"Keine Konzentrationslager"
EU-Parlamentspräsident für Auffanglager in Libyen
Lager für Migranten in Nordafrika werden in der Flüchtlingsdebatte immer wieder erörtert. Meist geht es um einigermaßen stabile Länder - ein Vorstoß von EU-Parlamentspräsident Tajani bezieht sich jetzt aber auf das zerrüttete Libyen.
Dienstag, 28.02.2017, 4:25 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.03.2017, 21:47 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
In der EU werden neue Vorschläge diskutiert, um Flüchtlinge aus Afrika von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. Der Präsident des Europaparlaments, Antonio Tajani, sprach sich für Auffanglager in Libyen aus, während Frontex-Chef Fabrice Leggeri einen Stop privater Rettungseinsätze vor der libyschen Küste nahelegte. Beide äußerten sich am Montag in deutschen Zeitungen und gingen mit ihren Vorstößen über die bisher von der EU verfolgte Linie hinaus.
Die EU sollte zum Zweck der Auffanglager „ein Abkommen mit Libyen vereinbaren“, sagte Tajani den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Die Menschen sollten „dort ein paar Monate oder Jahre in Würde leben können.“ Es müsse „eine gewisse Grundausstattung wie eine ausreichende Zahl an Ärzten und genügend Medikamente“ geben. Auffanglager dürften „keine Konzentrationslager“ werden, sagte der konservative italienische Politiker. Wenn es gelinge, die radikalislamische Terrorgruppe Boko Haram „zu beseitigen“, sollten Flüchtlinge aus der Krisenregion in Westafrika wieder in ihre Heimatländer zurückkehren.
„Jedes Mal wieder fassungslos“
In Brüssel traf der Vorstoß bei verschiedenen Stellen auf Unverständnis. Sie sei „jedes Mal wieder fassungslos“ über derartige Vorschläge, sagte die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel im Deutschlandfunk. Schließlich sei Libyen „natürlich kein sicheres Land“.
Eine mit dem Thema vertraute EU-Diplomatin sagte dem Evangelischen Pressedienst, dass die EU sich gegenwärtig für bessere Lebensbedingungen in bereits bestehenden Lagern unter Kontrolle der libyschen Einheitsregierung einsetze. „Neue Lager sind überhaupt nicht unsere Absicht.“ Dazu gebe es weder Gespräche noch Pläne mit Blick auf Libyen oder ein sonstiges nordafrikanisches Land.
Konzept auf den Prüfstand stellen
Unterdessen hinterfragte die Grenzschutzagentur Frontex Rettungseinsätze von Hilfsorganisationen vor Libyens Küste. „Wir müssen verhindern, dass wir die Geschäfte der kriminellen Netzwerke und Schlepper in Libyen nicht noch dadurch unterstützen, dass die Migranten immer näher an der libyschen Küste von europäischen Schiffen aufgenommen werden“, sagte Behördenchef Leggeri der Zeitung „Die Welt“. Die Hilfe führe dazu, „dass die Schleuser noch mehr Migranten als in den Jahren zuvor auf die seeuntüchtigen Boote zwingen, ohne genug Wasser und Treibstoff.“
Leggeri verlangte nicht direkt einen Stop solcher Einsätze, forderte aber: „Wir sollten deshalb das aktuelle Konzept der Rettungsmaßnahmen vor Libyen auf den Prüfstand stellen.“ Die ökumenische Organisation Churches‘ Commission for Migrants in Europe (CCME) kritisierte Leggeris Äußerungen. „Die Seenotrettung bleibt wichtig, solange es keine legalen Zugangswege gibt, auch die private“, sagte CCME-Generalsekretärin Doris Peschke dem Evangelischen Pressedienst.
Private Initiative rettet 9.100 Flüchtlinge
Die meisten Migranten, die über Nordafrika nach Europa wollen, legen derzeit in Libyen ab. Die EU-Kommission hat bereits Ende Januar mitgeteilt, dass mehr als zwei Drittel der Boote gar nicht mehr dazu ausgelegt seien, bis nach Europa zu gelangen.
Die EU selbst rettet Menschen im Mittelmeer im Rahmen der Operation „Sophia“. Daneben sind eine Reihe privater Initiativen aktiv, darunter SOS Méditerranée, die am Montag einen Bericht über ihr erstes Jahr vorlegte. Demnach hat die Organisation seit Ende Februar 2016 mit ihrem gecharterten Rettungsschiff „Aquarius“ rund 9.100 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Zudem seien mehr als 13.400 Menschen an Bord versorgt worden, teilte die Organisation mit Sitz in Berlin mit. (epd/mig) Leitartikel Politik
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