Nach Berliner Anschlag
Rufe nach strengeren Abschieberegeln
Der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz ist noch nicht gefasst. Inzwischen sind die Behörden überzeugt, dem Richtigen auf der Spur zu sein. Die Vorgeschichte des Tunesier Anis Amri löst eine Debatte über schärfere Gesetze aus.
Freitag, 23.12.2016, 8:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 12.01.2017, 21:27 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Nach dem Anschlag vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sind die Ermittler davon überzeugt, dass der gesuchte Tunesier Anis Amri den Lkw in den Weihnachtsmarkt gesteuert hat. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte am Donnerstag in Berlin, Amri sei „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ der Täter. Am Lastwagen seien Fingerabdrücke des Gesuchten gefunden worden. Der Generalbundesanwalt teilte am Abend in Karlsruhe mit, dass ein Haftbefehl gegen den 24-Jährigen erlassen wurde.
„Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand gehen wir davon aus, dass Anis Amri den Lkw gesteuert hat“, sagte Frauke Köhler, Sprecherin des Generalbundesanwaltes. Am Donnerstag habe es mehrere Durchsuchungen in Berlin und Nordrhein-Westfalen gegeben. An diesen Orten soll sich Amri aufgehalten haben, der im Juli 2015 nach Deutschland eingereist war und dessen Asylantrag in diesem Sommer abgelehnt wurde. „Festnahmen sind bislang nicht erfolgt“, sagte Köhler. Aufgrund eines Hinweises sei am Donnerstag auch ein Reisebus in Heilbronn durchsucht worden.
Innenminister de Maizière informierte sich mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) beim Bundeskriminalamt in Berlin über den Stand der Ermittlungen. Merkel sagte, die Mitarbeiter dort wüssten, dass Millionen Menschen darauf hoffen, dass der Täter bald gefasst wird. Ihre Gedanken seien nach wie vor bei den Angehörigen der Opfer des Anschlags. „Gerade ihnen schulden wir auch die bestmögliche Arbeit“, sagte die Regierungschefin.
Debatte um strengere Regeln
Bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz waren am Montagabend zwölf Menschen getötet und fast 50 verletzt worden. Dass der inzwischen dringend Tatverdächtige als abgelehnter Asylbewerber in Deutschland lebte, als Gefährder galt, sich dennoch offenbar frei bewegen konnte und eine Abschiebung gescheitert war, entfachte am Donnerstag eine neue Debatte um strengere Regeln für Ausreisepflichtige.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), plädierte im RBB-Inforadio für eine Verlängerung der Abschiebehaft. Die Abschiebehaft kann in Deutschland bislang für bis zu sechs Monate angeordnet und dann um höchstens zwölf Monate verlängert werden. Seit 2015 gibt es zusätzlich den sogenannten Ausreisgewahrsam, der für maximal vier Tage angeordnet werden kann, etwa um Sammelabschiebungen zu ermöglichen. Mayer forderte zudem eine stärkere Differenzierung bei ausreisepflichtigen Personen zwischen denen, die „unverschuldet nicht ausreisen können, und denen, die es selbstverschuldet renitent verhindern“.
Vollziehbare Ausreisepflicht/strong> Eine entsprechende Regelung plant Bundesinnenminister de Maizière bereits. In seinem im August vorgestellten Sicherheitspaket schlägt er vor, zwischen der „klassischen“ Duldung etwa aus gesundheitlichen Gründen und den Fällen zu unterscheiden, in denen Ausreisepflichtige etwa über ihre Identität getäuscht oder Straftaten begangen haben. Sie sollen in Zukunft als „vollziehbar ausreisepflichtig“ gelten. Damit würde ihnen unmittelbar die Abschiebung drohen. Ein entsprechender Gesetzentwurf war bereits vor dem Anschlag in der Ressortabstimmung. Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Ansgar Heveling (CDU), sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Donnerstag), die Regelungen sollten jetzt rasch ins Kabinett kommen. Am Mittwoch hatte das Bundeskabinett Teile des Sicherheitspaktes, etwa eine Ausweitung der Videoüberwachung, beschlossen. Wann über die Duldungsregelung entschieden wird, ist nach Angaben des Innenministeriums noch offen. Ausweitung der Gründe für eine Abschiebehaft Ebenfalls Bestandteil des von de Maizière geplanten Gesetzes ist eine Ausweitung der Gründe für eine Abschiebehaft, um islamistische Gefährder festhalten und ausweisen zu können. In Deutschland leben nach Angaben des Ministeriums derzeit 206.000 Ausreisepflichtige. 150.000 von ihnen haben eine Duldung. Sie gilt etwa wegen gesundheitlicher Gründe, weil Papiere fehlen oder der Herkunftsstaat sich weigert, den Betroffenen wieder aufzunehmen. De Maizière sagte am Donnerstag, es werde über Konsequenzen des Falles zu reden sein, allerdings „nicht heute“. Er kündigte Gespräche darüber mit Justizminister Maas an. (epd/mig) Leitartikel Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- Fachkräftemangel vs. Abschiebung Pflegeheim wehrt sich gegen Ausweisung seiner Pfleger
- „Diskriminierend und rassistisch“ Thüringer Aktion will Bezahlkarte für Geflüchtete aushebeln
- Verwaltungsgerichtshof Nürnberg muss Allianz gegen rechts verlassen
- Ein Jahr Fachkräftegesetz Bundesregierung sieht Erfolg bei Einwanderung von…
- Brandenburg Flüchtlingsrat: Minister schürt Hass gegen Ausländer
- Chronisch überlastet Flüchtlingsunterkunft: Hamburg weiter auf Zelte angewiesen
Da hätten die vorhandenen Gesetze ausgereicht… Große Worte, um Pannen auszublenden.
Strengere Abschieberegeln brauchen wir sicher nicht. Die Abschiebung scheiterte daran, dass der Herkunftsstaat seine Staatsbürger kaum zurücknimmt.
Die BRD lässt sich da auf der Nase herumtanzen. Tunesien ist da ja kein Ausnahmefall.
Der Ruf nach Kürzung der Hilfsgelder ist aber auch falsch. M.e. müssen die Schengenstaaten Staaten mit fehlender Rückübernahmebereitschaft gemeinschaftlich Visaerleichterungen streichen….. Andere Druckmittel sind nicht wirkungsvoll oder Sachfremd
Pingback: Unschuldsvermutung auf der Kippe - Justizminister Maas will Haft für Gefährder ausweiten - MiGAZIN