Berlin
Innensenator verteidigt harte Linie beim Nachzug zu Flüchtlingen
Mit einer juristischen Nacht- und Nebelaktion hatten Beamte der Ausländerbehörde in der Bundeshauptstadt den Nachzug der Eltern eines minderjährigen Flüchtlings aus Syrien in letzter Minute verhindert. Gegenüber MiGAZIN verteidigt der Berliner Innensenator das rigide Vorgehen seiner Behörde.
Von Tim Gerber Freitag, 24.02.2017, 16:29 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 26.02.2017, 20:12 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hält die Verhinderung von Familiennachzug zu Flüchtlingen durch die ihm unterstellte Landesbehörde für richtig. Der von ihr angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin, den Eltern eines noch minderjährigen Flüchtlings Visa zu erteilen, habe in „offensichtlichen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts“ gestanden, teilte Geisels Sprecher Martin Pallgen auf Nachfrage mit und verwies auf ein Urteil des höchsten deutschen Verwaltungsgerichts vom 18. April 2014.
Juristisch zutreffend ist dieser Verweis allerdings nicht. Denn in dem Urteil (Aktenzeichen BVerwG 10 C 9.12) wurde lediglich festgestellt, dass Eltern nach Eintritt der Volljährigkeit keinen Anspruch auf Nachzug zu ihrem Kinde mehr haben. Ausdrücklich betonen die Bundesrichter jedoch, dass dieses Recht vor Eintritt der Volljährigkeit notfalls im Wege eines Eilrechtsschutzes durchgesetzt werden kann – und genau das hatte das Verwaltungsgericht Berlin am 6. Februar im Falle eines aus Syrien geflüchteten Mädchens getan, dass am 10. Februar 18 geworden ist.
Dagegen hatte die Berliner Behörde Beschwerde eingelegt und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatten den Beschluss bereits am 8. Februar wieder aufgehoben. Seine Begründung: Die verbleibende Zeit bis zur Volljährigkeit des Mädchens sei doch viel zu knapp, um das Recht auf elterlichen beistand noch sinnvoll in Anspruch nehmen zu können. Deshalb sei abweichend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hier doch kein Visum mehr zu erteilen. Diese Entscheidung dürfte unter Fachjuristen noch für Diskussionen sorgen.
Widerspruch zu Koalitionsvereinbarungen
Das harsche Vorgehen von Geisels Behörde steht in direktem Widerspruch zu den Vereinbarungen der Berliner Koalition aus SPD, Linken und Grünen. Demnach will die Koalition die „bestehenden aufenthaltsrechtlichen Möglichkeiten für die Legalisierung, Erteilung und Verlängerung von Aufenthaltsrechten nach humanitären Gesichtspunkten ausschöpfen.“
Die Partner von Geisels SPD-Fraktion im Berliner Abgeordneten scheint die Missachtung des Koalitionsvertrages durch den Innensenator nicht weiter zu interessieren. Die Grünen sahen sich außer Stande, eine Anfrage dazu innerhalb einer Woche zu beantworten. Von den Linken war lediglich zu erfahren, dass man den Vorgang „nicht kommentieren“ wolle.
Leider ersetze die Koalitionsvereinbarung allerdings nicht unmittelbar geltendes Recht und auch nicht innerbehördliche Anweisungen, wie dieses auszulegen und anzuwenden sind oder in welcher Hinsicht Ermessensspielräume ausgeschöpft werden sollen, bedauert der innenpolitische Sprecher der Fraktion Hakan Taș.
Angebliche Abstimmung
Für den Erlass entsprechender Weisungen, in derartigen Fällen des Elternnachzugs zu minderjährigen Flüchtlingen die bestehenden Spielräume zu Gunsten humanitäre Aufenthalte zu nutzen, wäre der Innensenator zuständig. Der denkt aber offenbar gar nicht daran, etwas in dieser Richtung zu unternehmen, sondern verweist auf seinen Parteifreund Sigmar Gabriel, dem das Auswärtige Amt untersteht. Dieses sei schließlich für die Visaerteilung zuständig. Die Beschwerde gegen die gerichtliche Anordnung sei „in Absprache mit dem Auswärtigen Amt“ erfolgt, behauptet jedenfalls Geisels Pressesprecher Martin Pallgen.
Davon will man im Auswärtigen Amt nichts wissen. Vielmehr legt man Wert auf die Feststellung, dass jede Behörde ihre Entscheidung eigenständig treffe, „ob und gegebenenfalls wie gegen verwaltungsgerichtliche Entscheidungen vorgegangen wird“. Mit anderen Worten: Die behauptete Absprache mit dem Außenamt, dass die Berliner Behörde die Beschwerde einlegen soll, hat es nicht gegeben. Weitere Nachfragen dazu hat der Innensenator Berlins innerhalb einer Woche nicht beantworten können. (epd/mig) Aktuell Meinung Politik
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