Unternehmen als Chancengeber
„Der Betrieb ist der beste Deutschlehrer“
Der Verein "Zukunft Plus" vermittelt Flüchtlingen einen Praktikumsplatz, bietet berufsbezogene Deutschkurse oder hilft bei der Bewerbung. Hassan Chmo aus Syrien arbeitet jetzt in einer hannoverscher Traditionsbäckerei. Sein Chef kann seine Erfahrung "jedem Betrieb empfehlen".
Von Leonore Kratz Donnerstag, 15.12.2016, 8:19 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 31.07.2017, 10:21 Uhr Lesedauer: 2 Minuten |
Hassan Chmo formt in der großen Backstube kleine, weiße Brötchen. Neben ihm sticht sein Kollege in der hannoverschen Traditionsbäckerei Borchers Spekulatius aus. Weihnachtsplätzchen, Lebkuchen und Stollen – all das ist neu für den 47-jährigen Chmo, der 2014 von Syrien nach Deutschland geflohen ist. „In Syrien haben wir nur zwei Brotsorten, hier gibt es so viele verschiedene Backwaren“, sagt der Bäcker mit der karierten Mütze. Seine neuen Lieblinge: „Franzbrötchen und Schoko-Croissants.“
Chmos Integration verlief optimal: Nach einem Schnupper-Praktikum konnte der gelernte Bäcker im Oktober einen unbefristeten Arbeitsvertrag unterschreiben.
In die Wege geleitet wurde das Praktikum vom Verein „Zukunft Plus“, der seit Juni 2016 im Auftrag des Jobcenters Region Hannover das Programm „Perspektiven für Flüchtlinge“ anbietet. „Die Flüchtlinge erhalten bei uns berufsbezogenen Deutsch-Unterricht und lernen beispielsweise, was ein Arbeitsvertrag ist oder wie eine Bewerbung funktioniert“, erklärt Job-Coach Dorit Miehe. 40 Personen haben bisher an der Initiative teilgenommen. Sie bringen ganz unterschiedliche Ausbildungen mit – vom Studenten über eine Physik-Lehrerin bis zum Kfz-Mechaniker. Um den Geflüchteten über Praktika erste Kontakte in die Arbeitswelt zu vermitteln, sucht der Verein stets neue Unternehmen als „Chancengeber“. „Der Betrieb ist der beste Deutschlehrer“, sagt Miehe.
Bäckermeister Klaus Borchers war sofort einverstanden, als Miehe ihn um einen Praktikumsplatz für Hassan Chmo bat. „Hassan hat ja schon Grundkenntnisse im Umgang mit den Backzutaten gehabt, das war eine gute Voraussetzung“, sagt der Inhaber des 170 Jahre alten Familienbetriebs. Als nach dem Praktikum eine Stelle frei wurde, „haben wir es einfach versucht“.
Manchmal sei es mit dem Deutschen noch schwierig, aber der Syrer mache schnell Fortschritte. Ein weiterer glücklicher Umstand: Im Team ist bereits ein Mitarbeiter, der Arabisch spricht und im Zweifelsfall dolmetschen kann. Borchers kann die Erfahrung „jedem Betrieb empfehlen“. Einen Flüchtling anzustellen, koste zwar etwas Mühe. „Aber wenn man sich kümmert, dann läuft es auch.“
Hassan Chmo fühlt sich in seiner neuen Backstube sichtlich wohl. „Mein Chef ist ein guter Mann“, sagt der Familienvater, der in Syrien eine eigene Bäckerei betrieben hat. Weil er mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommt und diese zur ersten Schicht um 3 Uhr morgens noch nicht fahren, teilt Borchers ihn immer erst ab 6 Uhr ein.
Nach syrischen Rezepten hat Chmo bisher noch nicht gebacken. Aber sein Chef Borchers hat schon einen Plan: „Ich habe mir vorgenommen, dass Hassan im neuen Jahr mal etwas backt, was wir gar nicht kennen.“ (epd/mig) Aktuell Gesellschaft
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