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"Da waren Kinder drauf"

Berliner Weihnachtsmarkt nach Anschlag wieder geöffnet

Stille, Blumenmeere und Kerzen: Drei Tage nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche sind die Stände wieder geöffnet worden. Die Stimmung bleibt gedrückt. Von Yvonne Jennerjahn

Freitag, 23.12.2016, 8:23 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 08.01.2017, 20:07 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Auf dem Altar brennen zwölf Kerzen für die Toten, die elektrischen Lichter am Weihnachtsbaum in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind ausgeschaltet. Mit einer Andacht und einer Gedenkminute ist dort am Donnerstag der Weihnachtsmarkt wieder eröffnet worden, auf dem am Montagabend ein Sattelschlepper bei einem Anschlag zwölf Menschen in den Tod gerissen und zahlreiche weitere verletzt hat.

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Auch nach Beginn der kurzen Andacht strömen weiter Menschen in die Kirche. „Grauen hat mich überfallen“, zitiert die evangelische Pfarrerin Dorothea Strauß aus einem Psalm der Bibel und versucht, Trost zu spenden. „Wir trauern“, sagt sie: „Nach dem Terroranschlag können wir nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen.“

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„Wir trauern“

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Draußen legen Trauernde weiter Blumen nieder, vielen Menschen stehen Tränen in den Augen. „In stiller Trauer“ steht auf einem Blumengesteck des Berliner Fußballvereins Hertha BSC. Eine kleine israelische Fahne steckt neben einer Kerze. Die muslimische Ahmadiyya-Gemeinde hat in einem Blumenmeer einen Aufruf gegen Gewalt niedergelegt. Zwischen den Weihnachtsmarktständen sind Polizisten mit Maschinenpistolen unterwegs.

„Wir trauern“ steht auch auf zwei Tafeln, die der Schaustellerverband und die AG City der Gewerbetreibenden nach der Andacht am Ort aufstellen, an dem der Lkw auf den Markt fuhr. Kurz darauf werden auch dort Kerzen entzündet und Blumen niedergelegt. Dann öffnen die ersten Stände, die Stimmung auf dem Weihnachtsmarkt bleibt gedrückt.

„Ein Mensch kann so etwas nicht machen!“

Reden will kaum jemand über den Anschlag. „Nein danke“, sagt der Mann vom Bratwurst-Stand am Anfang der Gasse, in die der Lkw fuhr: „Kein Kommentar.“ Gegenüber öffnet eine Frau ihre Bude, in der sie Waffeln verkauft. „Ich kann nichts sagen, ich habe es miterlebt“, sagt sie nur kurz: „Ich weiß auch nicht, ob ich es heute den ganzen Tag aushalte.“ Kurz vor zwölf Uhr geht auch der Rollladen am Glühweinstand daneben hoch. Ein Mann putzt die Fläche vor der Auslage. Auch er schüttelt nur den Kopf und schweigt.

Ein paar Meter weiter steht Murat Akarsu in seinem Dönerstand „Superhahn“ auf dem Weihnachtsmarkt. „Ich verstehe nicht, warum Menschen so etwas machen“, sagt der 43-jährige Türke, der seit 30 Jahren in Berlin lebt und dessen Kinder Deutsche sind: „Ein Mensch kann so etwas nicht machen!“ Der Attentäter habe über den ganzen Markt fahren wollen, der polnische Fahrer, der zu den Opfern gehört, habe das verhindert. „Wir haben keine Angst vor dem Terror“, sagt Akarsu noch trotzig.

„Da waren noch Kinder drauf.“

Martin Germer ist Pfarrer der evangelischen Gedächtniskirche und kirchlicher Schaustellerbeauftragter in Berlin. Er kenne viele der Menschen, die auf dem Weihnachtsmarkt arbeiten, seit Jahren, sagt er. Auch ihm stehen Tränen in den Augen. „Sie sind zutiefst erschüttert“, sagt er. Und zugleich müssten sie durch den Anschlag auch große finanzielle Einbußen hinnehmen. Denn das Weihnachtsgeschäft sei für sie der wesentliche Teil des Jahresumsatzes.

Auch die evangelische Berliner Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein ist am Donnerstag vor Ort. „Das ist meine Predigtkirche“, sagt sie. Die Schausteller vom Weihnachtsmarkt seien entsetzt, dass viele Selfies vom Anschlagsort gemacht würden, und wünschten sich mehr Zurückhaltung, sagt sie: „Sie finden das pietätlos.“ Die Ruhe, mit der in Berlin mit dem Anschlag umgegangen werde, beeindrucke sie, sagt die Theologin. Und dass zugleich deutlich zu spüren sei, dass die Menschen „bewegt und berührt sind“.

Das Kinderkarussell am Ende der Weihnachtsmarktgasse, in die der Lkw fuhr, steht noch still. „Sonst ist in der Woche um die Zeit mehr los“, sagt der Mann, der „Heider’s Flying Star“ bedient. Auch ihm ist die Erschütterung über die Gewalttat anzusehen. Der Betrieb ist seit dem ersten Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche vor 33 Jahren dabei. Wenn Kinder kommen, soll das Karussell wieder laufen, auch er ist auf die Einnahmen angewiesen. „Wenn der Pole nicht eingegriffen hätte, wäre der Lkw ins Karussell gefahren“, sagt der Mann noch: „Da waren noch Kinder drauf.“ (epd/mig) Aktuell Panorama

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