Bundesverfassungsgericht
NPD-Verbot scheitert an geringer „Wirkkraft“ der Partei
Die NPD ist verfassungsfeindlich, wird aber nicht verboten - das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Länder reagieren enttäuscht. In den Blick rückt eine Reform der Parteienfinanzierung, um die NPD auszuschließen.
Mittwoch, 18.01.2017, 5:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 23.01.2017, 17:59 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Ein angestrebtes Verbot der NPD ist zum zweiten Mal vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Das höchste deutsche Gericht verkündete am Dienstag in Karlsruhe sein Urteil, wonach die rechtsextreme Partei nicht verboten wird. Die Richter begründeten die Entscheidung mit der geringen „Wirkkraft“ der Partei: Die NPD verfolge zwar verfassungsfeindliche Ziele, es fehle aber an konkreten Anhaltspunkten, dass ihr Handeln zum Erfolg führen könnte. (Aktenzeichen: 2 BvB 1/13)
„Das Parteiverbot ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot“, sagte Verfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Deshalb sei ein Parteiverbot als schärfste und überdies zweischneidige Waffe eines demokratischen Rechtsstaats nicht zu rechtfertigen.
In seiner Begründung erläuterte das Bundesverfassungsgericht die Hürden, die das Grundgesetz für ein Parteiverbot aufstellt. Eine gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtete Zielsetzung reiche nicht aus. Die NPD habe es in mehr als fünf Jahrzehnten ihres Bestehens nicht geschafft, dauerhaft in einem Landesparlament vertreten zu sein. Das Gericht attestierte der Partei aber auch, dass ihr politisches Konzept nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist und dass sie eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufzeigt.
Länder enttäuscht vom Urteil
Mit dem Karlsruher Urteil ist der Bundesrat als Antragsteller im Verfahren zum zweiten Mal mit dem Wunsch nach einem Parteiverbot gescheitert. 2003 war ein erstes NPD-Verbotsverfahren wegen V-Leuten des Verfassungsschutzes in der Partei eingestellt worden.
Vertreter der Länder reagierten enttäuscht auf das Urteil. Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärte, auch wenn das Verfahren nicht zum Verbot der Partei geführt habe, sei es gut und richtig gewesen, nach Karlsruhe zu gehen. Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) bezeichnete das Verbotsverfahren als Erfolg, weil dadurch die verfassungsfeindlichen und die rechtsradikalen Bestrebungen der NPD der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt worden seien.
Bekämpfung mit staatlicher Parteienfinanzierung
Mehrere Verantwortliche aus Bund und Ländern äußerten sich zuversichtlich, der NPD trotz des gescheiterten Verbots die Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung streichen zu können. Sie bezogen sich auf eine Bemerkung von Gerichtspräsident Voßkuhle. Er hatte ausgeführt, ob andere Reaktionsmöglichkeiten auf die NPD sinnvoll seien, wie etwa der Entzug der staatlichen Finanzierung, müsse der Gesetzgeber entscheiden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte daraufhin zu, entsprechende Handlungsspielräume zu prüfen. Auch Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich dafür aus: „Wir können niemandem erklären, dass eine verfassungsfeindliche Partei aus Steuermitteln finanziert wird.“
Entsprechendes forderten auch andere Landespolitiker. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte mit Blick auf den Hinweis Voßkuhles: „Das ist jetzt zwingend notwendig.“ Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) verwies auf das Grundgesetz, nach dem Parteien an der politischen Willensbildung mitwirken und entsprechende Ansprüche haben. Das umfangreiche Urteil müsse aber jetzt daraufhin ausgewertet werden, ob dies auch verfassungsfeindliche Parteien mit einschließt. Das sei nach seiner Auffassung nicht zwingend. 2015 bekam die NPD nach Angaben des Bundestags rund 1,3 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Für 2016 liegen die Rechnungen noch nicht vor.
Opposition zeigt Trotzreaktion, NPD jubelt
Grüne, Linke und Kirchen riefen in ersten Reaktionen auf das Urteil indessen zu entschiedenem Eintreten gegen Rechtsextremismus auf. Der Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sprach von einem „tragischen Tag für die wehrhafte Demokratie“. Der Zentralrat der Juden erklärte, es sei eine wichtige Chance vertan worden, wirksam gegen eine menschenverachtende Partei vorzugehen. „Dennoch ist das Urteil für die NPD kein Erfolg. Stattdessen wurde ihr wahres Gesicht entlarvt“, hieß es in einer Reaktion des Dachverbands. Die NPD dagegen jubelte. „Sieg“, twitterte der Bundesvorstand mit sechs Ausrufezeichen.
Die Amadeu Antonio Stiftung forderte eine Strategie im Umgang mit Rechtsextremismus. Mit Verboten sei den wachsenden Herausforderungen für die Demokratie nicht beizukommen, sagte Geschäftsführer Timo Reinfrank. Der Rechtsextremismus-Experte Toralf Staud sagte, er rechne mit einer Re-Radikalisierung der NPD: „Die Extremsten in der Partei werden sich zu Wort melden. Ich erwarte, dass die radikalen Kräfte ein Comeback versuchen.“ (epd/mig) Leitartikel Recht
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