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Pegida, Demonstration, Demo, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus
Pegida Demonstration in Dresden (Archiv)

Brief an einen besorgten Bürger

„Du wirst es nicht glauben, aber ich hasse Dich nicht“

Liebe besorgte Bürgerin. Eigentlich habe ich keine Zeit, Dir zu schreiben, aber ich habe heute Geburtstag – und kann somit den Tag etwas lockerer angehen. Ich bin nun 36 Jahre alt und kein bisschen stolz darauf, geschweige denn glücklich.

Von Montag, 28.11.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 29.11.2016, 16:57 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Denn neben meinen Kämpfen mit mir selbst bin ich sehr verärgert, und zwar wegen Dir. Dabei weiß ich, dass das keinem Menschen hilft – und mein Gewissen sagt mir, dass ein neuer Rant nur neuen Hass schürt. Ich werde es dennoch versuchen.

In den letzten 2 Jahren bin ich Dir immer wieder begegnet. Auf Geburtstagsfeiern (nicht auf meiner), in der Bahn, auf Pegida-Demos und auf der Bank im Park. Ich höre Dein Lästern, Deine Abneigung gegen Andersartige und ich höre auch: Deine Angst.

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Scheinbar kommen wir nicht drumrum – wir müssen reden. Du wirst es nicht glauben, aber ich hasse Dich nicht. Zwar hasse ich Deinen passiv-aggressiven Rassismus und Deine xenophoben Feindseligkeiten, aber Dich als Person hasse ich nicht.

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Denn ich weiß: Auch Du hast Deine Kämpfe, auch Du leidest und auch Du bist: Eine*r von uns Menschen dieser Welt. Ich würde sogar soweit gehen, Dir zu unterstellen, dass Du gute Gründe hast für das, wie Du Dich im kleinen und großen Rahmen »besorgt« gibst. [Anmerkungen: Für Gewalt gegen wen auch immer habe ich kein Verständnis].

Wie ich darauf komme? Nun: Auch Du warst mal Kind und hast wie ich in Windeln geschissen. Auch Du warst wie wir alle abhängig von der Liebe Deiner Eltern. Du warst verzweifelt und aufgewachsen in einem Netz liebevoller oder weniger liebevoller Menschen.

Und es ist sicher kein Zufall, dass Du heute so bist, wie Du bist. Wer hasst, wurde gehasst. Und es tut mir (wirklich) Leid, dass Du gehasst wurdest – bestimmt zu Unrecht. Kein Mensch verdient das. Soweit kann ich mit Dir empathisch sein.

Dass es Dich nicht weiterbringt, wenn ich Dich als Nazi beschimpfe, das habe ich kapiert. Und das verstehe ich auch. Dass Du Deine Meinung nicht revidierst, wenn ich Dir Zahlen, Statistiken und Fakten vorhalte, ist natürlich schade, aber es scheint nicht zu wirken.

Können wir reden?

Jedoch möchte ich dieser Stelle nicht die Flinte ins Korn werfen. Es kann nicht sein, dass wir uns hier weiter ignorieren. Können wir reden? Hörst Du mir zu? Würdest Du Dich mit mir hinsetzen und Dir anhören, was ich zu sagen habe? Wenn Du ab hier weiter liest, deute ich das als ja.

Weißt Du, ich will Dich gar nicht umstimmen, denn das hat bisher auch nicht funktioniert. Was ich will, ist Dir von mir erzählen. Ich habe nämlich fernab politischer Diskussionen Menschen getroffen, denen es nicht gut geht.

Beispielsweise habe ich einen kleinen Jungen in einem Hotel getroffen. Ihm fehlte der linke Unterarm. Seine Mutter meinte nur: »Bombe.« Stell Dir vor, der Junge wäre einer »von uns«, und vielleicht kannst Du Dir auch vorstellen, der Junge wäre Dein kleiner Bruder.

Tja, und dann habe ich Aniqua getroffen, die sehr verzweifelt war und, um sich umzubringen in ein Boot gestiegen ist und sich gesagt hat: Wenn ich diese Fahrt nicht überlebe, dann soll es so sein. Ich habe ihr in die Augen gesehen, die tränenverquollen waren als sie von Vergewaltigungen erzählte – sie zitterte am ganzen Körper. Stell Dir vor, dass die Frau Deine beste Freundin ist.

Und dann ist mir ein zehnjähriges Mädchen begegnet, das vom vielen Laufen aufgeschürfte Füße hatte und mit ihrer Mutter in einem Zelt auf Gleisen lebte. Stell Dir vor, das wären Deine Schwester und Deine Mutter. Wie lange würdest Du so leben können?

Darf ich fragen?

Das sind nur drei Beispiele von vielen. Und jetzt kommen wir unweigerlich an einen Punkt, der schwierig wird: Diese Menschen kommen nicht aus Deutschland, so wie Du und ich. Dazu sprechen sie auch noch eine andere Sprache.

Jetzt erlaube ich mir mal, etwas unangenehm zu werden: Macht Dir das Angst? Darf ich fragen, warum? Und nein, das sind keine rhetorischen Fragen, ich möchte es wirklich wissen. Denn hier fällt es mir ganz ehrlich schwer, noch empathisch zu sein mit Dir.

Nun ist es so, dass diese Menschen offensichtlich auch noch Hilfe brauchen. Es geht ihnen deutlich schlechter, als den meisten »von uns«. Nochmal: Macht Dir das Angst? Warum? Ich höre des Öfteren, dass Du Angst um Deinen Arbeitsplatz hast. Ich merke dazu an: Wenn ein Mensch einer komplett anderen Kultur und Sprache es schafft, Dir Deinen Arbeitsplatz wegzunehmen, warst Du nicht besonders gut.

Ich weiß, dass Du diese Menschen immer ablehnen wirst und es dafür auch stets Gründe geben wird. Das kann ich weder mit guten Argumenten ändern, noch Dich durch die Infragestellung Deines Menschenbildes vom Gegenteil überzeugen.

Was ich tun werde

Und ich habe gelernt, damit umzugehen und es aufzugeben, mit Dir Schlagabtausch für Schlagabtausch diskutieren. Ich werde Dich nicht verändern. Und weil es Dir hier schwerfällt, einen Schritt auf mich zuzumachen, möchte ich Dir etwas auf den Weg mitgeben:

Ich werde niemals schweigen. Ich werde protestieren. Nicht, weil ich Dir Gewalt antun will, sondern um mit meiner Anwesenheit Dir und der Gesellschaft zu zeigen, dass ich Deinen Hass nicht akzeptiere (ganz ehrlich: auch, um es mir selbst zu zeigen). Ich werde Dir in die Augen sehen und Dir Fragen stellen, egal, wo ich Dich treffe, so wie hier.

Dazu kommt folgendes: Ich werde weiterhin versuchen, nicht über Fliehende zu sprechen, sondern mit ihnen. Ich habe noch viel vor in den nächsten Monaten. Wenn Du magst, dann schau mir doch einfach über die Schultern. Guck Dir meine Beiträge an. Du musst deswegen ja nicht sofort Deine Meinung ändern.

Und wenn Du irgendwann mal darüber nachdenkst, mir zu schreiben: Mach es. Wenn Du mir drohst und mich beschimpfst, blockiere ich Dich (oder zeige Dich an).Wenn Du aber reden willst, werde ich antworten. Sieh es als Angebot, das Du annehmen oder ausschlagen kannst. Aktuell Meinung

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