"Brutalisierung der Abschiebepraxis"
Bundesregierung bringt schärferes Abschieberecht auf den Weg
Das Bundeskabinett hat einen Gesetzesentwurf zur "besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" gebilligt. Es sieht die Erweiterung der Abschiebehaft vor sowie Einschränkung der Bewegungsfreiheit. Pro Asyl warnt vor "Brutalisierung der Abschiebepraxis".
Donnerstag, 23.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 28.02.2017, 17:36 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Abgelehnte Asylbewerber sollen künftig schneller wieder in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. Das ist Ziel eines „Gesetzentwurfs zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“, den das Bundeskabinett am Mittwoch in Berlin gebilligt hat. Er sieht unter anderem die Erweiterung der Abschiebehaft für Personen vor, von denen eine Gefahr für Leib und Leben anderer Menschen ausgeht. Zudem soll die Bewegungsfreiheit von Asylsuchenden beschränkt werden, die über ihre Identität täuschen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge soll künftig die Handys von Flüchtlingen zur Klärung der Identität auslesen dürfen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte nach dem Kabinettsbeschluss, gerade angesichts der zu erwartenden hohen Zahl an Ablehnungen von Asylanträgen sei es wichtig, dass die Ausreisepflicht durchgesetzt werde. Zu den Neuregelungen gehört auch eine Erweiterung des sogenannten Abschiebegewahrsams – ein Festhalten unter der Schwelle der Abschiebehaft – von vier auf zehn Tage. Vorgesehen sind außerdem eine Verpflichtung der Jugendämter zum Stellen eines Asylantrags für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und die Möglichkeit zur Verlängerung der Aufenthaltsdauer in Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende mit geringer Chance auf einen positiven Asylbescheid.
Mit dem Gesetz soll ein Teil der Beschlüsse der Sonderkonferenz der Regierungschefs von Bund und Ländern vom 9. Februar umgesetzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten hatten ein Maßnahmenpaket mit insgesamt 15 Punkten vereinbart. Der erste betrifft das im Kabinett verabschiedete Gesetz, das noch im Bundestag und Bundesrat beraten werden muss. Die Bundesländer behielten sich vor, das Gesetz im Lichte des konkreten Entwurfs zu bewerten. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hatte bereits Widerstand angekündigt.
Stellungnahme von 20 Organisationen
Auch Sozialverbände und Flüchtlingsorganisationen kritisierten die schärferen Abschieberegelungen. In einer gemeinsamen Stellungnahme von insgesamt 20 Organisationen, darunter Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Kinderhilfswerk, SOS-Kinderdorf und terre des hommes, wird vor allem auf die betroffenen Kinder und Jugendlichen verwiesen. Durch den längeren Verbleib in Erstaufnahmeeinrichtungen würde ihnen dauerhaft der Zugang zu Schulen verwehrt, rügen die Verbände.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl warnte vor einer „Brutalisierung der Abschiebepraxis“ und vor dem Hintergrund der Handy-Ausleserechte vor einem „gläsernen Flüchtling“. De Maizière widersprach derweil der Befürchtung von Pro Asyl, durch die Überprüfung der Handys könnten Reiserouten rekonstruiert werden, um mehr Dublin-Abschiebungen zu ermöglichen.
Sammelabschiebung geplant
Für Diskussionen sorgte unterdessen auch eine erneute, offenbar für Mittwochabend geplante Sammelabschiebung abgelehnter Asylbewerber nach Afghanistan. Medienberichten zufolge sollten rund 50 Menschen ausgeflogen werden. Es wäre die dritte Sammelabschiebung nach Unterzeichnung des Rückführungsabkommens mit Afghanistan, das immer wieder für Kritik sorgt. Opposition, Menschenrechtler und Kirchen kritisieren die Abschiebungen, weil das Land in ihren Augen nicht sicher genug ist. De Maizière betont dagegen immer wieder, es gebe sichere Regionen in Afghanistan.
Auch in einigen Bundesländern werden die Abschiebungen kritisch gesehen. Schleswig-Holstein hat einen Abschiebestopp für Afghanen erlassen, den Bundesinnenminister de Maizière kritisiert hat. Am Mittwoch verteidigte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) vor dem Landtag in Kiel die Entscheidung seiner Regierung. Er verwies unter anderem auf über 3.500 Kinder, die im vergangenen Jahr in Afghanistan verletzt oder getötet wurden. Die Mehrheit der Menschen im nördlichsten Bundesland wolle nicht, dass Menschen dorthin abgeschoben werden, betonte Albig. (epd/mig) Leitartikel Politik
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