Rechtsextremismus
970 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte 2016
Nach wie vor ist die Zahl der Übergriffe auf Asylunterkünfte hoch. Das Bundesinnenministerium warnt weiter vor schweren Gewalttaten der rechten Szene. Hilfsorganisationen zeigen sich besorgt.
Montag, 06.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 09.02.2017, 17:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Auch im vergangenen Jahr ist die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte hoch geblieben: Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Freitag wurden insgesamt 970 Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte registriert. Zudem meldeten die Bundesländer 2.396 Straftaten gegen Flüchtlinge außerhalb der Unterkünfte. Die Bundesregierung verurteilte die hohe Zahl der Straftaten.
Gesellschaft und Politik trügen bei diesem Thema gemeinsam eine große Verantwortung gegen ein stilles Einverständnis und bloßes Hinnehmen solcher Taten, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin, Ulrike Demmer, in Berlin. Die Bundesregierung nehme ihre Verantwortung in diesem Bereich sehr ernst. Die Bekämpfung von Rechtsextremismus sei eine der grundlegendsten Aufgaben von Staat und Gesellschaft.
Die Zahl sei nach wie vor erschreckend hoch, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums zu den Ergebnissen, über die der Evangelische Pressedienst (epd) zunächst exklusiv berichtet hatte. Jeder einzelne dieser Vorgänge sei verabscheuungswert und müsse mit aller Härte und Konsequenz des Rechtsstaates beantwortet werden. Der Sprecher wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass im Kampf gegen den Rechtsextremismus von der Bundesregierung bereits eine Reihe an Maßnahmen ergriffen wurden. Aber der jetzige Zustand sei bei weitem nicht befriedigend, hieß es weiter. Die vom Bundeskriminalamt erfassten Zahlen sind den Angaben zufolge vorläufig.
Keine Vergleichszahlen
2015 – dem Jahr mit dem größten Andrang von Flüchtlingen – wurden 1.031 Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte erfasst. Rund ein Zehntel davon waren Brandstiftungen, die vielerorts Schlagzeilen machten. Straftaten gegen Flüchtlinge werden erst seit Beginn vergangenen Jahres gesondert erfasst, weshalb zu den rund 2.400 für 2016 gemeldeten Fällen keine Vergleichszahlen zu früheren Zeiträumen vorliegen.
Allerdings ging die Zahl der Delikte gegen Asylunterkünfte im Verlauf des vergangenen Jahres zurück. Im ersten Quartal wurden noch knapp 460 Straftaten gezählt. Im Zeitraum Oktober bis Dezember sank die Zahl der Straftaten auf 116.
Keine Entwarnung
Trotz der gesunkenen Zahlen gibt das Ministerium keine Entwarnung: Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden sei weiterhin damit zu rechnen, dass die rechte Szene die Agitation in der Asyldebatte fortsetzen werde, hieß es. Es sei auch mit schweren Gewaltstraftaten zu rechnen. Mit Verweis auf Vereinigungen wie die „Gruppe Freital“ und die „Oldschool Society“, gegen die Ermittlungen beim Generalbundesanwalt laufen, schloss das Ministerium auch die Bildung rechtsterroristischer Vereinigungen nicht aus.
Auch die Amadeu-Antonio-Stiftung äußerte sich besorgt. „Die Gewalt gegen Flüchtlinge hat nicht wirklich nachgelassen“, sagte Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Stiftung, dem epd. Er schließt zudem nicht aus, dass die Zahlen nach oben korrigiert werden müssen. „Man weiß noch nicht, in welchem Umfang es Nachmeldungen beispielsweise im Hinblick auf den Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz geben wird“, sagte Reinfrank.
Kein Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt
In diesem Zusammenhang kritisierte er die Entscheidung der Bundesregierung, ein Bleiberecht für Opfer rechter Gewalttaten abzulehnen. Dies sei gefährlich und ein falsches Zeichen, sagte Reinfrank. Er forderte einen besseren Schutz für Flüchtlinge insbesondere im ländlichen Raum.
Man brauche mehr Sensibilität bei der Polizei, verbesserte lokale Sicherheitskonzepte und die zeitnahe Bestrafung der Täter. Aber auch eine bessere und schneller Integration der geflüchteten Menschen. „Umso schneller Flüchtlinge dezentralisiert untergebracht werden, umso mehr fallen die symbolhaften Angriffe weg“, sagte Reinfrank. (epd/mig) Gesellschaft Leitartikel
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