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Pegida, Demonstration, Demo, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus
Pegida Demonstration in Dresden (Archiv)

Was Sinn macht

Über den Umgang mit besorgten Bürgern

Wer Angst vor Flüchtlingen hat oder Sympathien für rechtspopulistische Parteien hegt, gilt schnell als irrational, dumm oder ausländerfeindlich, es folgen Hohn und Spott. Nichts könnte falscher sein. Eine verhaltensökonomische Erklärung.

Von , , und Freitag, 03.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.02.2017, 16:00 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Schon mal versucht, einen Menschen mit Flugangst davon zu überzeugen, wie unbegründet seine Angst eigentlich ist? Ein Blick in die Verkehrsstatistik sollte genügen. Wahrscheinlichkeit durch einen Flugzeugabsturz im Luftraum der USA oder Europa zu sterben: 1 zu 29 Millionen. Wahrscheinlichkeit eines Sechsers im Lotto: 1 zu 15 Millionen, also fast doppelt so hoch. Wahrscheinlichkeit eines tödlichen Fahrradunfalls: 1 zu 340 000. Dennoch: Wer auch immer unter Aviophobie leidet, dürfte sich von diesen Zahlen kaum beeindrucken lassen und dadurch seine Angst ablegen. Viele Ängste sind nicht rational begründbar und lassen sich entsprechend nicht durch rationale Argumente beseitigen. Die Angst vor Ausländern ist eine dieser irrationalen Ängste.

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Blickt man auf die potentiellen und tatsächlichen Wähler rechtspopulistischer Parteien, Facebook-Hetzer, EU-Hasser oder Trump-Supporter und fragt, woher ihre Ablehnung gegenüber Fremden eigentlich kommt, wird schnell klar, dass die Gründe wenig rational sind. Die Mehrheit von Trumps Unterstützern etwa glaubte, dass ausländische Wettbewerber ihrer finanziellen Situation geschadet hätten, obwohl viele klassischen handwerklichen Tätigkeiten, etwa im Bausektor, überhaupt nicht von ausländischer Konkurrenz betroffen sind. Betrachtet man Deutschland als Beispiel kommen dort auf 1.000 Einwohner im Bundesdurchschnitt mehr als doppelt so viele Ausländer auf die westdeutschen, als auf die ostdeutschen Länder. In den Gegenden, in denen die wenigsten Ausländer leben, erhalten rechte Parteien jedoch die meisten Wählerstimmen. Gerade weil die Ängste der Anhänger rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen diffus und schwer rational zu begründen sind, werden sie von weiten Teilen der Bevölkerung und auch der Politik als unbegründet abgetan, der Bürger mit seiner Angst verurteilt. Wer trotz rationaler Argumente Angst vor Geflüchteten hat, verschließt offenbar seine Augen vor der Realität, ist zu dumm oder einfach ausländerfeindlich. Ein Wut- oder Angstbürger eben.

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Angst ist ein uralter Instinkt. Menschen sind darauf getrimmt, die eigene Gruppe, Sippe oder den Clan erstmal zu bevorzugen und Neuankömmlingen gegenüber misstrauisch zu sein. Das ist auch heute noch so. Sozialexperimente zeigen, dass Menschen schon wegen Kleinigkeiten diskriminieren. Menschen mit Vorliebe für Bilder des Malers Klee bleiben lieber unter sich und grenzen Menschen mit Vorliebe für Bilder des Malers Kandinsky aus – und umgekehrt. Dieses Ergebnis ist umso erstaunlicher, da Bilder von Klee und Kandinsky von Laien eigentlich kaum von einender zu unterscheiden sind. Ob begründet oder nicht, Angst und Ausgrenzung ist ein Teil unserer Biologie. Die Angst vor dem Anderen kann jedoch katastrophale Folgen für das menschliche Zusammenleben haben, wenn sie in Wut umschlägt und sich gegen Minderheiten richtet. Es macht also Sinn, die Ursachen so einer Angst frühzeitig zu beseitigen.

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In der Psychotherapie werden Angststörungen unter anderem mit einer Konfrontationstherapie behandelt. Der Aviophobe überwindet sich also zu einem Kurzstreckenflug und wagt sich aufgrund der positiven Erfahrungen Stück für Stück an längere Strecken, bis er seine Phobie unter Kontrolle hat. Auch den Angstbürgern muss von der Politik und der Gesellschaft signalisiert werden, dass fremdenfeindliche Handlungen und rassistisches Gedankengut inakzeptabel sind, man jedoch bereit ist, in einer gemeinsamen Anstrengung über die Angst zu reden und ihr zu begegnen. Entscheidend ist es, Angstbürgern dabei zu helfen, dass sie aus eigener Motivation das Ziel verfolgen, fremdenfeindliche Vorurteile in ihren Gedanken und Handlungen weniger Raum zu geben. Dies kann zum einen durch Kontakt zu Geflüchteten erreicht werden, vor allem auch zu integrierten ehemaligen Migranten. Das heißt aber auch, mit Angstbürgern den Dialog zu suchen und ihnen klar zu machen, dass man diese Angst nicht teilt. Auch die Medien, Personen in der Öffentlichkeit und das Bildungssystem stehen hier in der Verantwortung, Signale zu setzen, dass Toleranz und Kooperation in einer Gesellschaft wichtig sind.

Die kategorische Verweigerung eines Dialoges und persönliche Angriffe gegenüber Angstbürgern sind kontraproduktiv und befördern nur deren Abschottung und Radikalisierung. Man darf zwar nicht erwarten, dass sich die Ablehnung gegenüber Fremden durch ein einziges Gespräch in Wohlgefallen auflöst. Eine Demokratie muss den aktiven Diskurs mit Gruppen anderer Meinung aber aushalten und sogar suchen, auch wenn der Standpunkt irrational erscheint, solange diese sich zum Grundgesetz bekennen. Es ist gesellschaftlich notwendig, gerade mit den verängstigten Bürgern in Kontakt zu bleiben. Dass dies Erfolg verspricht, zeigt die Statistik. Das geringste Maß an Fremdenfeindlichkeit gibt es dort, wo viele Migranten in lokalen Gemeinschaften leben.

Auch Medien, Politik und die gesellschaftlichen Eliten müssen ihren Umgang mit den angstvollen Bürgern dringend verbessern. Verallgemeinerungen, Diffamierungen, der pauschale Blick auf Anhänger rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen als fremdenhassender Mob befördern nur die Abschottung. Kommentierungen und eine Berichterstattung dieser Art ist allzu häufig in den Sozialen und traditionellen Medien zu finden und nicht konstruktiver, als alle Flüchtlinge oder Asylanten zu verteufeln und über den „Sexmob-Syrer“ zu sprechen. Ebenso wenig führt es dazu, dass sich rechtspopulistische Wähler von ihrem Protest abwenden und wieder Vertrauen ins politische System fassen. Statt sich auf das Niveau der Emotionalität und Irrationalität zu begeben, sollten gerade jene, die nicht von Angst beeinflusst werden, zur Entschärfung der Situation beitragen und den Dialog suchen. Gesellschaft Leitartikel Meinung

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  1. Elisabeth Voß sagt:

    Was wollen Sie den LeserInnen mit diesem Artikel sagen? Wenn ich den Beitrag wohlwollend lese, kann ich noch so weit zustimmen, dass es nicht sinnvoll ist, ganze Gruppen von Menschen pauschal als rechts oder „Mob“ abzutun, und dass es auch Sinn machen kann, zu reden, zumindest mit den Mitläufern. Darüber hinaus bleibt bei mir Kopfschütteln und Erschrecken.
    Einerseits behaupten Sie, „Angst und Ausgrenzung“ seien angeborener Teil der menschlichen Natur. Im nächsten Absatz bezeichnen Sie dies als Angststörung, die therapiert werden müsse. Das passt doch nicht zusammen, oder meinen Sie, dem Menschen sei ein phobischer Defekt angeboren? Und wie kommen Sie überhaupt darauf, solche Behauptungen aufzustellen?
    Aus historischen Schilderungen der Eroberung Amerikas ist mir im Gedächtnis geblieben, dass Indigene offenherzig und neugierig auf die Eroberer reagierten. Und ist nicht bis heute das Interesse an anderen Menschen und anderen Kulturen überall zu beobachten, und mindestens ebenso verbreitet wie Abschottung? Bislang ging ich davon aus, es sei Stand der Wissenschaft, dass das „Fremde“ eine soziale Konstruktion ist. Glauben Sie ernsthaft, Zugehörigkeit orientiert sich ausschließlich an der Nationalität, und dies sei auch noch angeboren?
    Ist Ihnen nicht bekannt, dass „besorgte Bürger“ das Label ist, unter dem AfD, Pegida, NPD und andere mit ihren widerwärtigen Parolen auftreten, und dass viel zu viele diese nicht nur gröhlen, sondern in Taten umsetzen? Dass angebliche Ängste als Schutzbehauptung dienen, um rassistische und menschenfeindliche Motive zu kaschieren? Ihr Vergleich mit AnhängerInnen der Bilder von Klee und Kandinsky klingt in diesem Zusammenhang, als sei Rassismus eine Geschmacksfrage. Es klingt wie eine Vorab-Entschuldigung und Einladung an „besorgte Bürger“, mit wissenschaftlicher Legitimation das biologisch Vorgegebene auszuleben.

  2. Bremer sagt:

    Sehr geehrte Frau Voß,
    mir gefällt der Artikel sehr gut, da er nicht apologetisch ist, sondern auffordert, Menschen in ihrer Komplexität anzunehmen.
    Um jemand zu sein, müssen wir in unserer frühen Entwicklung Eigenschaften bestimmen, die zu uns gehören und andere ausschließen, die uns fremd sind. Das erfolgt zunächst schablonenhaft und rigide, je nach Unterstützung und Umfeld flexibler. Es bleibt aber eine Grenze zwischen Eigenem und Fremdem, letzteres erscheint uns dann bedrohlich, auch und besonders, wenn es zu uns gehört.
    Das es also eine seelische Leistung ist, mit Fremdem umzugehen, ist menschlich. Das wird unter dem Dogma von Freiheit und Selbstbestimmung aus meiner Sicht vernachlässigt. So wie jeder Machthaber Kontrolle braucht, um sich nicht in Größenfantasien zu verlieren, brauchen wir u.a. sozialen Halt und Wertschätzung, um uns Bedrohungen zuzuwenden.
    Auch wenn es sicherlich über Rassismus weit mehr zu sagen gibt, halte ich die strikte Zurückweisung dieser individuellen Bedingtheit als conditio humana für eine schädliche Verleugnung der Lebensbedingungen im Kapitalismus mit seiner rasanten Auflösung und Entwerutng sozialer Bezüge.
    Auch für die AutorInnen gilt wie für eigenes und fremdes, man kann immer nur etwas sagen, indem man vieles wegläßt und sich momentan nicht zu eigen macht.

  3. Christsozialer sagt:

    Ostdeutschland kann aufgrund einer hohen strukturellen Arbeitslosigkeit keine Zuwanderung Unqualifizierter brauchen. Der Standpunkt ist als von Natur aus ein anderer als im Westen.