Darstellung soll es Migration nach Europa verringern und zugleich die Entwicklung in zunächst fünf afrikanischen Partnerstaaten voranbringen.
Bei den Partnerschaften geht es einerseits direkt um das Abschieben von Migranten. Ein offen erklärter Zweck besteht darin, dass die afrikanischen Staaten bereitwilliger eigene Staatsangehörige aus Europa zurücknehmen, die mit Asylanträgen gescheitert sind. Umstrittener ist das Thema Entwicklung. Laut offizieller EU-Darstellung soll europäische Hilfe in den betreffenden Ländern zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung beitragen und so den Anreiz verringern, nach Europa zu ziehen.
EU droht Afrikanern
Allerdings deuten Kritiker die Verbindung von Migrations- und Entwicklungspolitik anders. Demnach droht die EU den Afrikanern mit Entzug von Entwicklungshilfe, wenn diese Schutzsuchende nicht von Europa fernhalten, und ignoriert dabei ihre eigenen Werte. Pro Asyl urteilte, Ziel der Partnerschaften sei, dass die Schutzsuchenden „dort bleiben, wo bereits 90 Prozent aller Flüchtlinge leben, häufig nur noch vegetieren“. Pro Asyl meint, dass sich in diesem Ansatz eine „neokoloniale Attitüde“ niederschlage. „Menschenrechtlich begründete Tabus scheinen sich für die Europäische Union erledigt zu haben“, erklärte die Organisation am Donnerstag in Frankfurt am Main.
Die Nichtregierungsorganisation bezog sich dabei auch auf einen Entwurf der Erklärung, die der EU-Gipfel verabschieden wollte. Dem Entwurf vom 10. Oktober zufolge geht es bei den Migrationspartnerschaften darum, „konkrete und messbare Ergebnisse bei der zügigen operativen Rückführung irregulärer Migranten zu erzielen und unter Einsatz aller einschlägigen – auch entwicklungs- und handelspolitischen – Maßnahmen, Instrumente und Hilfsmittel der EU die erforderliche Hebelwirkung zu erzeugen“.
Schulz: Entwicklungshilfe und Migration entkoppeln
EU-Parlamentspräsident Schulz sagte Schulz am Donnerstagabend am Rande des Gipfels: „Es ist sicher nicht sinnvoll, die Entwicklungshilfe der Europäischen Union vom Grundsatz zu koppeln an Kooperation bei der Flüchtlingspolitik.“ Er legte anders als die Nichtregierungsorganisationen aber nicht nahe, dass die Migrationspartnerschaften diese Kopplung vollziehen. Er kenne die „wesentlichen strukturellen Vorstellungen“ noch nicht, die die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten mit diesen Pakten verbinden, sagte der Parlamentspräsident.
Zugleich sagte Schulz, er halte einen Beitrag der EU gegen die „Industrie“ der Menschenschlepper, die Menschen in den Tod schicke, für sinnvoll. Generell plädierte er für ein europäisches System legaler Einwanderung wie in den USA und anderen Ländern. „Wenn wir das nicht schaffen, werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen“, sagte der SPD-Politiker. (epd/mig) Aktuell Politik
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